Jawort nach 38 Jahren
Es war weit nach Mitternacht, als Stefan und Bettina Liesting zu den Klängen des DJs im „Haus Ehren“ ausgelassen miteinander tanzten. Das jungvermählte Paar hatte einen aufregenden Tag hinter sich gebracht, mit einer wundervollen standesamtlichen Trauung im Alten Rathaus, einem kleinen Umtrunk mit Freunden und Verwandten gegenüber auf der Rasenfläche und einer abwechslungsreichen Tanz-und Musikparty. Die wurde durch den Musikverein Kevelaer, dessen jahrzehntelanges Mitglied Stefan ist, mit einem Mix bekannter Melodien bereichert.
Dass die 53-jährige Altenpflegerin und der 57-jährige gelernte Industriekaufmann gemeinsam in den Stand der Ehe eintraten, verdanken sie einer ungewöhnlichen Geschichte, in der sie als junge Menschen zusammenkamen, um sich dann fast drei Jahrzehnte aus den Augen zu verlieren und anschließend wiederzufinden.
Erstmals begegneten sich beide 1981 bei Axmann im Tanzkurs. „Das war in der Schützenhalle, da ging man einfach hin“, erinnert sich die gebürtige Linnicherin bis ins Detail: „Auf der einen Seite standen die Stuhlreihen mit den Mädchen an der Wand, gegenüber die Jungs. Da lagen die Nerven blank, weil man Angst hatte, keinen Jungen abzubekommen und hoffte, dass man keinen Idioten abbekommt.“ Damals hieß es noch: Der Junge sucht das Mädchen aus. „Und ich hab Bettina ausgesucht“, meinte der Sohn eines Buchbinders mit einem Lächeln.
Der Tanzkurs dauerte nur drei Monate, die anschließende Beziehung aber fünfeinhalb Jahre. „Wir sind ab dem 17. Oktober 1981 miteinander gegangen“, weiß Bettina noch ganz genau. Die Zeit war „gepflastert mit Reisen“ mit der „Fiets“ Richtung Ostsee und Richtung Jugoslawien und viel gemeinsamer Freude.
1987 endete die zarte Liaison. „Da kam so ein Punkt, wo man in sein Erwachsenenleben reinging mit 21.“ Fortan führten ihre Wege in verschiedene Richtungen. Beide trafen neue Partner, bekamen zwei Kinder, heirateten. Viel Kontakt bestand nicht, bis Stefan 2002 zwei Häuser entfernt von ihren Eltern ein Haus kaufte. „Da hat er mal mit meinem Vater von Garten zu Garten geredet. Persönlich gab es aber nicht mehr als ein kurzes Hallo.“
Das änderte sich erst dreizehn Jahre später, als sich beide auf der Kevelaerer Kirmes 2015 begegneten. „Da war ich alleine und habe gehört, dass sie alleine ist. Da haben wir zusammen getanzt“, erzählt Stefan Liesting. Bettina war überrascht: „Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht“ – angesichts der Tatsache, dass man über 28 Jahre lang außer dem kurzen „Hallo“ kein vernünftiges Wort miteinander gewechselt hatte.
Nach der Kirmes deutete zunächst nichts auf eine Neuauflage hin, „auch wenn mich das nicht kaltgelassen hat“, wie Stefan gesteht. Im Juli ging Bettina von der Arbeit aus ins Kevelaerer Freibad, schlief nach dem sechsten Frühdienst in Folge ein. „Und dann wurde ich wach, er stand vor meinem Handtuch und fragte mich, ob wir nicht zusammen schwimmen wollen.“ Gesagt, getan.
Wieder vereint
Am nächsten Tag war er wieder da und ihr dämmerte, dass da was im Gange ist. „Wir wollten gemeinsam zum Haus der Geschichte nach Bonn, weil wir beide noch nicht da waren.“ Ab da trafen sie sich regelmäßig. „Wir haben wochenlang miteinander geredet“, sagt Bettina Liesting. Sie erzählten sich, was die letzten Jahrzehnte so passiert ist. „Wir waren beide verletzt vom Leben.“ So passierte es, dass die beiden viele Gemeinsamkeiten wiederentdeckten und wieder zusammenkamen. Die erwachsenen Kinder nahmen die neue Lebenssituation von Vater und Mutter an – und freuten sich bei der Trauung erkennbar mit ihnen.
Das Schwimmen, die Musik und das Reisen sollen Grundkonstanten des gemeinsamen Lebens bleiben. „Und wir fahren zweimal im Jahr zu Konzerten – letztes Jahr waren es BAP und die „Toten Hosen“, sagt Bettina. Wohin die Hochzeitsreise gehen soll, haben beide noch nicht ausgemacht – aber es könnte Richtung Griechenland gehen.