Kein Bewohner muss einsam sterben
Normalerweise gibt es im Hospiz in Wetten keine strengen Besuchsregeln. Jeder darf zu jeder Uhrzeit und Tageszeit kommen, um einen Bewohner zu besuchen. „Da ist es auch egal, ob es die Familie, der Nachbar oder der Kegelverein ist“, sagt Zita-Maria van de Meer, stellvertretende Einrichtungsleitung.
Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich jedoch auch in der Wettener Einrichtung einiges geändert. Nicht nur die Mitarbeiter müssen sich durch verschärfte Hygienemaßnahmen in ihrem Alltag umstellen.
Die Bewohner müssen sich damit zurechtfinden, dass der Besucherkreis eingeschränkt wird und auch manch ein Angehöriger oder Freund muss mit dem Gedanken leben, einen geliebten Menschen auf seinem letzten Lebensweg nicht so eng begleiten zu können wie gewünscht. „Da mussten wir, so leid es uns tat, etwas den Riegel vorschieben“, sagt van de Meer.
Die stellvertretende Einrichtungsleitung findet rückblickend auf die vergangenen Wochen viele lobende Worte für die Angehörigen. Alle hätten Verständnis für die verschärften Maßnahmen gehabt, obwohl es zwischenzeitlich große Einschränkungen gab: Die Besucher müssen sich zwecks Kontaktnachverfolgung in eine Liste eintragen, außerdem stets auf die Handhygiene achten und außerhalb des Bewohnerzimmers einen Mund-Nase-Schutz tragen.
Eine Zeitlang durften nur die engsten Angehörigen zu Besuch kommen. „Wenn jemand eine große Familie hat, muss die natürlich Abstriche machen“, sagt Schwester Zita-Maria. Doch auch da hätten alle Angehörigen viel Verständnis gezeigt. Viele seien einfach froh, dass sie mit ihrem Familienmitglied die Zeit nicht mehr im Krankenhaus verbringen müssen und bringen den Mitarbeitern Dankbarkeit entgegen.
Keine tröstenden Umarmungen
Auch die Räumlichkeiten der Einrichtung konnten von den Besuchern lange Zeit weitestgehend nicht mehr genutzt werden. „Seit Montag sind die Regeln auch bei uns entschärft worden. Man darf mit Mundschutz wieder im Haus umher laufen als Besucher“, sagt die stellvertretende Einrichtungsleitung. Auch auf die tröstenden Umarmungen der Mitarbeiter müssen Angehörige aktuell verzichten. Dank der zahlreichen technischen Möglichkeiten hätten manche Bewohner Alternativen wie Videotelefonie nutzen können, um mit Freunden und Familienmitgliedern in Kontakt zu bleiben. Aktuell gibt es auch für das Wettener Hospiz weitere Lockerungen hinsichtlich der Besuchsregeln. „Es dürfen auch wieder Freunde und wichtige Bezugspersonen zu Besuch kommen und nicht nur die engen Angehörigen.“ Es dürfe dennoch keine Gruppenbildung erfolgen.
Die Bewohner, die meist ihr letztes Zuhause im Hospiz finden, seien in der Regel sehr entspannt mit den Beschränkungen umgegangen. Niemand sei aufgrund dessen emotional zusammengebrochen oder habe viel geweint. „Ich habe das Gefühl, dass die Gäste (Anm. d. Red.: Bewohner) das irgendwie alle hinnehmen“, sagt Schwester Zita-Maria. Obwohl sich für die Bewohner des Hospizes auch im täglichen Kontakt mit den Mitarbeitern Dinge geändert haben.
Vor allem – und das sieht van de Meer als große Behinderung an – müssen die Mitarbeiter einen Mund-Nase-Schutz tragen. „Die Maske hemmt den Umgang miteinander und bildet in gewisser Weise eine Barriere. Man fühlt sich anonym. Man spricht auch deutlich weniger, weil man unter einer Schutzmaske nur begrenzt Luft bekommt.“ Normalerweise nehmen sich die Mitarbeiter Zeit für persönliche Gespräche mit den Bewohnern. „Bei allem bleibt irgendwie das Menschliche auf der Strecke“, meint van de Meer.
Die Ehrenamtlichen sind freigestellt
Neben dem organisatorischen Mehraufwand für die Mitarbeiter, fehlen aktuell auch helfende Hände. Denn die Ehrenamtlichen der Einrichtung sind freigestellt – viele von ihnen gehören zur Risikogruppe. Arbeiten wie Bügeln und Hausmeistertätigkeiten müssen von den Festangestellten zusätzlich erledigt werden.
Rückblickend auf die vergangenen Wochen sagt van de Meer: „Ich finde schon, dass die Beschlüsse, die für Hospize erlassen wurden alle sehr, sehr menschlich sind. Man hat uns in unserer kleinen Blase gelassen.“ Mit Einschränkungen liefe der Alltag weiter. Bei all dem sei vor allem eines wichtig: „Es ist nicht vorgekommen, dass jemand still und für sich alleine sterben musste.“
Denn auch wenn der Besuch stark eingeschränkt wurde und die persönliche Ebene eine andere ist als sonst: „Ich kann einem sterbenden Menschen den Kontakt zur engsten Familie einfach nicht verwehren“, betont Zita-Maria van de Meer. Im Sterbefall dürfen unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen auch mehrere Leute gleichzeitig in das Zimmer des Bewohners, um sich in aller Ruhe und Stille zu verabschieden.