Gute Zahlen, schlechte Fakten?

Die CO2-Emissionen Kevelaers sind seit 1990 um 20 Prozent, pro Kopf sogar um 30 Prozent zurückgegangen. Das teilte die Klimaschutzmanagerin der Wallfahrtsstadt Kevelaer, Dr. Nina Jordan, vor Weihnachten mit (das KB berichtete). Aber wie setzt sich dieser Rückgang zusammen – und vor allem: Wie sehen die künftigen Klimaschutzziele aus und wie sollen sie erreicht werden? Das KB blickte dazu gemeinsam mit Nina Jordan auf die Daten.

Lokale Daten erst seit 2011

Die wichtigste Erkenntnis vorneweg: So richtig brauchbare Vergleichsdaten gibt es für Kevelaer eigentlich erst seit 2011. Seitdem werden – vor allem dank Kevelaers Energiemanagerin – kommunale Daten erhoben. Ältere Werte basieren im Wesentlichen auf Daten für den durchschnittlichen Bundesbürger, die dann anhand der Einwohnerzahl für Kevelaer hochgerechnet wurden.

Zustande kommen die Daten heute folgendermaßen: Im Strom- und Gas-Sektor wissen die Netzbetreiber genau, welche Mengen in Kevelaer verbraucht werden. Diese Daten sind heruntergebrochen auf Haushalte, Gewerbe und Industrie. Den Verbrauch der kommunalen Einrichtungen kennt Jordan aus den Abrechnungen der Versorger, die die Stadt erhält. Aus dem Verbrauch an Gas und Strom errechnen sich die damit verbundenen CO2-Emissionen.

Keine kommunalen Daten gibt es bis heute für den Verkehrssektor. Hier liegt weiterhin die Emission des deutschen Durchschnittsautos zugrunde, multipliziert mit der Zahl der in Kevelaer gemeldeten Fahrzeuge. Die realen Werte dürften sich in ländlichen Regionen, zu denen Kevelaer gehört, eher oberhalb des Durchschnitts bewegen. Hinzu kommen die Emissionen von Bus und Bahn – beides in Kevelaer keine sehr relevanten Größen. Was auffällt: Verkehrsemissionen, die entstehen, weil Menschen von außerhalb die Wallfahrtsstätten, die Einkaufsstraßen oder das Irrland besuchen, werden somit den Städten zugerechnet, in denen die Touristen und Pilger ihre Fahrzeuge gemeldet haben, selbst wenn die Ursache dieser Fahrten in Kevelaer liegt.

Was auch fehlt, sind aktuelle Daten darüber, wie viele Haushalte noch (mit welcher Menge) Öl, Kohle oder Holz heizen. Hierzu gibt es für Kevelaer eine mit Hilfe der Schornsteinfeger erstellte Erhebung aus dem Jahr 2013. Jordan hat der Einfachheit halber die Annahme aufgestellt, dass der Anteil der Öl- und Kohleöfen pro Jahr um ein Prozent zugunsten der Holzheizungen abgenommen hat. Angesichts der Lebensdauer von Heizöfen darf man diese Annahme als vorsichtig bewerten.

Verbrauch bleibt hoch

Summiert man alle diese nach für NRW standardisierten Methoden erhobenen Daten, erhält man für Kevelaer Emissionen, die 2017 rund 20 Prozent unter denen von 1990 lagen – rund 200.000 Tonnen; oder eben statt 10,5 noch sieben Tonnen pro Kopf, besagte 30 Prozent weniger als 1990, da Kevelaers Bevölkerungszahl in diesem Zeitraum deutlich gewachsen ist. Wer jetzt denkt, sieben Tonnen seien ja klar unter Bundesdurchschnitt (9,0 t in 2017), der freut sich zu früh. Hier fehlen nämlich noch sämtliche konsumbedingten Emissionen, Flugreisen etc., die in wohlhabenden Ländern großen Anteil am CO2-Fußabdruck haben.

Ein weiterer Aspekt vermiest die Freude darüber, dass Kevelaer das Ziel von 25 Prozent weniger CO2-Emissionen bis Ende 2020 wohl erreichen wird: Der Energieverbrauch Kevelaers geht fast nicht zurück. Kevelaer erreicht seine Ziele vor allem deshalb, weil der Strommix heute einen deutlich höheren Anteil aus erneuerbaren und damit CO2-freien Quellen enthält.

Positiv schlagen für Kevelaer außerdem die Biogasanlage Wissen und neben den lokalen Photovoltaikanlagen auch die Windkraftanlagen zu Buche. Von derartigen Effekten wird die Wallfahrtsstadt auf dem weiteren Weg zur Klimaneutralität jedoch kaum noch profitieren können, denn die Flächen für den Windkraftausbau sind weitgehend erschöpft. Potenzial bieten jedoch noch viele Hausdächer, denn trotz niedriger Einspeisevergütung sind Photovoltaikanlagen nach wie vor ein Plusgeschäft, nicht zuletzt durch den Eigenverbrauch.

Mit dem aktuellen Jahr endet auch Kevelaers Klimaschutzkonzept. 80 Prozent weniger Emissionen gegenüber 1990 sind darin noch fürs Jahr 2050 festgeschrieben. Nach heutigem Wissensstand viel zu langsam, um eine Klimakrise abzuwenden. Auch weitere Zwischenziele, um zu kontrollieren, ob Kevelaer auf Kurs ist, fehlen. Ein Klimanotstand, wie ihn die Grünen wollten, der Rat ihn aber mehrheitlich abgelehnt hat, hätte genau das bringen können. Jetzt ruht die Hoffnung auf einer Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes. Die Finanzierung dafür ist bereits beantragt.

Jeder ist gefordert

Beim Blick nach vorne muss Kevelaers Klimaschutzmanagerin vor allem auf Information und das Engagement der Bürger setzen, denn die großen Hebel haben Berlin und Brüssel. Dennoch: Der Wechsel zu Ökostrom und Biogas dauert nur Minuten, energetische Gebäudesanierungen, Holzheizungen oder gleich Wärmepumpen amortisieren sich langfristig.

Auch in Kevelaer gibt es Energieberater, die bei der Auswahl der individuell wirtschaftlichsten oder wirkungsvollsten Maßnahmen und der Suche nach Fördermitteln helfen. Die Stadt könnte zudem Effizienzstandards für Neubauten oder verpflichtende Photovoltaikinstallationen vorschreiben – doch davor schreckt man in Politik wie Verwaltung bislang zurück, zumal der Bestand energetisch das größere Problem ist. Weitere Beiträge leisten die ReparierBar, wo defekte Dinge oftmals noch gerettet werden können und so nicht ersetzt werden müssen, und die Bürgerenergiegenossenschaft Niederrhein, bei der Bürger in die regionale erneuerbare Energieerzeugung investieren können.

Zumindest bei der Verkehrswende hat die Stadtverwaltung Kevelaers weitere konkrete Schritte geplant, will fahrradfreundlicher werden und bewirken, dass 2025 weniger als 500 gemeldete PKW auf 1000 Einwohner kommen. Helfen soll dabei die Verkehrsberuhigung rund um den Peter-Plümpe-Platz, die Beseitigung von Gefahrenstellen für Fahrradfahrer – und vielleicht das derzeit erarbeitete Verkehrskonzept. Denn unsere Nachbarn, die Holländer, haben zwar ähnlich viele Pkw pro Kopf, fahren kurze Strecken aber weit konsequenter mit dem Fahrrad, weil die Infrastruktur andere Prioritäten setzt als bei uns.