„Hallo, ist da jemand?
Auch wenn es sich „nur“ um die diesjährige Aufführung der Literaturkurse der Jahrgangsstufe Q1 des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums Kevelaer handelte, es hätte sich auch um eine von Studenten der philosophischen Fakultät einer Universität szenisch umgesetzten Semesterarbeit handeln können, die mit „summa cum laude“ bewertet worden ist.
„Hallo, ist da jemand?“ setzte sich in hervorragend ausgeführter schauspielerischer Darbietung und thematischer Analyse mit einem der drängendsten Probleme der heutigen und zukünftigen Gesellschaftsfragen auseinander. Katrin Boland und Eva Cepok hatten als Lehrerinnen in zwei Kursen das Stück mit den Schülerinnen und Schülern erarbeitet. Besonders hervorzuheben und deshalb gar nicht hoch genug zu bewerten ist dabei die Tatsache, dass die Schüler den kompletten Text selbst geschrieben, die Choreographie selbst entworfen, das Bühnenbild und die Technik selbst ausgeführt und auch die Aufführung selbst als Laienschauspieler aufgeführt haben.
Bezogen auf das Leben des Ernst Lustig, der durch viele Erlebnisse und Erfahrungen in seinem 80-jährigen Leben im Alter sehr einsam ist, griffen sie neben der Vereinsamung im Alter zahlreiche weitere gesellschaftsrelevante Themen wie Desinteresse, Entfremdung, Isolation, Vorurteile gegenüber Homosexualität, familiäre Probleme und Kommunikationsstörungen auf. Monologe, Gesprächsrunden, Pantomime, kleine Theaterszenen, Musik- und auch Tanzeinlagen bildeten ein abwechslungsreiches und kurzweiliges Abbild unsere Gesellschaft und hielten den Zuschauern einen Spiegel vor.
Die „Vorhänge“ wechselten immer wieder zwischen der Vergangenheit von Ernst Lustig und der Gegenwart mit seinen Auswirkungen auf seine sozialen Kontakte. Die Rollen waren teilweise vierfach besetzt, um das Alter der Mimen (die durch gleiche Kleidung in ihren Rollen zu erkennen waren) zu verändern und es gab eine zusätzliche Filmeinblendungen auf einer Leinwand, in der die Schüler ebenfalls spielten.
Die hierdurch entstehende Dramaturgie des Stückes fesselte und ließ den Gästen keine Möglichkeit, sich von den Themen zu distanzieren. Durch die Form, in denen die Schüler die Zusammenhänge von sozialer Isolierung und Vereinsamung im Alter herstellten, machte betroffen, weil sie oft ähnliche oder gleiche Situationen in den eigenen Familien aufzeichte.
Vor lange anhaltendem Applaus wiesen die Schülerinnen und Schüler noch einmal darauf hin, dass dieses Thema alle angeht und sie stellten die Frage: „Wann haben Sie sich das letzte Mal um einen alten Menschen in Ihrer Familie gekümmert?“.
Kommentar
39 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrerinnen der Q1 des KvGG schufen ein zeitgeschichtliches Meisterwerk. Eine szenische Kollage, die zu schade ist, um nur eine einmalige Aufführung zu erfahren. Hier kann man zum Entwurf und zur Aufführung nur gratulieren und dazu ermutigen, „Hallo, ist da jemand“ weiteren Zuschauern und einem weiteren Fachpublikum, das sich für soziale Fragen einsetzt, zu präsentieren. Die Aufführung wurde gefilmt und könnte so weitere Interessierte erreichen.
Jörg von der Höh