Der Kruzifixus und die Kreuzigungsgruppe in der Pfarrkirche St. Urbanus

Herkunft bleibt bis heute ungeklärt

Ein aktuelles Foto vom Chorraum der St. Urbanuskirche mit der Kreuzigungsgruppe. Foto: privat

Artur Elders-Boll, Rendant a.D. in St. Urbanus, möchte an zwei wertvolle Kunstwerke in der Kirche St. Urbanus erinnern: der Kruzifixus und die Kreuzigungsgruppe.

Elder-Boll berufts sich dabei auf Pfarrer e.m. Wilhelm Hetterix, der ab 1964 wieder in Winnekendonk gelebt hat. Dieser habe ihm berichtete, Anfang 1948 als Kaplan in St. Urbanus den Kruzifixus in angelieferten Baumaterialen, nicht in Trümmern, die längst schon beseitigt waren, die für den 1. Bauabschnitt 1947/1948 der kriegszerstörten Kirche bestimmt waren, entdeckt und gesichert zu haben. Der Lieferant konnte nicht klären, auf welche Weise der Korpus auf sein Fahrzeug gelangt war und woher er möglicherweise stammen könnte. Auch in späterer Zeit hat sich kein früherer Besitzer gemeldet.

Pastor Joseph Reiners und Kaplan Hetterix jedoch freuten sich jedenfalls über den Zufallsfund und sorgten dafür, dass die beschädigten Arme des Kruzifixus erneuert wurden. Dorfschreiner Heinrich Hebben zimmerte die passenden Holzbalken. Das Kreuz wurde dann hinter dem provisorischen Altar in der teilweise wiederaufgebauten Kirche zur Erstkommunionfeier am 27. Juni 1948 aufgestellt.

Nach dem kompletten Wiederbaufbau der Pfarrkirche, 2. Bauabschnitt 1953/56, wurden der Altar und das Holzkreuz im Chorraum aufgestellt.
Foto: privat

Nach dem kompletten Wiederbaufbau der Pfarrkirche, 2. Bauabschnitt 1953/56, wurden der Altar und das Holzkreuz im Chorraum aufgestellt. Das 2. Vatikanische Konzil erforderte einen neuen Altar nahe der Vierung, der vom Künstler Heribert Reul, Kevelaer, entworfen und vom Steinmetz Kurt Hölker, Goch, gefertigt wurde. Feierlich konsekrierte Weihbischof Heinrich Baaken den neuen Altar aus belgischem Granit am 19. Oktober 1969, für den die Volksschulkinder im Laufe vieler Jahre das nötige Geld gespendet hatten. Das Holzkreuz blieb jedoch weiterhin im Hochchor stehen.

Die Kreuzigungsgruppe, gefertigt 1809, die den Kalvarienberg des neuen Friedhofs an der Niersstraße(eröffnet um 1850) zierte, musste der Neuordnung des Friedhofes 1968 durch die Zivilgemeinde weichen. Seitdem stand sie ungeschützt und verlassen hinter der Pfarrkirche. Dort wurde sie durch Witterungseinflüsse und Vandalismus sehr stark beschädigt, so dass sich in 1982 dem Kirchenvorstand und dem Pfarrgemeinderat die Frage des Erhalts des alten Kunstwerks mit unbekannter Herkunft stellte. Denn die Kreuzigungsgruppe war ja wesentlich älter als das neue Friedhofsgelände, das der Kirchengemeinde in 1842 geschenkt worden war.

Kunstkommission kam aus Münster

Daraufhin lud die Kirchengemeinde die Bischöfliche Kunstkommission Münster und die Denkmalpflege des LVR Rheinland nach Winnekendonk ein, um die Fragen der Instandsetzung und Verwendung des Kunstwerks zu beantworten. Die fünf Kunstsachverständigen waren sich schnell einig, die historische Kreuzigungsgruppe vor dem völligen Zerfall zu retten, sie von einem spezialisierten Steinmetzbetrieb sanieren zu lassen, um sie anschließend im Chorraum der Pfarrkirche St. Urbanus aufzustellen. Das dort befindliche Holzkreuz müsse dann anderweitig platziert werden.

