Hier beschweren sich die Bürger
Der Haupt- und Finanzausschuss ds der Stadt Kevelaer ist so etwas wie der „kleine Rat“: Viele wichtige Entscheidungen passieren zuerst dieses Gremium, bevor sie final vom Rat beschlossen werden, manche Dinge entscheidet der Auschuss sogar alleine. Das Kevelaerer Blatt sprach mit dem Ausschussvorsitzenden Dr. Dominik Pichler (SPD) über die Themen der aktuellen Legislaturperiode.
Kevelaerer Blatt: Herr Pichler, Schulausschuss, Stadtentwicklungsausschuss … das erklärt sich von selbst. Was genau aber macht der Haupt- und Finanzausschuss?
Dr. Dominik Pichler: Ganz wichtig ist, dass der Haupt- und Finanzausschuss auch der Beschwerdeausschuss für Bürgeranträge ist. Solche Anträge gab es beispielsweise von den Saunafreunden, von den Anwohnern des Beethovenrings und auch von der Interessengemeinschaft Pro OW 1. Auf diese Weise können dort selbst Themen, die schon einmal durch die Gremien gegangen sind, noch einmal diskutiert werden. Hier wird auch der Haushalt diskutiert und über Vergaben in größerer Dimension sowie über Personalangelegenheiten entschieden.
Meist ist es aber doch so, dass der Ausschuss von finanzieller Seite über Themen spricht, die zuvor schon ein Fachausschuss ausführlich inhaltlich diskutiert hat…
Dr. Dominik Pichler: Oft ist das so, ja, aber hier sitzen andere Leute als in den Fachausschüssen und dadurch gibt es meist andere Diskussionsschwerpunkte. Im Haupt- und Finanzausschuss sind übrigens ausschließlich Ratsmitglieder, keine sachkundigen Bürger – das ist eine weitere Besonderheit.
Kommt es denn vor, dass ein Fachausschuss eine Sache für richtig und wichtig hält und der Haupt- und Finanzausschuss beschließt danach: „Aber Geld gibt‘s dafür nicht!“?
Dr. Dominik Pichler: Vor meiner Zeit gab es das schon mal, dass der Haupt- und Finanzausschuss den Fachausschuss überstimmt hat. Das ist aber selten. Der Fraktionsproporz ist ja auch gleich. Manchmal passiert aber etwas zwischen den Sitzungen, das dann zu einer neuen Bewertung führt.
Freut sich der Finanzausschuss über die Finanzlage der Stadt?
Dr. Dominik Pichler: Die Finanzen müssen wir sicher im Blick behalten, aber derzeit können wir uns über gute Gewerbesteuern freuen. Wir wissen allerdings, dass wir weltpolitischen Einflüssen unterliegen, die wir nicht beeinflussen können, wie damals die Finanzkrise. Wenn aus dem Säbelrasseln in Syrien ein Stellvertreterkrieg wird oder wenn es zu einem Handelskrieg mit den USA kommt, das würden wir auch in Kevelaer merken.
Wir müssen auch gucken, in welche Richtung es mit der Bundesregierung geht. Die Grundsteuer wurde – völlig erwartbar – gekippt. Jetzt müssen wir sehen, worauf wir uns einstellen müssen. Auch das können wir nicht beeinflussen, aber es ist eine unserer wichtigsten Einnahmequellen. Aktuell sind die Finanzen der Stadt in Ordnung – sogar ganz gut. Aber das ist nur eine Wasserstandsmeldung.
Wie stark hängt der Haushalt an einzelnen Unternehmen?
Dr. Dominik Pichler: Wir haben mehrere wichtige Gewerbebetriebe, aber keinen, dessen Weggang uns in massive Haushaltsprobleme stürzen würde wie Bofrost in Straelen. Wir liegen übrigens – bewusst – knapp unterhalb des fiktiven Gewerbesteuersatzes im Kreis Kleve.
Apropos Steuern: Wenn es dem Haushalt gut geht, müssen die Bürger also auch keine Steuererhöhungen erwarten?
Dr. Dominik Pichler: Wir haben die Grundsteuer und die Gewerbesteuer seit einigen Jahren nicht mehr steigen lassen und der Doppelhaushalt bis Ende 2019 steht. Darin sind keine Erhöhungen vorgesehen.
Was waren für Sie die wichtigsten Entscheidungen in der aktuellen Wahlperiode des Haupt- und Finanzausschusses?
