Integration kommt ins Rollen
Es heißt, Rad fahren verlernt man nie. Das setzt aber voraus, es irgend wann einmal gelernt zu haben. Auf viele der in Kevelaer lebenden Flüchtlingsfrauen trifft das allerdings nicht zu. In ihrer Heimat wurde ihnen häufig nur ein begrenzter Aktionsradius zugestanden. Rad fahren passte da nicht ins Konzept, wenngleich viele Männer dort durchaus auf zwei Rädern unterwegs waren.
Der „Runde Tisch Flüchtlinge“ (RTF) möchte das nun ändern und auch nach Kevelaer geflohenen Frauen helfen, das Rad fahren zu erlernen. „Anfangs ging es um Grundbedürfnisse wie Kleidung“, beschreibt Ulrich Hünerbein-Ahlers vom RTF die Motivation des Vereins, „jetzt geht es um Integration“. Die Idee zur jetzt geplanten Aktion stammt von der Caritas, die über ein ADFC-Projekt in Wesel darauf aufmerksam geworden ist.
Während Kinder – auch jene, die als Flüchtlinge hierher gekommen sind – meist mutig ans Rad fahren herangehen und nach wenigen Anläufen halbwegs sicher darauf unterwegs sind, haben Erwachsene, die noch nie auf der Fiets gesessen haben, oft großen Respekt davor. „Wir orientieren uns an einem erfolgreichen Projekt aus Krefeld“, schildert Hünerbein-Ahlers. Einmal pro Woche gibt es dort auf einem Schulhof ein Radfahrtraining für Flüchtlingsfrauen. „Dort hat man die Erfahrung gemacht, dass die Frauen oft Angst vor dem Losfahren und dem Bremsen haben.“ Die simple Lösung sei die, die sich auch für Kinder seit Jahren durchgesetzt hat: das Laufrad. Und weil wohl kaum so ohne weiteres Laufräder für eine größere Gruppe Erwachsener zu bekommen sind, sollen kurzerhand von der RTF-Fahrradwerkstatt, die schon länger Fahrräder für Flüchtlinge herrichtet, Räder mit niedrigem Einstieg genommen und vorübergehend von ihren Pedalen befreit werden.
Um dieses Angebot realisieren zu können, sucht der RTF nun ehrenamtliche Helfer, genauer Helferinnen. Es geht darum, beim Training die Fahrräder zu stabilisieren, also am Gepäckträger oder Sattel mit anzufassen, bis sich die Frauen sicher auf dem Rad fühlen. „Wahrscheinlich muss man auch mal an der Schulter festhalten“, vermutet Hünerbein-Ahlers. Daher sollten diese Aufgabe Frauen übernehmen. Aufgrund der kulturellen Unterschiede dürften sich die Flüchtlingsfrauen dabei wohler fühlen – und vermutlich werden auch deren Ehemänner genau beäugen, was ihre Frauen da machen.
Jeder kann helfen
Rollen und bremsen die Flüchtlinge mit den „Laufrädern“ sicher, soll der nächste Schritt das richtige Fahrrad sein. Am Ende der Aktion ist eine Radfahrprüfung mit der Polizei geplant – wie in der Grundschule. „Das haben wir auch schon für die Flüchtlinge gemacht, die bereits Rad fahren konnten“, erinnert sich Hünerbein-Ahlers.
Besondere Fähigkeiten müssen die Helferinnen nicht mitbringen, Jung und Alt sind gleichermaßen willkommen. Auch die Sprache dürfte kein Problem darstellen. „Wir haben mittlerweise in jeder Gruppe zwei bis drei Flüchtlinge, die recht gut Deutsch sprechen“, weiß Daniel Heinrichs, der beim RTF Flüchtlinge über Sportangebote integriert. Zudem sei es sicher auch nicht nötig, jede Woche mithelfen zu müssen. „Wir wollen ein Team bilden, das sich dann selbst organisiert“, betont Heinrichs.
„Wenn auch die Frauen Rad fahren können, können sie ihre Kinder in den Kindergarten fahren oder gemeinsam mit Mann und Kindern unterwegs sein“, hofft er. Das fördert zudem das Selbstbewusstsein und bringt sie aus der Wohnung heraus unter Menschen – einer der wichtigsten Schritte zur gelungenen Integration.
Unverbindlicher Infoabend
Wer Interesse hat, dieses Integrationsprojekt zu unterstützen, kann sich zunächst bei einer Informationsveranstaltung unverbindlich die Details anhören. Das Treffen dafür ist am Mittwoch, 14. November, um 20 Uhr im Raum 107 in der Öffentlichen Begegnungsstätte, Bury-St.-Edmunds-Straße. Vorabinfos gibt es auch per E-Mail unter info@rtf-kevelaer.de.