„Ich bin mit Leidenschaft dabei“

Kevelaer. Die Seifert-Orgel der Marienbasilika verfügt über 149 Register mit Fernwerk, insgesamt über 10.000 einzelne Pfeifen. Damit ist sie die größte Orgel Deutschlands in einem Gehäuse. Der „Herr der Basilikaorgel“ ist seit 2000 Elmar Lehnen. Der gebürtige Hinsbecker studierte Kirchenmusik an der Hochschule in Aachen und schloss danach noch das Konzertdiplom mit Auszeichnung in Paris ab. Im Jahr 1997 war er Preisträger im ersten internationalen Orgelwettbewerb in Korschenbroich. Neben dem Orgeldienst in der täglichen Liturgie der Kirche, dem Unterrichten eigener Schüler und Konzertreisen im In- und Ausland leitet Elmar Lehnen das Blasorchester des Musikvereins Kevelaer. Seit 2004 leitet er zudem den Chor Kalobrhi aus Nettetal. Mehrere CDs, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen dokumentieren sein musikalisches Wirken. Das KB sprach mit dem engagierten Organisten und Musiker.
KB: Sie haben sich vor 17 Jahren auf die Stelle des Basilikaorganisten an der Marienbasilika beworben. Ihr Arbeitsplatz als Basilikaorganist ist an der größten deutschromantischen Orgel der Welt. Ist der Beruf des Basilikaorganisten hier in Kevelaer ein Traumjob?
Lehnen: Viele beneiden mich um diese große, einmalige Seifertorgel, aber um die Arbeit selber beneiden mich wenige. Als ich mich vor 17 Jahren hier bewarb, meinten einige Kollegen: „Du spinnst! Du bist verrückt! Dir wird doch langweilig, wenn Du jeden Tag „Gegrüßet seist Du, Maria spielen musst!“ Aber es ist zum Glück nicht so. All die bekannten Marienlieder wie „Segne Du Maria“ oder „Maria breit den Mantel aus“ spiele ich täglich und ich spiele sie immer wieder gern. Ich finde meine Arbeit gar nicht langweilig, ich bin mit Leidenschaft dabei.
KB: Wie oft sind Sie jeden Tag hier in den Kirchen rund um den Kapellenplatz?
Lehnen: Der Beruf bringt es mit sich, dass ich eigentlich täglich drei Gottesdienste und zwei Andachten an der Orgel begleite. Teilweise gibt es auch Tage, an denen ich von 8 Uhr morgens bis 8 Uhr abends hier verbringe. Neben den regulären Gottesdiensten und Andachten gibt es auch viele Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen, Pilgermessen zu spielen. Daneben muss ich jeden Tag die Orgel pflegen. Außerdem unterrichte ich auch Orgelschüler. Ich müsste eigentlich auch täglich Literatur üben, aber dafür fehlt die Zeit.
KB: Es ist unglaublich, wie viele Tasten, Pedale und Registerknöpfe Sie hier an der Orgel im Spiel bedienen. Bei den Psalmen müssen Sie noch gleichzeitig ins Mikrophon singen. Kommt es auch mal vor, dass Sie sich vertun?
Lehnen (lacht): Ja, doch. Sicher! Das kommt auch vor.
KB: Kommen Sie eigentlich aus einer musikalischen Familie?
Lehnen: Nein, eher nicht. Meine Eltern sangen zwar beide gerne, aber sie spielten kein Instrument. Mein Vater Willi war Leiter einer Hauptschule in Hinsbeck, er sang mit den Kindern oft und gern Volkslieder und ging auch mal mit den Kindern dazu in den Wald. Meine Mutter Elfi war zunächst Hausfrau, später Sekretärin an der Schule meines Vaters.
KB: Wann begann Ihre musikalische Karriere?
Lehnen: Ich habe mit acht Jahren angefangen, Klavierunterricht bei unserem örtlichen Organisten zu nehmen. Mit 15 Jahren wurde dann Wolfgang Seifen mein Lehrer. Er führte mich auch an die Orgelmusik heran. Bis heute ist er mein großes Vorbild. Ich habe ihm unheimlich viel zu verdanken. Ohne ihn wäre ich nicht Organist geworden, sondern dann wäre ich heute Sport- und Musiklehrer oder Schauspieler. 1983 zog Seifen nach Kevelaer, wo er als Basilikaorganist wirkte. Für mich brach damals die Welt zusammen; er war ein toller Pädagoge und konnte seine Schüler so begeistern. Doch zum Glück brachte mich mein Vater anfangs immer zum Unterricht nach Kevelaer, nach der Führerscheinprüfung konnte ich selber fahren. Nach dem Schulabschluss leistete ich ein Jahr bei der Bundeswehr ab und der Kontakt verlief sich. Ich studierte dann im Gregoriushaus in Aachen. Bertold Botzet, der Organist in Nettetal war, hat mich auf das Studium vorbereitet.
KB: Was ist das Schöne an Ihrem Beruf, was das weniger Schöne?
Lehnen: Das Schöne ist der Freiraum, der mir gegeben ist, dass ich improvisieren kann. Da ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe, ist es für mich eigentlich keine Arbeit.
Das weniger Schöne ist die Tatsache, dass der Beruf so viel Zeit beansprucht, dass meine Familie und der Kontakt mit Freunden oft ein wenig auf der Strecke bleiben…
KB: Dieses Jahr war Ihr größtes Projekt „Mensch Maria!“. Sie haben dabei die Texte von Dr. Sebastian Rütten in Musik umgesetzt und für Solisten, Chor und Orchester Stimmen geschrieben. Vor kurzem hatten alle aktiv Mitwirkenden die Möglichkeit, die Videoaufnahme von „Mensch Maria!“ gemeinsam im Petrus-Canisius-Haus zu sehen. Wie war das für Sie?
Lehnen: Es war total beeindruckend, das Ergebnis zu sehen. Während der Arbeit fühlte ich mich wie ein kleines Puzzleteil, das für die Musik zuständig ist. Bei der öffentlichen Aufführung konnte ich das Gesamtpaket sehen und bewundern. Es ist wirklich ganz klasse geworden.
KB: Wie schaffen Sie das alles, gerade auch mit fünf Kindern?
Lehnen: Ich habe zum Glück meine Frau Biggi, die sich wunderbar um unsere Kinder und den Haushalt kümmert. Die beiden Großen sind auch schon außer Haus. Leider bleibt mir wenig Freizeit und meine Familie kommt oft zu kurz. Aber alle unterstützen mich in meinem Beruf und meiner Berufung und meine Frau und ich sind froh und stolz, dass alle unsere Kinder auch ein Instrument gelernt haben oder dabei sind. So hat sich unsere Liebe zur Musik schon vererbt.