Haft und Schmerzensgeld wegen Messerangriff

Zwei Jahre und neun Monate wegen schwerer Körperverletzung – so lautete am Mittwoch, 15. Februar 2017, das Urteil der Großen Strafkammer am Landgericht Kleve gegen den 33-jährigen Weezer, der im Juli vergangenen Jahres seine Ex-Freundin aus Kevelaer mit einem Messer verletzt hatte. Außerdem muss der Angeklagte 5000 Euro mit fünf Prozent Zinsen an das Opfer zahlen – abzüglich der insgesamt 3000 Euro, die er bereits an das Opfer gezahlt hat.
Damit blieb das Gericht knapp unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die drei Jahre Haft gefordert hatte. Die Nebenklage hatte eine “angemessene Strafe” und eine Verurteilung wegen “versuchten Totschlags” gefordert.
Das Gericht hielt es für erwiesen, dass der Angeklagte nach einem Streit mit seiner Freundin in ihrer Wohnung aus der Küche mit einem Messer gekommen, auf sie zugestürmt sei und auf sie eingestochen habe. Dabei hatte er ihr eine fünf Zentimeter breite Schnittwunde und zwei Stichverletzungen an der linken Hand zugefügt.
“Das mag für den Angeklagten eine harte Strafe sein, aber es war Glück im Unglück”, führte Richter Martin Laux in seiner Urteilsbegründung aus. Denn die Verletzung sei “potenziell lebensgefährlich” gewesen. Ohne Frage hätte die Frau versterben können, wenn er sie anders mit dem Messer erwischt hätte. “Dann hätte er mit der Schuld, die Mutter seines Kindes getötet zu haben, leben müssen. Und das Kind wäre ohne Mutter und ohne den Vater aufgewachsen.” Das sei allen zum Glück erspart geblieben. “Das Hantieren mit so einem Messer am Halsbereich kann schlimmste Folgen haben, das muss sich im Urteil wiederfinden.”
Es sei bereits im Rahmen der seit Anfang 2013 bestehenden Beziehung zu “Handgreiflich-keiten und Bedrohungen” gekommen. Als Beispiel nannte er einen Vorfall im April 2016, wo der Angeklagte gedroht habe, “mit dem Messer vorbei” zu kommen.
An dem besagten Abend Anfang Juli sei er “erbost und verärgert” von einer Bemerkung der Freundin gewesen, sie würden zu sehr aufeinanderhängen. Nach einem Streitgespräch habe er die Wohnung verlassen, sei wieder zurückgekehrt, habe ihr Vorwürfe gemacht und sei dann in die Küche gegangen, um dann mit einem 15 Zentimeter langen Messer zurückzukommen.
Er sei dann “in aggressiver Haltung” auf das Opfer auf dem Sofa zugegangen, sein anwesender Schwager habe ihn versucht festzuhalten und eine Freundin des Opfers  versucht, sich schützend vor sie zu legen. Er habe aber mehrfach an dieser Frau vorbei auf die Ex-Freundin eingestochen und ihr die Verletzungen zugefügt.
Schuldfähigkeit nicht beeinträchtigt
Laux machte deutlich, dass die Schuldfähigkeit des Mannes weder durch die maximal 1,2 Promille Alkohol im Blut noch durch andere Umstände vermindert gewesen sei. Die durch einen früheren Verkehrsunfall mit Todesfolge ausgelöste “posttraumatische Störung” habe keinen Zusammenhang mit der Tat gehabt.
Die Aussagen des Opfers und ihrer Freundin seien  “glaubwürdig” gewesen. Einen “nicht unerheblichen” Beweiswert stellten auch die Aussagen des Schwagers unmittelbar nach der Tat dar, wo er von einer vorsätzlichen Attacke auf die Ex-Freundin gesprochen habe. Seine Aussagen bei der Polizei und vor Gericht, er habe es nicht wahrgenommen, wertete Laux als “Falschaussage”. Sie sei mutmaßlich auf das Verwandschaftsverhältnis zurückzuführen.
Dazu komme die Aussage des Arztes und der Gutachterin, die die Verletzungen des Opfers und der Hand des Weezers nicht im Einklang mit dieser These bringen konnten, wohl aber mit “vorsätzlicher Körperverletzung.” Die Äußerungen des Angeklagten und seines Anwalts, es habe sich um einen versehentlichen Sturz und damit um einen Unfall gehandelt, seien durch die Beweisaufnahme wiederlegt, so Richter Laux. “Das war per se schon wenig glaubhaft, denn warum hat der Schwager ihn festgehalten?”
