Kervenheimer Knast war keine Strafe
So viel Gemütlichkeit findet man nur, wenn man in Kervenheim einsitzt. Und die Insassen kommen sogar freiwillig dorthin – schließlich handelt es sich bei dem Theaterstück „Residenz Schloss und Riegel“ doch um einen Bühnenknast, den der Theaterverein Gemütlichkeit in seinem Jubeljahr auf die Bretter im Saale Brouwers zaubert.
Zur Premiere jedenfalls war die gute Stube Kervenheims mit Zuschauern gut gefüllt und im hinteren Teil warteten die Darsteller darauf, dass sich erst der Vorhang und dann die Zellentüren öffneten.
Keine Reue
Das geschah dann auch in dieser Reihenfolge und der Knastbesuch sollte die Zuschauer nicht reuen. Denn das Ensemble des Theatervereins hatte auf der Bühne, vor und hinter den Kulissen, fleißig an dem Dreiakter von Winnie Abel gefeilt.
Im klassischen Schwank werden gerne die Rollen vertauscht. Das ist hier ebenso, aber eine zusätzliche Ebene macht das Verwirrspiel auf der Bühne noch interessanter: Auch die Orte des Geschehens geraten durcheinander. Ein rüstiges Rentnerpaar (Irmgard und Hermann Krause, dargestellt von einer peppig-patenten Beate Gansen und vom toll-tüddeligen Heinz-Theo Bruckmann) gerät statt in eine Seniorenresidenz irrtümlicherweise in die JVA, die durch ihre Tochter (resolut verzweifelnd: Simone Gansen) geleitet wird.
Sobald die Schließerin (schreiend komisch und einsilbig: Anne Ophey) die Gittertür des Gemeinschaftsraums hinter sich schließt, versuchen die Insassen, die neuen Gäste für sich und ihre Freiheitspläne zu gewinnen. Als da wären: Karl „Kalle“ Huber, den Georg Werner als den unschuldigsten Unschuldigen gibt, den man sich vorstellen kann, Bad Girl Jaqueline, dargestellt von einer echt-voll-krass-dauerschwörenden Michaela Leisten, Boris Brandner, als der sich Jonas Werner in russisch-rabiater Muskelprotz-mit-Spatzenhirn-Manier durch die Szenen boxt, sowie die Wirtschaftskriminielle Marlene Heinrichs (Gisela Franzen), die versucht, ihren Aufenthalt so glamourös wie möglich zu gestalten.
Am Ende dürfen alle ihre Scherflein zur Lösung der dringendsten Probleme beitragen, was zu einem Happy-End vor und hinter Gittern führt. Dass die Charakter-Kombination dabei reichlich Stoff für Wort-Spiel und Spiel-Witz bietet, versteht sich von selbst. Und weil das Publikum die wichtigsten Eckdaten immer schon eine Weile weiß oder zumindest erahnen kann, bevor sich für die Bühnenfiguren der Knoten entwirrt, kommt in dem Kervenheimer Knast keine Langeweile auf.
So sind diese etwas mehr als zwei Stunden Aufenthalt in Kervenheims Kittchen schließlich keine Bestrafung, sondern zumindest für das Publikum eine Belohnung.
Lichtblicke und Herzenswünsche
Ensemble und Zuschauer bleiben aber nicht die einzigen Gewinner des Abends und der vier Aufführungen im Jubiläumsjahr. Das erklärte der Vorsitzende des Theatervereins, Erich Derriks, bei der Begrüßung des Premierenpublikums. Dank der Beteiligung zahlreicher Sponsoren konnte die Theatergruppe bei allen vier Aufführungen eine Tombola durchführen, deren Erlös ebenso wie der Erlös eines Benefiznachmittages am vergangenen Sonntag zu gleichen Teilen an die zwei Organisationen „Lichtblicke e.V.“ und „Herzenswünsche Niederrhein e.V.“ übergeben werden soll.
Übrigens erwähnte Derricks vor der Premiere auch, dass die Aufführungen der beliebten Theatergruppe künftig wieder im Herbst stattfinden sollen.
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