„Ich zieh mich nicht aus, aber ich fühl mich wohl“

“Dat war erstmal Beifall für nix“, scherzte der Vorsitzende der Geselligen Vereine Kervenheim, Christian van Oeffelt, als er die kleine Zeltbühne betrat, um die gut 250 Zuschauer willkommen zu heißen.
„Wir haben dem ganzen Fest einen neuen Rahmen verpasst“, unterstrich er die Besonderheit des neuen Zeltstandortes auf der Burg Kervenheim und verwies auf die bereits an diesem Abend andeutungsweise zu sehende Lichtillumination an der Burg „nach dem ersten Akt, du machst ja zwei“ in Richtung Ingrid Kühne.
Die nahm die Vorlage mit dem „Akt“ direkt auf. „Ich zieh mich nicht aus, aber hier fühl ich mich schon wohl“, sagte sie und brauchte deshalb eigentlich das Niederrhein-Bekenntnis nicht, dass sie „ein Kreis Klever Kind“ sei, in Geldern gewohnt habe; „vor´m Zeugnis an der Gnadenkapelle“ gewesen sei und „Lüttingen wie Kervenheim auch 2000 Menschen, aber nicht so eine schöne Burg“ besitze.
Das Publikum hatte sie auch so vom ersten Moment an auf ihrer Seite. „Sach Du mal in Köln, geh na‘ Bett, das verstehen die gar nicht“. Die Kervenheimer verstanden, blieben aber gerne da.
Die Kunst von Frau Kühne ist, unmittelbar die direkte Sprache der Menschen zu sprechen und dabei alltägliche Beobachtungen ungekünstelt rüberzubringen – und auch einen nostalgischen Nerv bei ihren Zuhörern zu treffen. Ein Kunstelement ist dabei das Kokettieren über die eigene Figur – wenn ihr Hausarzt sie mit einem Auto vergleicht und ihr rät, „den Anhänger quitt zu werden“. Sie hob hervor, dass „in dieser Gesellschafft der BMI wichtiger als der IQ“, um selbstbewusst klar zu machen, dass beides bei ihr gleich hoch sei. Und sie machte klar: „Ich mache erst Diät, wenn mir mein Schal nicht mehr passt“ nach dem Motto: „Dicke sterben früher – dafür essen wir länger.“
In dem Kontext plauderte sie über Tupperdosen-Gastgeschenke, erinnerte die Anwesenden an bekannte Werbeslogans von Allianz („Das Lied haben alle gesungen“) über Persil („Das wäscht heute keiner mehr – keiner hat eine 300-Meter-Wäscheleine“) bis Bonduelle und dem Mitgefühl für die große Möhre, die nicht durch das Loch passt.
Männer bekamen Fett weg
Und selbstbewusst hob sie hervor, dass Ingrid unter den Top 100 der deutschen Vornamen seit 1890 auf Platz 5 steht – um auf diesem Weg die erste Reihe mit einzubeziehen.
Die Männer bekamen auch ausreichend ihr Fett weg – ob sie nun bei 37,5 Grad „Fieber“ den Heldentod sterben oder den Kasten in den Flur stellen zum Wegbringen, nach dem Motto „Leer gut – voll besser.“ „Das kennt ihr alle“, konnte sich Frau Kühne da interessanterweise nicht nur dem Ja der vielen Frauen im Saal gewiss sein.
Zur Ehrenrettung ihres Mannes machte sie klar: „Wir sind eigentlich glücklich verheiratet“ – was sich beim Kampf zwischen Tatort und Rosamunde Pilcher beim Fernsehen vielleicht nicht immer so darstellt.
Frau Kühne nahm die Generation Smartphone auf die Schippe, die wie ihr Sohn Sven nicht mal in der Lage ist, eine Wählscheibe zu benutzen („Wo ist für die Nummer löschen?“) , während sie früher mit Langkabel zum Telefonieren auf der Straße stand. Oder sie zog über Telefonanbieter her, die irgendwelche Vertragsänderungen auf sächsisch mitteilen und angebliche „Service“-Hotlines bei Störungen vorhalten, statt niederrheinisch kurz und knapp vorzugehen: „Tach.Tach. Telefon kaputt. Mach ich Dir. Tschö.“
„Kervenheim – es war superschön“, konnte die Xantener Kabarettistin Frau Kühne dann angesichts der Standing Ovations nach dem über zweistündigen Programm am Ende nur noch sagen.
„Das Trampeln ist schon Gänsehaut pur“, wirkte sie tatsächlich berührt, dankte den Beleuchtern, den Helfern und den Organisatoren, „die alle so tun, als wärste berühmt“, gab anschließend Autogramme, stellte sich für Erinnerungsfotos zur Verfügung und plauderte ganz bodenständig bis Mitternacht mit den verbliebenen Gästen.