Ingo Appelt in Kevelaer: Tabubruch als Stilmittel

Als „Konkursverwalter der Männlichkeit“ hat sich Ingo Appelt über zwei Jahrzehnte den Ruf des rüpeligen, tabubrechenden, alle möglichen Leute durch den Kakao ziehenden Kabarettisten erarbeitet. Seine eigenwillige Kunstfigur Appelt brillierte dabei immer mit einer Art böse zersetzendem Zynismus – sprachliches Florett war seine Sache nie.
Diese aggressive, teilweise recht holzschnittartige Form des Kabaretts findet sich in seinem neuesten Programm „Besser… ist besser“ auch wieder.  Nichtsdestotrotz – oder gerade deshalb – war das Bühnenhaus am Donnerstagabend sehr gut gefüllt. Denn man weiß, was man erwarten kann.
Wobei Passagen wie die Parodie auf Herbert Grönemeyer als „Meister der prä-ejakulativen Gesangstechnik“ oder auf Till Schweiger gar nicht neu sind, sondern aus dem vorherigen „Göttinnen“-Programm stammen.
Mit seinen Brachial-Verbalitäten konnte er das Kevelaer Publikum teilweise noch schocken. Sätze wie „Wer sechs Millionen Juden vernichten kann, kann auch eine Million Flüchtlinge aufnehmen“ zum Auftakt sind krass-starker Tobak.
Weiter ging es mit Bemerkungen zu Sigmar Gabriel, der als „Totengräber der SPD“ aufgrund seiner Korpulenz den Sargdeckel nicht zugekriegt hat – oder zu Robert Enke, der ein „schlechtes Vorbild“ sei, weil er sich vor einen ICE geworfen hat.
Die nächste Flüchtlingswelle, so ist Appelt überzeugt, kommt aus den USA. „Da kommen die ganzen Künstler nach Berlin“. Dazu kommt noch ein bisschen Nazi-Bashing („Die Sachsen sind grundfreundlich – die haben Nazis und denken: Die wollen nur spielen“), die Grunderkenntnis, dass wir zu wenig Terroristen haben („Wir sind nicht abgestumpft genug – in Israel gehen die im Keller Kaffee trinken, wenn die Rakete fällt und lachen sich kaputt“) und der Vorschlag, sich als Dschihaddist zu Karneval zu verkleiden. „Der IS denkt dann – nicht angreifen, weil das sind unsere Leute.“
„Männer, wollt ihr auch besser werden“, fragt er seine Geschlechtsgenossen und vergleicht sie mit Hunden („Nicht von Natur aus blöd, nur schlecht erzogen“), die nur drei statt fünf Sprachzentren und ein „militaristisches Verhältnis“ zur Sprache hätten, wobei er immer wieder Anklänge an den Hitler-Duktus einbaut.
Und so verharrt der „Martin Rütter der Männlichkeit“  doch nur bei dem schlichten Bild des Mannes, der aufgrund des 100-fachen Testosterons im Vergleich zur Frau bei „F…en und Töten“ hängen bleibt. Oder wie er es mit Bezug zur Kölner Silvesternacht formuliert: „Mehr als drei Männer im Rudel – die bauen immer Scheiße.“
Der Job der Männer sei der des „Dienstleisters“ – und der des Opfers der differenzierteren Frau, die „Shoppen statt poppen“ in den Shopping-Malls lebe, sich von sensiblen „Revolverheld“-Texten im Radio besäuseln lasse und „gleichzeitig mit Männern meckern und mit der Freundin telefonieren kann, während sie die e-Mails liest“.
Die Losung der Männer heiße: „Wir werden stets gemolken – kommen nie ungeschoren davon“. Sein  Ausweg für die Männer lautet: „Lasst uns schwuler sein“ – wie im Fußball, wo sich Jogi Löw schon von seiner „Scheinehe getrennt hat“ Oder in der Bundeswehr, die der „schnelle Brüter“ von der Leyen für Minderheiten öffnen möchte. „Dann schmeißen die Taliban ihre Gewehre weg und laufen davon.“
Zwischenzeitlich suchte Appelt den Dialog mit dem Publikum, setzte sich mit der Selfie-Kamera in die erste Reihe, plauderte und sorgte für fast drei Stunden Unterhaltung, über deren Gehalt man streiten kann – nicht aber über das Vergnügen des Publikums, das ihn mit viel Applaus bedachte.