Hochzeit mit Hindernissen, aber mit Happy End
Am 2. Juni 2018 feiert Georg Giessen seinen 90. Geburtstag im Kreis seiner Familie, Freunde und Nachbarn. Geboren ist er in Goch als Ältester von drei Söhnen. Seine Mutter Gertrud arbeitete als Verkäuferin, sein Vater Georg als Anstreicher. Nach der Volksschule in Goch begann er zunächst seine Lehre bei der Post und arbeitete danach als Postjungbote in Goch, wo er bei Wind und Wetter die Post zustellte: Viele Jahre fuhr er in Hassum, Hommersum und Kessel „met de fiets en met de post dörr de felder“.
Ein Haus war für ihn bald etwas Besonderes, denn da wohnte die Familie seiner späteren Frau Vroni. Seine zukünftige Schwiegermutter bat den damals sehr schmalen, mageren jungen Mann, wenn er die Post brachte, oft zu einem dicken Butterbrot herein und sagte dann auf Platt: „Mein Gott, Georg, heute morgen siehst du wieder so aus, als ob du eine Ziege zwischen den Hörnern küssen könntest!“ („Meingott Schörß, geij kickt vanne Märn ewell wer, as wenn gej en Geit tössen de Hörn kösse könnt.“)
Die Tochter des Hauses war beim Zustellen meistens in der Schule, aber da beide gemeinsame Freunde hatten, lernten sich Vroni und Georg schließlich auf Kirmesfeiern kennen und verliebten sich ineinander. Auch der Entschluss zu heiraten stand bald fest. Allerdings gab es ein großes Hindernis: Vroni war katholisch, Georg evangelisch; beide wollten ihren Glauben behalten. Da das gemischt-konfessionelle Paar in Kevelaer damals noch keiner trauen wollte, heirateten sie ganz klein und schlicht in Marienbaum, wo sie einen Pastor für die Trauung fanden. Vroni trug zur Hochzeit schwarz, ihr Vater und ihre Tanten, die gegen die Vermählung mit einem evangelischen Mann waren, kamen gar nicht zur Hochzeit.
„Aber auch wenn die Hochzeit traurig und kurz war, haben wir schließlich eine sehr glückliche Ehe gehabt. Je mehr alle am Anfang gegen unsere Verbindung waren, desto mehr hat es uns zusammengeschweißt“, erzählt der Jubilar. Und mit einem Augenzwinkern berichtet er, dass er einmal Vroni mit seinem 125er DKW-Motorrad mit über die Alpen nach Venedig nahm. Vroni arbeitete damals noch im Kempener Krankenhaus im Büro. Ihre Familie wusste nichts von dem Urlaubsplan. Als sie die „Entführung“ mitbekamen, gingen sofort Vronis unverheiratete Tanten zum Arbeitgeber und wollten Georg schlechtmachen, doch die Oberin, die von der Urlaubsreise wusste, meinte nur: „Es ist alles gut, wie es ist!“ Die Tanten gingen beschämt nach Hause.
Nach einigen Jahren schließlich waren alle in der Familie wieder versöhnt. 54 Jahre sollten Vroni und Georg, trotz der Anfangsschwierigkeiten, eine glückliche Ehe führen. „Wir hatten nie richtig Streit und jeder Tag endete mit einem Gutenachtkuss“, so der Witwer.
1955 bauten beide ein eigenes Haus auf der Josefstraße, wo sie 2007 noch ihre Goldene Hochzeit feiern konnten. Ihre Töchter Martina und Gabriele wurden 1959 und 1963 geboren. Vroni kümmerte sich nach Geburt ihrer Kinder um Haus und Kinder und Georg um das Geldverdienen. Dabei hatte er immer mehrere Jobs gleichzeitig. Neben der Ausbildung als Postbote machte er eine Ausbildung als Autoschlosser, fuhr den Post-Omnibus, war in Kevelaer Paketzusteller, reparierte Radiogeräte und Fernseher und schloss BHW-Versicherungsverträge ab.
Als die Kinder aus dem Haus waren, arbeiteten beide in einem kleinen Devotionalienladen am Kapellenplatz, den ihre Tochter Gabriele mit ihrem im Jahr 2008 verstorbenen Mann Karl seit 1986 führte. 1992 wurde ihre Enkeltochter Christina geboren, die der ganze Stolz der Großeltern war und noch ist.“ 2008 tauschten sie ihr großes Haus gegen eine altersgerechte Wohnung im Klostergarten, wo gleich nebenan auch der sechs Jahre jüngere Bruder Rolf mit seiner Frau Helga einzog. 2013/2014 mussten beide Brüder ihre Ehefrauen zu Grabe tragen. Ein schwerer Schlag für die beiden, die beide glücklich verheiratet waren.
Mehrmals die Woche gehen auch heute noch beide Brüder in die Stadt und besuchen die Gräber ihrer Frauen, die direkt nebeneinander liegen. Gemeinsam mit dem jüngsten Bruder Fritz aus Goch treffen sie sich jede Woche zu Spaziergängen oder einem Besuch in der Eisdiele. Neben seinen vielen beruflichen Betätigungen hat Georg alle wichtigen und schönen Momente des Lebens früh mit seiner Kamera festgehalten und bis vor wenigen Jahren immer noch fleißig Videos geschnitten. Auch wenn ihm am Anfang seiner Verbindung mit Vroni viele Steine in den Weg gelegt wurden, ist der Zusammenhalt in der Familie heute sehr eng und es gibt immer genug zu lachen. In der früheren Nachbarschaft auf der Josefstraße ist er noch stets aktiv. Am kommenden Samstag wird sein 90. Geburtstag in froher Runde gefeiert.