Im Heiligenweg sind sie auf den Hund gekommen
Gibt es Schöneres, als einen Spaziergang an einem sonnigen Wintertag? Günter Venske ist sofort dabei. Unter einer Bedingung: Die Begleitung muss stimmen. Und die ist ein Er, hat vier Beine, sandfarbenes Fell und heißt Anouk. Anouk ist ein Bordercollie-Labradormischling, und wenn er und sein Vater Bjarmi im LVR-HPH-Wohnverbund Heiligenweg in Winnekendonk aufkreuzen, dann wissen die Menschen, die dort leben: Es ist Zeit für einen Spaziergang – mit Hund. Also, Jacke an, Leckerchen einstecken und los.
Seit fast einem Dreivierteljahr kommen die Hunde und ihre Trainerin Anja Thiele einmal pro Woche in den LVR-Wohnverbund. „Tiergestützte Intervention“ nennen Wohnverbundleiterin Marion Boeck und ihr Team dieses Angebot. Welche Wirkung der Umgang mit Tieren auf Menschen mit Behinderung hat, ist bekannt. Manuela Haid beobachtet dies immer wieder während der Ferienfreizeiten auf einem Reiterhof. „Viele waren danach viel ruhiger, viel entspannter“, sagt die Heilerziehungspflegerin. Da lag der Gedanke nahe, im Heiligenweg etwas mit Tieren zu organisieren. Auch, weil die 16 Frauen und Männer, die im Haus leben, in ihrer Freizeit wenig unternehmen könnten. „Für Menschen mit geistiger Behinderung ist es schwer, ein Hobby zu finden.“
An den ersten Besuch von tiergestützter Therapeutin Anja Thiele, Bjarmi und Anouk können sich Manuela Haid und ihr Kollege Thomas van Bentum noch gut erinnern. „Wir wissen nicht, wer aufgeregter war.“ Wie würden die Frauen und Männer mit Behinderung reagieren, wer mitmachen, wer nicht? Anja Thiele hatte viele Tierspielsachen mitgebracht, gerade auch solche, in denen Futter versteckt werden kann. Beim Füttern und Streicheln verloren fast alle sofort ihre Scheu. Und wenn einer mehr Zeit braucht, um sich an die beiden Hunde zu gewöhnen, ist das vollkommen in Ordnung. Ein Teilnehmer hatte beispielsweise anfangs große Angst, traut sich inzwischen aber, die Tiere zu streicheln. Der Kontakt, sagt Thomas van Bentum, habe wahre Wunder bewirkt. Ein junger Mann, der sehr rastlos sei, sei nach dem Spaziergang mit den Hunden oft wie ausgewechselt, ruhig, frage immer wieder danach, wann der nächste Besuchstermin sei. Und obwohl er in seinem Zimmer viele Dinge zerstöre, hüte er Fotos von sich, Bjarmi und Anouk wie einen Schatz. „Da ist wirklich eine Bindung entstanden.“ Und: „Das Gespür der Tiere ist enorm, sie bekommen die Stimmungen der Menschen mit, sie trösten auch. Und sie akzeptieren jeden Menschen eben einfach so, wie er ist.“
Wer mag denn welchen Hund? „Alle lieben Anouk“, so Anja Thiele. Günter Venske und Veronika Frisch sind da keine Ausnahme. Aber beim Spaziergang gibt’s keinen Streit, wer wessen Leine halten darf. Außerdem ist Kuscheln mit Bjarmi auch nicht zu verachten, das macht Veronika Frisch besonders gern. Günter Venske wiederum spricht viel mit dem Hund, wenn sie durch die Wälder streifen. Keiner kommt so schnell mit anderen ins Gespräch wie Hundebesitzer. Der rüstige alte Herr ist begeistert, wenn Passanten glauben, Anouk gehöre ihm. Am liebsten, sagt er, hätte er einen eigenen Hund. Natürlich nur so einen wie Anouk.
Den Verbund Heilpädagogischer Hilfen des Landschaftsverbandes Rheinland bilden das LVR-HPH-Netz Niederrhein, das LVR-HPH-Netz Ost und das LVR-HPH-Netz West. Das LVR-HPH-Netz Niederrhein bietet differenzierte Dienstleistungsangebote für nahezu 1000 Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung in den Kreisen Kleve, Wesel und in der Stadt Duisburg.
Über 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten in 37 Wohnverbünden und sechs Heilpädagogischen Zentren in 22 Städten und Gemeinden am Niederrhein Beratung, Lebensbegleitung, Unterstützung und weitere Hilfen in den Bereichen Wohnen, Beschäftigung, Bildung und Freizeit.