Hoffnung für die Wallfahrt

Auch im Priesterhaus in Kevelaer sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie seit langer Zeit zu spüren. Neben der reduzierten – bis vor Kurzem gänzlich eingestellten – Beherbergung findet auch die Wallfahrt in diesem Jahr in viel kleinerem Ausmaß statt. Dr. Rainer Killich, Generalsekretär der Wallfahrt Kevelaer, sprach im Interview mit dem Kevelaerer Blatt über die aktuelle Situation.

Kevelaerer Blatt: Die Wallfahrt findet durch Corona auf sehr viel kleinerem Niveau statt. Wie stellt sich dadurch die aktuelle Situation für das Priesterhaus dar?

Dr. Rainer Killich: Grundsätzlich unterscheidet sich die Situation des Priesterhauses als Beherbergungsbetrieb natürlich nicht von der Situation in anderen Häusern. Ab Mitte März waren wir komplett geschlossen und seit Christi Himmelfahrt dürfen wieder Gäste übernachten. Das traf ein sehr dichtes und intensives Tagungsprogramm im Vorfeld der Wallfahrt, das in Gänze ausgefallen ist. Derzeit gelten die üblichen Regeln: Außer für Ehepaare ist nur Einzelunterbringung möglich und den Speisesaal haben wir auf ein Drittel der üblichen Kapazität reduziert. Unter dem Strich bedeutet das, dass wir derzeit nur wenige Einzelgäste betreuen und das wird sicher auch noch eine Weile so bleiben.

Wie wird sich in diesem Jahr die Wallfahrt darstellen?

Es wird in diesem Jahr aller Voraussicht nach keine großen organisierten Wallfahrten geben. Einzelne Pilgergruppen überlegen, kleine reduzierte Varianten ihrer jährlichen Wallfahrt durchzuführen. Beispielsweise überlegen die Bocholter Fußpilger, die normal mit 800 bis 1.000 Teilnehmern nach Kevelaer kommen, in Kleingruppen zu gehen – zeitversetzt und auf unterschiedlichen Wegen unabhängig voneinander, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Man findet sich dann erst in Kevelaer zum Gottesdienst zusammen. Andere Gruppen verlegen ihre Termine in den Herbst. Problematisch ist derzeit vor allem die Anreise – Busfahrten sind gerade erst wieder unter strengen Hygieneauflagen möglich.

Wie sieht es aus mit Pilgermessen, der Andacht an der Gnadenkapelle und dem Gehen des Kreuzweges?

In der Basilika können derzeit rund 150 Gottesdienstbesucher gemeinsam eine Messe feiern, im Forum ebenso. In den kleinen Räumen der Kerzen- und Beichtkapelle ist das derzeit natürlich entsprechend runterreduziert. Vor der Gnadenkapelle und auf dem Kreuzweg gelten die normalen Abstandsregeln.

Was für Reaktionen nehmen Sie wahr, wenn Sie mit Pilgerleitern reden?

Man spürt eine hohe Verbundenheit mit Kevelaer und dass es den Menschen ein echtes Herzensanliegen ist, hierher zu kommen – das spürt man momentan in beinahe jedem Gespräch. Es wird eigentlich immer probiert, eine Alternativmöglichkeit später im Jahr und mit reduzierter Teilnehmerzahl zu finden.

Haben Sie Angst, dass die Wallfahrt durch die Corona-Krise dauerhaft Schaden nimmt?

Bei den deutschen organisierten Pilgergruppen habe ich wenig Sorge. Die Verbindung zu Kevelaer ist intensiv und manchmal spürt man sogar die Regung, dass man jetzt erst recht pilgern müsste. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es im nächsten Jahr sogar zu einem Aufblühen im Sinne eines Nachholeffektes kommen wird.

Um was ich mir Sorgen mache, sind die niederländischen Buspilgergruppen. Viele Pilger aus diesen Gruppen sind sehr alt und gehören damit klar der Hochrisikogruppe an. Selbst wenn Busreisen wieder möglich sind, kommt aus dieser Richtung das Signal, dass viele Pilger zumindest momentan gar nicht mitfahren würden. Da habe ich bei der einen oder anderen Gruppe wirklich Sorge, dass das zu einem Bruch führen kann, der nur schwer zu reparieren ist.

