Inklusion bei den Stadtwerken Kevelaer
Für Eva Gerats gingen drei Wochen Berufspraktikum bei den Stadtwerken in Kevelaer zu Ende. Für sie war es eine aufregende, lehrreiche aber auch sehr schöne Zeit.
Die intelligente und freundliche junge Frau ist gehandicapt und auf den Rollstuhl angewiesen.
Ihre körperlichen Einschränkungen beruhen auf eine durch Frühgeburt aufgetretene Cerebralparese (Spastik). Wenn man sie so an dem Schreibtisch sitzen sieht und sie in ihrer sehr angenehmen und ausgewählten Ausdrucksweise spricht, merkt man ihr die Einschränkungen kaum an. Ihre schulische und berufliche Laufbahn war scheinbar nicht immer einfach, dennoch geht sie zielstrebig ihren Weg.
Die 25-Jährige erzählt, dass sie nach ihrem Hauptschulabschluss in Kevelaer drei Jahre die Handelsschule im Haus Rheinfrieden in Rhöndorf besucht hat und dort den Handelsschulabschluss mit Erfolg absolvierte.
Zurzeit absolviert sie eine dreijährige Ausbildung in einem Berufsbildungswerk in München, dessen Träger die Stiftung ICP München ist. Mittelpunkt und zentraler Auftrag dieses Berufsbildungswerk ist die ganzheitliche berufliche, schulische und medizinische Förderung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener. Hier erhält die Kevelaererin eine spezielle, auf ihr Handicap ausgerichtete Ausbildung und wird fit gemacht für den Arbeitsmarkt. Der ist auch ihr erklärtes Ziel.
„Rumsitzen und nichts tun ist echt doof“, sagt Eva. „Ich möchte sehr gerne einen Beruf im Büro ausüben“ und fügt mit einem Lächeln hinzu, „geht bei mir ja auch nicht anders“.
Doch das ist in ländlichen Regionen oft nicht einfach. Man hatte ihr angeboten in der Behindertenwerkstatt Freudenberg zu arbeiten. Allerdings gibt es dort keinen Job im Büro, sondern nur in der Werkstatt. „Den ganzen Tag Schrauben zu sortieren, ist echt nicht mein Ding. Das entspricht nicht meinen Fähigkeiten“, erläutert sie mit Nachdruck.
Von Wolfgang Toonen, der sich in den drei Wochen um Eva Gerats gekümmert hat, wurde sie mit Arbeit eingedeckt. „Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir bei den Stadtwerken auch Menschen mit Behinderungen bei Praktikumsstellen berücksichtigen“, erläutert der Mitarbieter die Tätigkeiten, die die Praktikantin gerade in Excel erledigt. „Frau Gerats war in dieser Zeit keine Belastung, ganz im Gegenteil, sie hat uns, nach entsprechender Einweisung, auch Arbeit abgenommen“. Die Stadtwerke können pro Jahr bis zu zehn Praktikumsanfragen bedienen.
Für Eva Gerats geht es nach dem Praktikum wieder nach München. Die Reise dorthin ist für sie am einfachsten per Flugzeug. „Bahnfahren ist als Rollstuhlfahrer eine echte Herausforderung“, sagt sie. „Oft sind die Höhenunterschiede vom Bahnsteig zur Wagonkante nicht zu überwinden. Da seit Anfang des Jahres die Flüge von Weeze nach München nicht mehr angeboten werden, fliege ich nun von Düsseldorf oder Köln/Bonn.“ In der bayrischen Landeshauptstadt angekommen wartet bereits ein Abholer, der sie zum Internat in das ICP München bringt: „Alles ganz stressfrei“.
Und wird sie sich nach ihrer Ausbildung in München einen Job suchen? „Wenn es irgendwie geht lieber nicht“, antwortet die 25-Jährige. „Ich liebe meine Heimat, den Niederrhein und Kevelaer. Hier in der Nähe eine Arbeit in einem Büro zu finden, wird sicher nicht leicht, zumal die Nahverkehrsverbindungen für Rollstuhlfahrer alles andere als gut sind. Es wäre aber mein größter Wunsch. Dann könnte ich auch wieder beim Theaterchor-Niederrhein mitmachen. Das Singen im Chor mit den vielen netten Leuten fehlt mir schon sehr.“