Schwierig war die Finanzierung der nicht geringen Sanierungs-, Transport- und Aufstellkosten. Auf Vorschlag des Beauftragten der Kirchengemeinde einigten sich die Beteiligten letztendlich einvernehmlich wie folgt: Zuschuss des Bistums 8.000 Mark Zuschuss des LVR 6.000 Mark und Eigenmittel der Kirchengemeinde 38.000 Mark. Damit waren die Rettung und der künftige Standort der Kreuzigungsgruppe endgültig gesichert.

Ein Bild des Kruzifixus aus dem Heimatkalender1972. Foto: Dr. Gorissen

Mit den Sanierungsarbeiten wurde ein Steinmetzbetrieb in Roxel bei Münster beauftragt, der die sanierte, schwere Kreuzigungsgruppe mit Maria, der Mutter Jesu, und dem Apostel Johannes in 1985 im Hochchor der Pfarrkirche Winnekendonk mit größter Umsicht aufstellte, nachdem zuvor die darunter befindliche Kellerdecke auf Empfehlung des Statikers Gerd Sprenger, Kevelaer, mit zwei mächtigen Stahlträgern verstärkt worden war. Seitdem prägt und bereichert die imposante Kreuzigungsgruppe, bestehend aus Baumberger Sandstein, das Ambiente von St. Urbanus.
Das große Holzkreuz fand einen sinnvollen Platz an der Taufwand. Auf Veranlassung der Kunstkommission des Bistums mussten zuvor die dicken Holzbalken fast halbiert werden, um als „Wandkreuz“ zu dienen und nicht mit dem Kreuz im Hochchor zu „konkurrieren“.

Ein Kunstwerk des Meisters Arnt?

Das Schicksal des Kruzifixus ist bis heute teilweise ungewiss. Archivar Dr. Friedrich Gorissen, Kleve, stellte dazu nach einem Besuch mit seinem Klever Arbeitskreis im Herbst 1969 fest: „Es dunkelte schon, als wir hinter dem Pfarraltar den imponierenden Crucifixus sahen. Der photographischen Aufnahme des Ganzen und der wichtigsten Einzelheiten folgt stets eine genaue Feststellung des Bestandes. Voraussetzung für jede weitere wissenschaftliche Beschäftigung mit einem alten Kunstwerk, sei es gemalt oder geschnitzt, ist die Klärung der Frage, was an dem Gegenstand überhaupt noch normal ist.Der Cruzifixus von Winnekendonk hat erhebliche Kriegsschäden erlitten: beide Arme sind erneuert, doch sind auch Kopf und Rumpf nicht ohne Schaden geblieben. Immerhin: das arg verstümmelte Original ist eindrucksvoll genug, um die Frage der Herkunft des Werkes zu rechtfertigen. Wenn auch das Material die Entstehung in einer niederrheinischen Werkstatt wahrscheinlich machte, so bot sich dennoch keine plausible Lösung an. Wir kannten keine Werkstatt, worin dieser Crucifixus seinen Platz hätte. Es gab noch zwei mögliche Lösungen: es handelte sich entweder um ein Importstück oder um ein Werk aus einer uns weniger genau bekannten Epoche der niederländischen Bildschnitzerei.“

Aufgrund eines sehr präzisen Vergleichs mit der Marienfigur in Nederweert bei Roermond kommt Friedrich Gorissen zu der Feststellung, dass der Kruzifixus von Winnekendonk mit hinlänglicher Genauigkeit dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts angehört. Das Kunstwerk stammt vermutlich aus der Werkstatt des Meisters Arnt, die bis 1484 in Kalkar und danach bis 1491 in Zwolle arbeitete.