Hoffnung auf endgültigen Geschäftsstandort
Neben noch verklebten Fenstern stehen schlicht-schöne Sitzgarnituren, ein schmaler Schrank mit Beauty-Zubehör und ein überdimensionaler Weihnachtsbaum, dessen Lichter den Raum noch weiter zum Erhellen bringen. „Es gibt ein Sprichwort: Wenn der Weihnachtsbaum so schön geschmückt ist und strahlt, dann wird das Jahr auch so. Also wird 2021 ein gutes Jahr“, sagt eine trotz der Umstände positiv wirkende Oksana Wienhoven, die sich mit ihrem Mann die Räumlichkeiten in der Luxemburger Galerie geangelt hat, um dort so richtig durchzustarten. Zuvor hatten die beiden auf der Ladestraße ihr Geschäft, aber der Standort sei nicht ideal gewesen. „Wir wollten uns verändern“, sagt die 43-Jährige, deren Lebensgeschichte fast schon zum Kitschroman taugt.
Oksana Wienhoven ist gebürtige Ukrainerin, ihre Mutter Lehrerin, der Vater Offizier. Sie studierte in Moskau mehrere Jahre Finanzmanagement, arbeitete als Diplom-Bankkauffrau in einer Bank, bevor sie einen Deutschen kennenlernte. Sie kam nach Deutschland, bekam zwei Jungen, die heute 23 und 14 Jahre alt sind. Aber zu Hause nur die Kinder betreuen, war nicht ihre Sache. „Ich habe immer gearbeitet. Ich wollte mein eigenes Geld verdienen.“ So begann Wienhoven schließlich 2011 ein Fernstudium als Kosmetikerin in Freiburg. An der Lindenstraße in Kevelaer hatte sie für die ersten Behandlungen ein kleines Zimmer mit Liegestühlen zur Verfügung und arbeitete zusätzlich für zwei Tage bei REWE. Als ihre Ehe nach elf Jahren scheiterte, betrieb sie als alleinerziehende Mutter auf der Lortzingstraße für zwei, drei Tage in der Woche ihr Kleingewerbe, arbeitete drei Jahre lang in Sonsbeck in einer Lotto-Abteilung und pflegte eine Frau in Lüllingen. 2015 machte sie noch eine Ausbildung zur medizinischen Fußpflegerin.
„Der liebe Gott hat mir dann einen ganz lieben Mann geschickt“, sagt die Geschäftsfrau. Ihn traf sie 2013 das erste Mal bei Freunden in Goch. „Wir waren uns sofort sympathisch“, erinnert sie sich. Georgii Karosadnidze ist gebürtiger Georgier, ausgebildeter Informatiker und reiste in der Zeit für seine Arbeit quer durch Europa, half nebenbei seinen Eltern in ihrer Bäckerei in Tiflis.
Sprachbarriere und Visum
Vier Jahre lang verloren sie sich aus den Augen – bis sie sich 2017 bei den gemeinsamen Freunden in Goch erneut begegneten, sich verliebten und 2018 heirateten. Auch der 40-Jährige bewies im Lebensalltag Steherqualitäten. Er heuerte trotz Sprachbarriere und Warten auf das Visum als LKW-Fahrer bei „Kaiser´s“ an, später bei einem Gerüstbauer in Kevelaer, machte seinen deutschen LKW-Schein und lernte an der Abendschule die deutsche Sprache. Dann erlitt er einen Unfall, der es ihm nicht mehr möglich machte, schwer zu schleppen. Daraufhin absolvierte er ein Fernstudium als medizinischer Fußpfleger, schloss es Ende 2018 ab. Zuvor hatte er sich bereits in einer Düsseldorfer Firma als „Hautmakelkorrigierer“ ausbilden lassen. Und so eröffneten beide Ende 2018 ihren ersten gemeinsamen Schönheitssalon unter dem Namen „Kosmetikstudio Oksana“ auf der Bahnstraße. „Das eine Jahr war super, ich war aber traurig, weil alle zu meinem Mann wollten“, muss sie lachen. Denn er beweist mit ruhiger Hand, dass man auch als Mann in so einem „sensiblen“ Beruf bestehen kann. „Wenn man will, dann schafft man alles“, ergänzt er.
Gute Freunde und die Kunden geben ihnen viel Halt. „Die Belohnung ist, dass sie immer wieder kommen“, sagt Wienhoven, die stolz darauf ist, es „denen, die nicht daran geglaubt haben“, bewiesen zu haben. Und sie unterstützen sich gegenseitig. „Ich habe keine Angst, weil sie da ist“, sagt Georgii. „Und ich nicht, wenn er da ist“, ergänzt seine Frau. Ein starkes Team also.
Der Umzug weg von der Bahnstraße deutete sich schon im März an, als die beiden an der Luxemburger Galerie vorbei spazierten. „Hier ist es ruhig“, stellten sie fest und entschieden, den Schritt zu wagen. Die Räumlichkeiten renovierten sie innerhalb von sechs Wochen eigenhändig, wobei Georgii den handwerklichen Löwenanteil beisteuerte.
Die letzte Veränderung?
Jetzt könnten beide ihrer Profession umfänglich nachgehen – wenn Corona nicht wäre. „Wir haben mit dem Ordnungsamt gesprochen. Medizinische Fußpflege ist erlaubt, aber der Kunde muss per Privatrezept nachweisen, dass es auch wirklich nötig ist“, erläutert Wienhoven. Ansonsten bleibt die Zeit für den Feinschliff im Laden. Der Schritt in die Luxemburger Galerie soll auf absehbare Zeit die letzte Veränderung sein. „Wir wollen wirklich, dass es der letzte Arbeitsplatz bis zur Rente bleibt“, blickt die Kevelaerer Geschäftsfrau weit voraus.
Was ihnen an dem Beruf so viel Erfüllung bringt? „95 Prozent der Leute haben pathologische Füße – und wenn wir den Schmerz wegnehmen können, dann macht das Freude.“ Dafür machen sie auch gerne ausführlichere Sitzungen. „Vielleicht bringt das weniger Geld“, sagt sie. Dafür aber mehr Zufriedenheit. „Und wenn wir normal leben können, das reicht.“