Ist die OW1 noch zeitgemäß?

KB-Leserin Fredda Wouters hat recherchiert und fordert eine offene Debatte.
Liebe Leserinnen und Leser des Kevelaerer Blattes, wie in meinem Leserbrief vom 10.01.2019 angekündigt, habe ich Antworten auf wichtige Fragen bezüglich der OW1-Trasse gesucht, die sich mir und vielen anderen Bürgern seit geraumer Zeit stellen. Zwischenzeitlich habe ich den Planfeststellungsbeschluss gesichtet und viele ausschließlich freundliche persönliche Gespräche geführt, z.B. mit dem Herrn Bürgermeister, mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, mit Herrn Schädel von der Initiative Pro OW1, mit der „Initiative Rettet die Binnenheide“ und sogar mit Herrn Vollstedt von der Bezirksregierung.
Die OW1 ist unumstritten ein ökologisch hoch problematisches Projekt, was sich an der langjährigen Abwägungsphase bezüglich Natur-, Artenschutz und wasserrechtlichen Belangen und dem daraus resultierenden äußerst umfassenden Planfeststellungsbeschluss mit 369 Seiten sehr deutlich zeigt. Eine Befreiung von den Naturschutzbestimmungen ist nur deshalb möglich, weil das Vorhaben „aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls bzw. des überwiegenden öffentlichen Interesses erforderlich und aus vernünftigen Gründen geboten“ sei. So heißt es im Planfeststellungsbeschluss.
Die verkehrliche Notwendigkeit der OW1 wurde im Landesstraßenbedarfsplan gesetzlich festgestellt. Dem kann jetzt nur noch widersprochen werden, wenn es offenkundig keinerlei verkehrlichen Bedarf gibt, weil sich z.B. die Verhältnisse in der Zwischenzeit so grundlegend gewandelt hätten, dass sich die ursprüngliche Bedarfsentscheidung nicht mehr rechtfertigen ließe.
Im Planfeststellungsbeschluss finden sich natürlich nicht die aktuellen ökologischen Debatten und Trendwenden in der Gesellschaft, wie „Fridays for future“, die Problematik des derzeit landesweit diskutierten Insektensterbens oder die Einsicht darüber, dass sich unsere Mobilität in Zukunft verändern muss und wird. Auch die verbreitete Einstellung, dass wir Bürger uns nicht mehr den wirtschaftlichen Interessen von umweltbelastenden, gewinnoptimierenden Großunternehmern und Lobbyisten unterordnen wollen, der Generationswechsel und die damit einhergehende mögliche Veränderung der öffentlichen Meinung im Laufe der langen Planungszeit, finden sich hier natürlich auch nicht als Argumente verzeichnet. Kevelaer entwickelte sich zudem in den letzten zehn Jahren neben der Wallfahrt immer mehr zu einem Kulturstandort mit Schnittstellen von Natur, Tourismus, Freizeit und Kunst. Das sind Ressourcen, die wir bereits haben, mit denen Kevelaer wirbt und die weiter entwickelt werden können.
Auch wenn die genannten Punkte die Bedarfsentscheidung der OW1 vielleicht nicht juristisch in Frage stellen, ist es vor dem Hintergrund des derzeit wachsenden öffentlichen Interesses und der neu gewonnenen Erkenntnisse über die Folgen der OW1 dennoch äußerst wichtig eine offene Aufklärungs- und Diskussionskampagne zu starten und alle Bürger umfassend zu informieren. Dem hat sich nun die ehrenamtliche Bürgerinitiative „Rettet die Binnenheide“ verschrieben.
Information vernachlässigt
Die Information und Bürgerbeteiligung ist eigentlich Aufgabe des Verfahrenträgers „Straßen NRW“, der von der Bezirksregierung zwar dazu angehalten wird, seiner Pflicht nachzukommen, aber das Gesetz erzwingt die Bürgerbeteiligung bei solchen Straßenbauprojekten nicht. Die Stadt Kevelaer ist als Verfahrensbeteiligte auch nicht gesetzlich dazu verpflichtet.
Ich persönlich finde es sehr bedenklich, dass diesbezüglich eine derart freie Handhabe herrscht und betroffene Bürger nicht umfassend informiert werden brauchen.
Recherchen der Bürgerinitiative „Rettet die Binnenheide“ ergaben, dass es viele andere Fälle in der Umgebung gibt, wo sich Bürgerinitiativen gegen allerlei Bauprojekte in Natur und Landschaft von „Straßen NRW“ gegründet haben. Ich erfuhr hier außerdem, dass es seit dem 19.02.2019 Änderungen im Landesentwicklungsplan gibt, die den Kiesabbau in unserer Region und die Ausweitung des Flughafens Weeze so deutlich erleichtern, dass Gegenklagen betroffener Bürger gegen solche folgenhaften Vorhaben deutlich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich werden. Meine schlimmsten Vorstellungen werden immer wahrscheinlicher und bedrohlicher: Eine durch den Kiesabbau durchlöcherte niederrheinische Kulturlandschaft, eine von dauerhaftem Flug- und zunehmenden LKW-Lärm verminderte Lebensqualität, der Verlust von touristischen und kulturellen Potenzialen sowie ein flächendeckender Immobilienwertverlust.