Wie sehen Sie generell die Zukunft des Pilgerns?

Bei einigen der eben angesprochenen Buspilgergruppen, insbesondere aus den Niederlanden, ist ohnehin seit Längerem ein gewisser Rückgang spürbar, gerade auch weil dort der Nachwuchs fehlt. Dafür spüren wir bei den individuell anreisenden Tagesbesuchern eine Zunahme – Radpilgern ist dank E-Bike ohnehin ein Trend. Und auch wenn die Säkularisation in den Niederlanden deutlich weiter fortgeschritten ist als in Deutschland, suchen die Menschen dennoch nach spirituellen Orten. Die Stimmung hier in Kevelaer, das Besondere des Kapellenplatzes und die Möglichkeit, eine Kerze anzünden zu können, ziehen einfach an. Eine Aufgabe für die Zukunft wird es sein, diese Menschen auch weiterhin oder wieder neu für unsere Gottesdienste zu begeistern. Wir suchen dafür auch nach neuen Formaten, mit denen wir auf die Menschen zugehen wollen. Zum Beispiel kommen wir anstelle der sonst üblichen Pilgerandacht in der Basilika um drei Uhr nachmittags raus auf den Kapellenplatz. Das gibt die Möglichkeit, eine Andacht mitfeiern zu können, ohne die Hemmschwelle des Betretens einer Kirche überschreiten zu müssen.

Hinter der ganzen Wallfahrt steht im Priesterhaus natürlich auch ein großer Stab an Mitarbeitern. Wie sah deren Krisenalltag aus?

Das Positive für alle kirchlichen Mitarbeiter ist in jedem Falle, dass niemand in Kurzarbeit gehen musste. Wir haben versucht, mit der Situation flexibel umzugehen und Sachen zu erledigen, die schon lange mal dran waren. So wurde das ganze Haus intensiv geputzt und anstehende Wartungsarbeiten ließen sich besonders gut erledigen, außerdem wurden Überstunden abgebaut, wo das möglich war, oder in anderen Arbeitsbereichen ausgeholfen. Darüber hinaus waren die Mitarbeiter/-innen im Prinzip freigestellt, in der Praxis der eine mehr, der andere weniger. Da hier niemand ohne einen entsprechenden Arbeitsvertrag beschäftigt ist, hat das Bistum Münster für unsere Mitarbeiter/-innen die Situation aufgefangen. Es war natürlich für alle beruhigend, dass am Monatsersten das Gehalt auf dem Konto ist.

Welche betriebswirtschaftlichen Spuren wird das hinterlassen, nicht nur beim Priesterhaus, sondern auch beim Bistum?

Keine Frage: Das kostet alles viel Geld und verschärfend hinzu kommen die durch die Steuerausfälle absinkenden Kirchensteuereinnahmen. Seitens des Bistums sind wir zum Sparen angehalten und entsprechende Maßnahmen sind angeordnet. So hatte die Bistumsverwaltung schon vor Corona das mittelfristige Einsparen von mehreren Millionen Euro angekündigt, indem man zum Beispiel frei werdende Stellen nicht wiederbesetzt. Tendenziell wird sich wohl die Entwicklung beschleunigen, dass man kirchlich keine durchgehende Flächenversorgung mehr wird aufrechterhalten können – Kevelaer wird als besonderer Ort immer im Fokus stehen. Die Bedeutung Kevelaers für das Bistum Münster ist allen bewusst.

Wie sieht der Trend für die zweite Jahreshälfte und das nächste Jahr aus?

Glücklicherweise buchen alle Pilgerleiter, die ihre Gruppen für dieses Jahr stornieren müssen, im gleichen Atemzug für das nächste Jahr. Das gibt auch ein Stück weit Zuversicht darauf, dass die Tendenz da ist, in diesem Jahr Versäumtes nachzuholen. Auf einen kleinen Nachholeffekt hoffe ich auch dadurch, dass einige Pilger, die nicht mit dem Bus kommen können in diesem Jahr, sich in den kommenden Wochen zumindest individuell auf den Weg nach Kevelaer machen werden.

Interview: Matthias Wirth