Integration – ein Puzzle ohne vorgeprägte Teile

Wie können Berührungspunkte in gesellschaftlichen und beruflichen Strukturen für Zugewanderte, Dorfbewohner und Arbeitgeber in der Region nachhaltig gestaltet werden? Mit dieser Leitfrage setzten sich rund 30 Engagierte zwischen 17 und 65 Jahren aus Sportvereinen, Sozialverbänden, berufsständischen Einrichtungen, Verwaltung und Ehrenamt in einer Halbtagsveranstaltung in verschiedenen Workshop-Einheiten auseinander. „Vernetzung und Kooperation“ sind zentrale Ansätze sowohl in der LEADER-Region „Leistende Landschaft“, bestehend aus den Kommunen aus Geldern, Kevelaer, Nettetal und Straelen, als auch beim Kreissportbundes Kleve e.V. So entstand die Idee, mit einer gemeinsamen Veranstaltung eine Plattform für Akteure aus der gesamten Region anzubieten: „Zuwanderer willkommen – Integration und Qualifikation in Sport und Grünen Berufen“.
Bei Cross-Boccia, Mini-Tischtennis, Disc-Golf und einer persönlichen Weltreise, boten sich den Teilnehmenden zahlreiche Gelegenheiten, spielerisch miteinander in Kontakt zu kommen. Darüber hinaus erlangten die Teilnehmer, auch durch ausgelegte Flyer und Informationsbroschüren, einen Überblick über bestehende Aktivitäten und Formate in der Region sowie Bedarfe im Bereich der Integration.
Zum zentralen Bild für den Integrationsprozess in der Region entwickelte sich im Laufe des Nachmittags das Puzzle. Deutlich wurde, dass das zu gestaltende Bild der Integration ein dynamisches bleibt, bestehend aus zahlreichen, gestaltbaren Teilen: Wertschätzung und Austausch, Einstellungen und Perspektiven, Begriffswahl und Sprache, Kultur und Dorfgemeinschaft, Qualifikation und Arbeitskräftebedarf. Entscheidend geprägt wird dieser Prozess durch die Initiativen von Ehrenamt, Arbeitgebern, Organisationen und von kommunaler Seite. Auf Wunsch der Teilnehmer sollen verschiedene Aktivitäten weiter vernetzt und regional als ein Markenzeichen der gelebten Willkommenskultur weiter gestärkt werden, z.B. durch Facharbeitsgruppen, zielgruppenorientierte Informationsveranstaltungen, informelle Stammtische vor Ort und die Entwicklung von Projektideen.
Begrüßt wurden die Teilnehmer in der Zweifachturnhalle „Auf der Hüls“ von Kevelaers Bürgermeister Dr. Dominik Pichler, der stellvertretenden Vorsitzenden und Präsidentin der Rheinischen Landfrauen Margret Voßeler und dem Vorsitzenden des Kreissportbundes, Lutz Stermann. Der erste Bürger der Stadt Kevelaer lobte das Engagement der Ehrenamtlichen, das bereits zahlreiche gute Beispiele gelingender Integration hervorbringe. Die Veranstaltung sei ein weiterer, fruchtbarer Ansatz zur Kooperation und Integration von Menschen mit einem Migrationshintergrund in der Region.
Auch Voßeler stellte die Menschen in den Mittelpunkt: „Wir brauchen nicht in erster Linie Gesetze und Vorgaben, sondern Ideen und Kreativität und vor allem Menschen wie Sie, die bereit sind, mehr zu tun als ihre Pflicht“. Sie unterstrich, dass der spezifische Arbeitskräftebedarf in der Region nur durch externe Arbeitskräfte gedeckt werden kann.
Der Vorsitzende des Kreissportbundes Kleve, Lutz Stermann, betonte: „Für Integration genügt bereits ein Ball“. Am Beispiel des Fußballspielens führte er aus, wie Begeisterung und Wertschätzung durch den Sport Menschen unterschiedlicher Länder und Kulturen zusammenführt – allein durch nonverbale Kommunikation. Stermann legte ein Plädoyer für den Mehrwert von Netzwerken ab.
Um einen respektvollen Umgang und gegenseitige Akzeptanz ging es in dem Einführungsvortrag „Orientierung und Sicherheit – Kulturunterschiede verstehen“ von Rohilai Danishjoo vom St.-Josef-Stift, Wachtendonk und dem von ihr moderierten Workshop. Die aus Afghanistan stammende Diplom-Politologin machte deutlich, dass Integration die Gesellschaft und jeden Einzelnen herausfordert, sich zu verändern und die eigene „Wohlfühlzone“ zu verlassen. Auch mit Blick auf ihre eigene Vita, forderte sie nachdrücklich dazu auf, einseitige Erwartungen zu überdenken und Menschen mit Migrationshintergrund in der Diskussion „mit an den Tisch zu bringen“.
In weiteren Vorträgen und Workshop-Einheiten wurden Beispiele der Qualifizierung und Vermittlung von Menschen mit einem Migrationshintergrund in Ausbildung und Beruf thematisiert. Einen Schwerpunkt bildeten dabei die sogenannten „Grünen Berufen“, z.B. in Gärtnereien, Garten–, Landschafts- und Sportplatzbaubetrieben (GaLaBau) und in der Landwirtschaft. Der Willkommenslotse der Deula in Warendorf, Theo Wöstmann, informierte über seine Erfahrung sowie Theorie und Praxisinhalte des elfmonatigen Seminars „Welcome to WiN – Work in Nature“, das Flüchtlinge auf eine Tätigkeit in diesen Berufen vorbereitet. Bildungsberaterin Maria Reidick von der Deula in Kempen ergänzte den Vortrag um die Vorstellung der Modulqualifizierung im GaLaBau „Grünpflegegeräte einsetzen – Bautechnik – Wegebau“, die ab dem Herbst 2017 am niederrheinischen Schulungsstandort geplant ist. In dem Workshop „Nachhaltige Integration – Wege in den Beruf“ diskutierten die Teilnehmer unter Leitung von Boris Gulan von der Agentur für Arbeit, Wesel, vertieft das Thema der beruflichen Integration im ländlichen Raum und die Herausforderungen.
Einen weiteren thematischen Schwerpunkt bildete die Integration im Sport. Der Integrationsbeauftragte des Kreissportbundes Kleve, Marcel Ernst, stellte die breite Palette von Fördermöglichkeiten im organisierten Sport vor. Im anschließenden Workshop zeigte er verschiedene Möglichkeiten für Kooperationen zwischen Schulen, dem organisierten Sport und Integrationsakteuren auf. Als gutes Praxisbeispiel stellte Uwe Tebeck die Aktivitäten des SV Issum vor, der als sogenannter Stützpunktverein durch das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ gefördert wird.
Die Regionalmanagerinnen Simone Schönell und Ute Neu informierten auf der Basis der Regionalen Entwicklungsstrategie der Region über die Projektförderung in LEADER und zeigten gute Praxisbeispiele auf. In einer Arbeitseinheit wurden neue, integrative Ansätze für die Region diskutiert, die es nun weiterzuentwickeln gilt.