Interreligiöse Wallfahrt: Mit „Engel der Kulturen“ ein Zeichen gesetzt

Moderiert durch Angela Krumpen vom Domradio begann im Marienpark die „III. Interreligiöse Wallfahrt für den Frieden“. Dr. Elke Kleuren Schryvers, Vorsitzende der Stiftung Aktion pro Humanität, hatte mit ihrem Team die Wallfahrt vorbereitet. Neben dem Rektor der Wallfahrt, Weihbischof Rolf Lohmann, konnten zahlreiche Vertreter anderer Religionsgemeinschaft begrüßt werden. Michael Rubinstein, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinden in NRW im Zentralrat der Juden in Deutschland, Mohammed Assila, Beauftragter für Dialog und Pädagogik sowie Ahmed Aweimer, Kirchenbeauftragter im Zentralrat der Muslime Deutschlands, Imam Mohamed Jalloh aus den Niederlanden, Hülja Ceylan muslimische Gemeinde der Moschee in Duisburg, Karin Dembeck, ev. Pfarrerin Kevelaer, Sidik Turay mit den muslimischen Gästen aus den Niederlanden und aus Sierra Leone und viele Friedenspilger waren zusammengekommen, um ein Zeichen für den Frieden zu setzen.
Die Künstler Carmen Dietrich und Gregor Merten brachten den „Engel der Kulturen“, ein Kunstprojekt zur Förderung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs, mit nach Kevelaer. Sie wollen mit ihrem Kunstwerk, das den ganzen Pilgerweg begleitete, ein Zeichen für einen friedlichen und respektvollen Umgang zwischen Menschen jeder Kultur, Herkunft und Weltanschauung setzen. Gleichzeitig wird ein klares Statement gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Islamophobie, Fundamentalismus und der damit einhergehenden Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen gesetzt. Ein Reifen (er stellt die Erde dar), der durch Symbole der drei abrahamitischen Religionen, dem Christentum (Kreuz), dem Judentum (Stern) und dem Islam (Mondsichel) durchbrochen wird, lässt bei genauem Hinsehen in der Mitte einen Engel entstehen. Auch wenn die Künstler zunächst damit etwas unglücklich waren: „Die inflationäre Verwendung der Engel in der Gesellschaft und der Hauch von Esoterik hat uns gestört“, so sahen sie schnell, dass der Engel in allen drei Religionen eine gewichtige Rolle spielt und so zum ursprünglichen Friedensgedanken passt, der diese Glaubensgemeinschaften verbindet.
Über Gelderner Straße und Hauptstraße, angeführt durch Kirchenschweizer Edmund Pitz-Paal, führte der Pilgerweg zur Basilika. Hierbei rollten Vertreter der drei Religionsgemeinschaften und die Künstler den Metallring mit den Kirchensymbolen und dem dadurch entstandenen Engel abwechselnd vor allen Teilnehmern her.
Vor der Basilika begrüßte der Familienchor unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Romanus Giefer die Pilger. Bürgermeister Dr. Dominik Pichler, der im Chor mitgesungen hatte, sprach ein Grußwort. Er bestätigte, dass dreimaliges Stattfinden der Anfang von Tradition ist und so die Friedenswallfahrt eine Veranstaltung ist, die Bestand haben wird. „Die Interreligiöse Wallfahrt für den Frieden ist das Gegenbild von Intoleranz und Engstirnigkeit. Es geht um Glauben, nicht um Krieg.“
Markus Emanuel Zaja von der jüdischen Gemeinde spielte auf der Klarinette Lieder für den Frieden und Rubinstein las aus einem Psalm, der Gott um Frieden für alle Menschen bittet. Er hob hervor: „Religiöse, kulturelle und staatliche Freiheit ist die Grundvoraussetzung für Frieden. Menschliche Freiheit im Umgang miteinander muss ein religiöses Zeichen für gegenseitigen Respekt sein. Anderssein muss in den Hintergrund treten und Gemeinsamkeiten von uns müssen in den Vordergrund gesetzt werden.“
Die muslimischen Vertreter riefen zu einer Schweigeminute für alle Opfer von Terror und Krieg auf. Sie hoben hervor, dass der Islam eine friedvolle Religion ist, und verurteilten alle die durch Aggression etwas anderes sagen oder zeigen, wie es in dem 5. Kapitel des Koran steht (Wer eine Seele tötet, handelt wie jemand, der alle Seelen tötet, und wer eine Seele rettet, der handelt wie jemand, der alle Seelen rettet). Denen riefen sie zu: „Nicht mit uns und nicht im Namen unserer Religion.“