Dr. Dominik Pichler: Wichtig waren alle Entscheidungen rund um das Integrierte Handlungskonzept und die Hüls. Auch die breiten Mehrheiten in der Schulpolitik finde ich wichtig. Symbolisch wichtig war die einheitliche Umbenennung zu „Wallfahrtsstadt Kevelaer“ – im Vorfeld hatte ich viel für die Einstimmigkeit geworben. Für mich persönlich sehr prägend war bereits ganz am Anfang, dass es eine Mehrheit für das Mehrzweckbecken gab. Die CDU hatte nicht einheitlich abgestimmt. Für mich war das die Erkenntnis: Die CDU hat keine Blockadehaltung – mit denen kann man arbeiten. Ich dachte damals: „Du bist kein zahnloser Tiger ohne eigene Mehrheit. Du kannst was bewegen.“ Die letzten beiden in meinen Augen sehr wichtigen Entscheidungen gingen allerdings nicht durch den HuF, sondern unmittelbar als Vorlage in den Rat.
Blicken wir auf ein paar Sachthemen aus dem Ausschuss. Wie geht es weiter mit dem Breitbandausbau?
Dr. Dominik Pichler: Kervenheim ist ausgebaut, da muss die Deutsche Glasfaser nur noch etwas nacharbeiten. Dann ist Winnekendonk dran und danach Twisteden. Für die Außenbereiche läuft die Vergabe, das Motto ist: „Der letzte Hof soll angeschlossen sein.“ Vielleicht profitiert dann auch Wetten und wird doch noch angeschlossen.
Wird das Bahnhofsumfeld Richtung Innenstadt neu gestaltet?
Dr. Dominik Pichler: Den Neubau der Lebenshilfe nach § 34 des Baugesetzbuches zu genehmigen, danach aber über den Bereich einen Bebauungsplan zu legen, war meines Erachtens Quatsch. Das ist ein typischer politischer Kompromiss, also eine Lösung, die zwar erkennbar nicht die beste, dafür aber mehrheitsfähig ist.
Ihre Familie wohnt am Mechelner Platz. Sind Sie mit der Neugestaltung zufrieden?
Dr. Dominik Pichler: Ich kann nicht verstehen, warum die Neugestaltung ohne Wasserspielplatz erfolgen sollte. Ich war allerdings befangen und konnte in der Sitzung nicht mitdiskutieren. Ich habe die Krise gekriegt … Aber auch das ist Demokratie: Dass ich als Hauptverwaltungsbeamter auch die Vorgaben der Kommunalpolitik umsetzen muss und umsetze, die mir nicht gefallen.
Gibt es für die Saunafreunde noch Hoffnung auf eine Sauna in Kevelaer?
Dr. Dominik Pichler: Wenn ein privater Betreiber kommt, werden wir ihm keinen Stock zwischen die Räder werfen. Aber in Geldern und Goch gibt es starke Konkurrenz. Ich finde eine Sauna zwar eine sinnvolle Sache, aber sie gehört für mich nicht zur Daseinsvorsorge, also zur Grundversorgung.
Was tut sich beim Ladenöffnungsgesetz?
Dr. Dominik Pichler: Das wird uns weiter beschäftigen, aber derzeit warten wir noch auf Informationen der Landesregierung.
Haben sich die Vereine mit der Kostenbeteiligung für die Nutzung der Sportstätten arrangiert?
Dr. Dominik Pichler: Es gibt immer mal Gespräche, aber es ist nicht so, dass man sich gar nicht einig wird.
Wie läuft es mit der Integration der Flüchtlinge?
Dr. Dominik Pichler: Man soll die Probleme nicht kleinreden, aber auch nicht groß machen. Es leben noch etwa 500 Flüchtlinge in Kevelaer. Wir haben kein Gewalt- und kein Kriminalitätsproblem. Natürlich gibt es auch einige wenige Einzelfälle, wo es kompliziert ist, weil sie eben immer wieder negativ auffallen. Aber es wäre komisch, wenn hier nur Leute mit Heiligenschein wären. Wir müssen weiter gucken, dass sie Deutsch lernen, in die Schule oder zur Ausbildung gehen und Arbeit finden. Und wir müssen sicherstellen, dass die, die gehen müssen, gehen.
Was ist bei EU-Förderprogramm LEADER bislang für Kevelaer herausgekommen?
Dr. Dominik Pichler: Da muss sich dringend etwas ändern, derzeit wird zu viel bei der Bezirksregierung verhindert. Ich bekomme bald turnusgemäß selbst „den Hut auf“ und will mich dann intensiver damit befassen.
Zur Person
Der Kevelaerer Dr. Dominik Pichler ist promovierter Strafverteidiger. Seit 2015 arbeitet er allerdings als Bürgermeister der Stadt Kevelaer. Die wenige Freizeit, die ihm sein Beruf lässt, verbringt er mit seiner Frau und seinen fünf Kindern. Der 42-Jährige singt außerdem im Familienchor von St. Marien und macht Judo. Andere Hobbys, wie das Schachspielen, ruhen aus Zeitgründen.