Kammerspiel auf dem Kreuzfahrtschiff

Kevelaer. Dass „Passagier 23“ ein Bestseller-Buch ist, steht außer Zweifel. Und ein guter Stoff für die Fans verwirrend-spannender Krimis dazu, loben Kenner den Shooting-Star-Autor Sebastian Fitzek. Lässt sich die Ausnahme-Schreibe des jungen Schriftstellers auch auf den Bühnenbrettern rüberbringen, lautete die spannende Frage, die sich die Zuschauer im so gut wie ausverkauften Bühnenhaus am Montagabend stellten.
Das oftmals unbehagliche Gefühl, mit dem Fitzek immer wieder verbal in seinen Krimis kokettiert, beschleicht einen auch in der Bühnenfassung von Christian Scholze schnell, ist man erst einmal an Bord des Kreuzfahrtschiffes, auf dem die Geschichte spielt. Das reduzierte Bühnenbild (Anna Kirschstein) arbeitet mit großartigen Ausschnitt-Projektionen von Schiffswänden oder -reeling, vor allem aber mit Meeres- und Motorgeräuschen. Die Kulissen wirken in ihrer Größe und Klarheit kühl und bedrohlich. Im Gegensatz dazu stehen die bis zum letzten Knopf und Faden stringent, fast schon opulent gezeichneten Figuren (Kostüme: Anja Müller) und die zunächst undurchsichtige Differenziertheit der handelnden Personen.
Lothar Maninger gelingt es in seiner Inszenierung, den Zuschauer dank geschickt gesetzter Szenenabbrüche bei der Stange zu halten. Er hat aus einer großen Romanvorlage ein großartiges Kammerspiel in dutzenden Aufzügen gemacht, die alle durch differenzierte Darstellung und überdimensionale Kulissen quasi ausufern, ohne den Handlungsfaden abreißen zu lassen.
Und wenn man ahnt, wohin die Reise gehen könnte, dann stellt ohnehin schon Fitzek in der Vorlage alle Maschinen auf Stopp, vollzieht eine kleine Kurskorrektur – und das Ensemble des Westfälischen Landestheaters folgt den Anweisungen willig.
Ohne allzusehr ins Filmische zu verfallen ist es hier gelungen, ein 400 Seiten starkes, spannendes Buch für die Bühne umzusetzen, ohne dass sich der Zuschauer überfordert fühlt. Alle Charaktere sind zu Ende erzählt, was nicht zuletzt auf die große Darstellungskraft der Mimen des Landestheaters aus Castrop-Rauxel zurückzuführen ist.
Natürlich ist ein Buch kein Bühnenstück und umgekehrt. Doch die Geschichte ist, gebunden wie gespielt, stimmig und spannend erzählt. Am Ende ist dieser Fall gelöst – doch auch hier übernimmt das Bühnenstück die Vorlage des Erfolgsautors und lässt neue Dimensionen durchscheinen. Das nährt die Hoffnung, dass Bühnen sich weiter an Fitzek versuchen wollen – dass man dabei nicht scheitern muss, hat die Inszenierung des Westfälischen Landestheaters Castrop-Rauxel gezeigt.
Die nächste Aufführung der städtischen Theaterreihe ist am Dienstag, 5. Dezember, 20 Uhr, „Die Physiker“. Den Klassiker nach Friedrich Dürrenmatt präsentiert das Rheinische Landestheater Neuss. Es handelt sich um eine Sonderveranstaltung innerhalb der Theaterreihe, d.h. diese ist nicht im Abonnement enthalten.