Die OW1, finanziert durch unsere Steuergelder, öffnet Tor und Tür für diese Entwicklungen. Ich glaube, das ist den meisten Menschen gar nicht bewusst.
Es bestätigt sich im Falle der Wasserverschmutzung der Niers, Fleuth und Dondert durch allerlei Schadstoffe aus Dünge- und Insektenschutzmitteln; es bestätigt sich im Falle der Befreiung von Naturschutzbestimmungen beim Bau der OW1 und es findet in der globalen Klimakrise den umfassendsten Ausdruck: Unsere Naturschutzgesetze sind nicht im Stande, unsere Natur tatsächlich zu schützen und versagen kläglich.
Die Entscheidung um 1960 für eine Südumgehung an Stelle einer Nordumgehung ist für mich aus planerischer und ökologischer Sicht nicht nachvollziehbar. Ich frage mich, wie man eine richtungsgebende Teilstrecke bereits bauen kann, ohne die „Baugenehmigung“ für den zweiten ökologisch äußerst heiklen Teilabschnitt zu haben?
Die Tatsache, dass das Gewerbegebiet Ost immer weiter wuchs und laut Herrn Heckens (Stadtplanung) auch zukünftig weiter in Richtung Wetten wachsen soll, beeinflusste entscheidend den zunehmenden Verkehr auf der Rheinstraße und in Winnekendonk. Es entsteht so der Eindruck, dass bei der Gewerbeansiedlung in diesem Bereich bereits seit langer Zeit auf eine noch nicht genehmigte und gebaute OW1-Trasse spekuliert wurde und die zunehmende Verkehrsbelastung für die sich beklagenden Anwohner billigend in Kauf genommen wurde. Der angestaute Frust der Initiative Pro OW1 und ihre werbende Arbeit in der Bevölkerung für die Trasse kamen dem zeitlichen Fortgang der Planfeststellung letztlich erwiesener- maßen sehr zugute.
Ich vermute, wenn damals die Nordumgehungsvariante beschlossen worden wäre, mit einem wachsenden Gewerbegebiet z.B. an der Stelle, wo heute ein großes Kiesbaggerloch (bzw. potenzielles Naturfreibad) existiert, hätten wir nicht die Probleme, die wir heute haben.
Bei meiner Recherche bestätigte sich leider mein Gefühl, dass in den letzten Jahren viele Bürgerstimmen ignoriert und verkehrspolitisch mögliche und sinnvolle Anträge seitens einzelner Bürger, der Initiative Pro OW1, den Grünen, der KBV oder der FDP im Stadtrat, in dem die CDU Mehrheitspartei ist, oftmals ignoriert, langfristig vertagt oder komplett abgelehnt wurden und eine zügige Verhältnisänderung und -verbesserung damit regelrecht verhindert wurden.
Der aktuelle Stand ist folgender: Es gibt sie nun, die Klagen gegen den heiklen Bauabschnitt, die den Bau der Trasse bis auf weiteres verzögern werden. Jetzt liegt es bei den Ratsmitgliedern, dem Druck endlich nachzugeben und die von Bürgern, Initiativgruppen und Parteien seit Langem geforderten Maßnahmen zur Verminderung der Verkehrsbelastung voranzubringen. Darin sind sich Befürworter und Gegner der Trasse also einig und darin liegt in meinen Augen auch der Kern der Lösung vieler Probleme:
Wacht auf und solidarisiert euch! Macht gemeinsam Druck! Stellt Fragen, äußert eure Meinung offen und frei, lasst euch den Mund nicht verbieten, interessiert euch und setzt euch ein für demokratische Werte!
In der Ausgabe vom 20.12.2018 des KB war zu lesen, dass Herr Holla sich dafür aussprach, die Ampelschaltung an der Rheinstraße überprüfen zu lassen und die Situation zu optimieren. Ist da schon etwas passiert?
Über den Antrag für eine mögliche Sperrung Winnekendonks und der Rheinstraße für den durchgehenden LKW-Verkehr, wird laut meinem Informationsstand beim Haupt- und Finanzausschuss am 28.03.2019 abgestimmt. Ich würde mir wünschen, dass die Initiative Pro OW1 und die KBV mit diesem Antrag Erfolg haben und der LKW-Verkehr zukünftig über Kervenheim, an Schloss Wissen vorbei über einen Kreisverkehr auf die B9 geleitet würde. Es gibt sie doch, die alternativen Lösungsansätze. Man muss nur wollen und sich trauen – nur Mut, liebe Bürger und Ratsmitglieder!