Ein drei Minuten Video-Clip „Fishers of Men – Menschen-Fischer“ der Organisation MOAS wurde abgespielt, um an Rupert Neudeck zu erinnern, der die Idee für die Friedenswallfahrt hatte, bei der ersten Verwirklichung teilgenommen und kurz vor der zweiten Wallfahrt, an der er ebenfalls teilnehmen wollte, am 31.5.2016 verstorben war. Ihm war die Rettung Schiffsbrüchiger ein wichtiges Anliegen. In der Moderation zu den leider schlecht sichtbaren Bildern hieß es „In den Menschen auf diesen Rettungsschiffen spiegeln sich die ganze Insuffizienz, Ungerechtigkeit, Gleichgültigkeit, Aggression, der Hass und die Friedlosigkeit unserer Welt. Es sind Menschen, die ihre Heimat verlassen aufgrund von Krieg, Terror, Armut, Hunger, Perspektivlosigkeit. Und was geben wir in Europa für eine Antwort? `Soll ich -etwa- der Hüter meines Bruders sein?´ lautet inzwischen die offen gestellte Kain-Frage.“
Angela Krumpen zitierte den Dalai Lama mit den Worten „Wir wollen alle glücklich sein“ und wies darauf hin, dass wir in einer Welt leben, wo Kain die Überhand zu gewinnen scheint und wir ihm als Abel mutig entgegentreten müssen. Mit einem Gedicht von Hilde Domin forderte sie die Teilnehmer: „Abel, steh auf, es muss neu gespielt werden. Täglich muss es neu gespielt werden, täglich muss die Antwort noch vor uns sein, die Antwort muss ja sein können. Wenn du nicht aufstehst Abel, wie soll die Antwort, diese einzig wichtige Antwort sich je verändern? Wir können alle Kirchen schließen und alle Gesetzbücher abschaffen in allen Sprachen der Erde. Wenn du nur aufstehst und es rückgängig machst, die erste falsche Antwort auf die einzige Frage, auf die es ankommt. Steh auf, damit Kain sagt, damit er es sagen kann. Ich bin dein Hüter-Bruder. Wie sollte ich nicht dein Hüter sein. Täglich, steh auf, damit wir es vor uns haben, dies Ja, ich bin hier, ich, dein Bruder.“
Weihbischof Lohmann freute sich über die Teilnahme der vielen Pilger unterschiedlicher Religionen, die am Ort der Consolatrix Afflictorum (CA) ein Zeichen des Friedens geben würden. „Die CA steht allen in der Welt bei, die Leiden ertragen müssen. In jeder Eucharistiefeier betet der Priester am Altar: Frieden hinterlasse ich Euch. Meinen Frieden gebe ich Euch. Damit haben wir einen Auftrag erhalten, diesen Frieden weiterzugeben. Das tun wir dann – alle am Altar und alle Gottesdienstbesucher. Wir reichen unseren Nachbarn die Hände und sagen: Der Friede sei mit dir. Wir wollen es auch hier tun, jetzt bei dieser Interreligiösen Friedenswallfahrt. Uns in die Augen schauen und einander den Frieden wünschen – gleich welcher Nationalität, Religion, Hautfarbe wir sind.“
In die Menge der Pilger kam Bewegung und von Weihbischof Lohmann und Pfarrerin Dembeck ausgehend wurde gegenseitig der Frieden zugesprochen und weitergegeben. Christen den Juden, Juden den Muslimen, Muslime den Christen.
Nach einem kurzen Gebet vor dem Gnadenbild, brachten alle den Reifen mit dem Engel der Kulturen zur Friedenssteele. Hier arbeiteten alle Vertreter der Religionsgemeinschaften zusammen und erschufen ein temporäres Kunstwerk, das den Engel sichtbar machte. Dabei erklangen Lieder über den Frieden, vorgetragen durch den Kevelaerer-Männer-Gesang-Verein 1896 e.V.. Danach wurden Kerzen durch alle Pilger abgestellt und so der Engel der Kulturen auch noch mit Licht erleuchtet. Anschließend sprach der Vertreter von Pax Christi in Münster, Matthias Lauks, ein kurzes Grußwort.
Alle Vertreter der Religionen hatten sich auf ein Schlussgebet verständigt, das sie gemeinsam sprachen: „Terror, Krieg, Gewalt, Not, Hunger beherrschen unsere Welt. Aus diesem Chaos rufen wir Dich an. Wir sehen so viele Menschen leiden. Wir sehen so viele Menschen voller Angst und Unsicherheit vor der Zukunft. Nimm von uns alle Gleichgültigkeit. Noch mehr Waffen, noch mehr Verbrauch von Ressourcen, noch mehr Profit, noch mehr Weltwirtschaft, welche nur die Starken bedient, die Schwachen aber zurücklässt. Höre uns, wenn wir aus der Verwirrung dieser Welt nach einer neuen Ordnung rufen. Gib uns klaren Verstand, Mut und Vertrauen in Dich, so dass wir unmissverständlich einstehen für Deine Werte. Liebe, Menschlichkeit, Barmherzigkeit. Du Gott und Schöpfer aller Menschen, Du Gott des Friedens, hilf, dass wir Deinen Weg gehen.“
Gut 200 Pilger setzten in der Marienstadt auf der III. Interreligiösen Wallfahrt ein Zeichen für den Frieden in Europa und in der Welt.


Weitere Fotos von der Wallfahrt gibt es in der Fotogalerie.