Echte Reue und die Übernahme des persönlichen Verhaltens habe die Kammer nicht er-kennen können. Der Anwalt des Angeklagten, Dr. Scholte, hatte zuvor von einer “subjektiven Wahrheit” seines Mandanten gesprochen, der das Ganze immer noch als Unfall betrachte, aber zugestehe, dass sich die Angelegenheit real anders zugetragen habe. Das Gericht wertete das als “Geständnis mit deutlich eingeschränktem Wert”, das dazu noch “zum spätestmöglichen Zeitpunkt” im Rahmen des Anwaltsplädoyers “unter dem Eindruck der Beweislast” erfolgt sei.
“Das war mehr ein sich Fügen in die Beweisaufnahme”, so die klare Ansage von Laux. “Von Unfall bis schwerer Körperverletzung besteht ein himmelweiter Unterschied.” Damit gebe es auch keine Basis für einen Täter-Opfer-Ausgleich, auch wenn der Angeklagte ihr schon 2000 Euro als Schadensersatz gezahlt habe und dessen Anwalt der Anwältin des Opfers am Schlusstag einen Scheck über weitere 1000 Euro übergab.
Tötungsabsicht nicht mit Sicherheit feststellbar
Eine “bedingte Tötungsabsicht” sei aber zugunsten des Angeklagten nicht mit der “für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit” feststellbar, folgte er der Staatsanwaltschaft, die ebenfalls vom Vorwurf des “versuchten Totschlags” Abstand genommen hatte. “Die Art der Gewaltanwendung und die Verletzungen” sprächen zwar dafür, weil sie “potenziell lebensgefährlich” für die junge Frau gewesen seien – es sei naheliegend, dass der Angeklagte in Kauf nahm, dass sie sterben könnte. Dagegen aber spreche die in der Erregung vollzogene affektive, spontane Handlung und die Tatsache, dass er die Tat dann nicht vollendet habe – entweder weil er das Messer im Handgemenge mit dem Schwager verloren oder es selbst auf dem Sofa unmittelbar nach den Stichen fallen gelassen habe. Außerdem sei er über die Tat erschrocken, wollte das Opfer ins Krankenhaus bringen.
Der Staatsanwalt hatte zuvor deutlich gemacht, dass es sich nicht um ein Unfallgeschehen und keine versuchte Tötung handele. Das Ganze sei eine “Beziehungstat” und ein “vorsätzlich gewollter Angriff”, die Unfallversion eine “reine Schutzbehauptung” gewesen. Zu Gunsten des Angeklagten lasse sich aber nicht feststellen, ob man ihm das Messer aus der Hand geschlagen oder er es selbst auf das Sofa gelegt habe.
Der Anwalt des Beschuldigten, Dr. Karl Scholten, hatte auf eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in einem “minderschweren Fall” und eine “milde Strafe” plädiert. Die Verletzung sei “nicht lebensgefährlich” gewesen, ein Verurteilung wegen versuchtem Totschlag nicht gerechtfertigt. Er sprach von “mehreren subjektiven Wahrheiten des Tatgeschehens” und verteidigte so indirekt die Wahrnehmung eines “Unfalls” durch den Angeklagten. “Was Verteidigung und Angeklagter anerkennen, ist, dass seine subjektive Wahrheit nicht mit der objektiven Wahrheit in Einklang zu bringen ist.”
Somit sei zu akzeptieren, dass es einen Angriff mit Verletzungen gegeben habe und entsprechende Schadensersatzforderungen bestehen. Der Angeklagte habe über die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit hinaus versucht, den immateriellen Schaden gutzumachen. Es bestehe die Basis für einen Täter-Opfer-Ausgleich, obwohl das Opfer diesen abgelehnt habe, sehr wohl aber seine Entschuldigung zur Kenntnis genommen habe.
Der Angeklagte selbst hatte sich nochmal bei dem anwesenden Opfer entschuldigt. “Ich kann mir das nicht erklären. Es tut mir unendlich leid.”
Der Fall dürfte noch nicht ausgestanden sein, denn der Angeklagte hat noch die Möglichkeit in Revision zu gehen. Dementsprechend hob Richter Laux den Haftbefehl nach sieben Monaten Untersuchungshaft auf. Es bestehe bei dem Mann keine Fluchtgefahr.