Großes Interesse an der plattdeutschen Sprache

Beinahe übervoll war die „Uemse Kneipe“ des Niederrheinischen Museums, sodass die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen um ein Haar an anderer Stelle hätte stattfinden müssen.

Das Interesse der hiesigen Bevölkerung an unserer Mundart ist stets sehr groß, zumal eine Koryphäe wie der Sprachforscher Dr. Georg Cornelissen der Einladung des Förderkreises gefolgt war.

In seiner Eigenschaft als Vorsitzender begrüßte der Weezer Bürgermeister Francken die Hausherrin des Museums, Frau Hebben, sowie den Vorsitzenden des Museums-Fördervereins Peter Hohl und natürlich Dr. Cornelissen vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte als Gastredner.

Dialektproben

Der legte in seiner stets humorigen und kurzweiligen Vortragsweise los mit dem „erschreckenden“ Hinweis, dass er vier (!) Vorträge mitgebracht habe, von denen jeder eigentlich einen kompletten Nachmittag ausfüllen könnte. Es beruhigte schon ein wenig, dass er sich aber auf jeweils 20 Minuten beschränken wolle.

Bereits im 1. Vortrag „Dialektproben aus der Franzosenzeit“ stellte er am Textbeispiel des Gleichnisses vom verlorenen Sohn und mit vielen weiteren Details klar, dass es am Niederrhein keinen einheitlichen Dialekt gebe, dass zwischen Kleve und Köln teils erhebliche Unterschiede in vielen Wörtern und Ausdrücken bestünden.

Überregionale Bedeutung

Originale Tonaufnahmen jeweils nach den Vorträgen 1 und 2 mit betagten Sprechern aus Auwel-Holt und Keeken belegten zudem, dass das Platt vor vielen Jahren sich völlig anders anhörte und darstellte als unser Niederrhein-Dialekt heutzutage.

Das bekannte „Wor hör ek t’hüß“ von Theodor Bergmann – Tonaufnahme nach Vortrag 3 – werde in vielen Ortschaften gesungen, ist also, wie Peter Hohl ergänzend einwarf, ein Lied von überregionaler Bedeutung.

Der 2. Vortrag war dem „Niederrheinisch und Niederländisch damals“ vorbehalten. Hier führte Cornelissen aus, dass sich für einen Kölner beispielsweise unser Dialekt wie niederländisch anhöre, ein Holländer oder Niederländer hingegen unser Platt für „preußisch“ halte.

Er stellte mit etwas Bedauern fest, dass sich unser Dialekt im Laufe der Jahre immer mehr „verdeutscht“ habe und dieser Prozess wohl weitergehen werde, ohne jedoch den Status des Hochdeutschen zu erreichen.

Im 3. Vortrag kam Dr. Cornelissen auf „Französische Lehnwörter im niederrheinischen Platt“ zu sprechen. Wer habe noch nicht das Wort „prakesieren“ gehört oder von „Paraplüj“, das erstmalig 1786 im Schriftbereich zu finden war. Wichtig war natürlich die Erklärung, woher diese und weitere Wörter (trottoir, plesier, usw.) stammten, und da hatte Cornelissen eine verblüffende Erklärung parat: Ein Schulversuch, die französische Sprache einzuführen, sei „grandios in die Hose gegangen“, wurde schließlich beschränkt auf reiche Bauernsöhne, während sich der ärmere Rest der Bevölkerung mit niederländisch begnügte. Die Franzosenzeit fand bei uns ohne Franzosen statt, es gab fast nur Niederrheiner! Auch französische Soldaten habe es nicht bei uns gegeben. So bezeichnete Cornelissen den Text des französischen Präfekten Jordans (Krefeld, 1808) als reinen Blödsinn, der von „unweit von Krefeld stationierten Franzosen“ schrieb.

Anrüchiger Beigeschmack

Einen anrüchigen Beigeschmack erhielt fälschlicherweise das Wort „Fisimatenten“. Es habe nichts zu tun mit der Einladung „visitez ma tente“ (Kommen Sie in mein Zelt), sei aber gleichwohl für jede 10-Euro-Wette gut. „Und 5 Euro geben Sie dann an mich ab!“, fügte er zwinkernd hinzu.

Vortrag Nr. 4 trug den Titel „Preußen und das Platt“.

Seit dem Wiener Kongress 1815 wurde in Schulen niederländisch gelehrt, hauptsächlich ein Gebot der katholischen Kirche, den Katechismus gab es auf Niederländisch.

Dann beschlossen die Regierung in Düsseldorf und das Bistum Münster, dass in den Schulen Deutsch gelehrt werden solle.

An dieser Stelle bezeichnete Cornelissen sich selbst als „ein wenig agitatorisch“ und ereiferte sich wegen eines Lippenbekenntnisses, das er in einem Schreiben aus 1919 des preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung fand. Demnach solle „auch in den Schulen die heimische Mundart gebührende Berücksichtigung finden“ und „die Kenntnis des Plattdeutschen zu vertiefen“ sein.

Im Herzen Achterhoeker

Cornelissen outete sich in einem viel belachten Kommentar dazu als „zwar derzeitiger Rheinländer, aber mein Herz schlägt immer noch für den Achterhoek, wo ich die ersten zwei Jahre meines Lebens verbrachte“, und er ärgere sich deswegen, weil in Düsseldorf im Juni 2019 zum allerersten Mal ein Beirat für Niederdeutsche Sprache getagt habe – und „darin saßen ausschließlich Westfalen mit der größeren pressure group (Lobby), kein Niederrheiner ist gefragt worden. Wir haben historisch mehr zu bieten als die!“
Mit dem Hinweis auf die LVR-Homepage, die u.a. eine Sprachkarte mit Tonaufnahmen enthalte, schloss Cornelissen seine Vorträge.

Zum Abschied bedankte sich Ulrich Francken für die Ausführungen des engagierten Sprachforschers und wies auf den 6. und 27. Oktober hin, wenn im Gocher Kastell und im Adlersaal zu Nieukerk die kommenden Mundartnachmittage stattfänden. Für beide Veranstaltungen seien noch Karten zu haben.