Gemeinsam leben und feiern
Den ersten der Tische, den hatten Heike und Johannes Rath an diesem Morgen für das Foto schon mal fertig gedeckt. Später noch mit Kerzen, Servietten und weihnachtlichen Accessoires versehen, sollen es die Gäste an diesem Weihnachtstag gut haben, wenn sie im Mehrgenerationenhaus zu besinnlicher Weihnachtsmusik miteinander speisen und ins Gespräch kommen dürfen. Denn in diesem Jahr sollen Bedürftige der „Kevelaerer Tafel“ am Abend das erfahren, was für viele so selbstverständlich erscheint: ein schönes Weihnachtsessen in gemütlicher Runde.
Der Impuls, einen solchen Abend zu organisieren, entstand bei dem Ehepaar Rath und ihren Freunden im letzten Jahr. „Wir saßen da Heiligabend zusammen mit unserer polnischen Mieterin, weil die Kinder erst am 1. Weihnachtstag kommen“, erzählt Heike Rath. „Und da waren noch vier Rouladen übrig und ein paar Stühle frei“, ergänzt Stephan Beer. Daraus erfolgte der Gedanke, sowas mal zu machen. „Die Idee hatten wir schon lange“, erzählt die frühere Duisburgerin Heike Rath, die dort schon mal bei der Duisburger Tafel einmal pro Woche bei der Essensausgabe tätig war. Auch zu Heiligabend war sie mal da. „Das war eine schöne Feier“, erinnert sich die 58-Jährige.
Der Liebe zu ihrem Johannes wegen war sie dann nach Wuppertal gezogen. Seit gut zwei Jahren wohnen beide jetzt aber in Kevelaer – und wollten auch „im christlichen Sinne“ handeln und etwas bewegen, sagt ihr Mann. „Es gibt viele Menschen, die es nicht so gut haben wie wir und einsam zu Hause sitzen“, sagt Daniel Pannwitz-Beer, dem man die Freude darüber ansieht, an diesem Abend mithelfen zu dürfen. „Wir haben uns darüber gemeinsam unterhalten und es miteinander dann beschlossen. Wir wollen den Menschen hier ein Lächeln ins Gesicht zaubern.“
Jeder Mensch ist wertvoll
Bedürftigkeit habe nicht nur was mit den Finanzen zu tun, sondern auch mit Traurigkeit und sozialer Isolation. „Trotzdem ist jeder von ihnen ein wertvoller Mensch“, meint Pannwitz-Beer. Die Finanzierung des Projekts geschehe „auf wundersame Weise“, nennt das Ehepaar Rath diesen Abend „unsere Einladung an die Menschen“. Es sei so unwichtig, wer dafür geradestehe.
Im Anschluss daran stand dann die Frage, welchen Ort man dafür aussucht. Familie Rath, die in der evangelischen Kirche den Gottesdienst besucht, fragte nach, ob es hier eine Örtlichkeit gebe, wo man das realisieren kann. „Uwe Hoppmann vom Presbyterium war davon sofort begeistert, hat das dort in die Diskussion gebracht“, erzählt Johannes Rath. Und von dort kam dann das „Ja“ zu der Aktion.
Ein guter Partner für das Projekt
Eigentlich hatte man überlegt, selbst zu kochen, erzählt Stephan Beer. „Da kamen dann aber die ganzen Fragen, wie wir das kühlen sollen und die ganzen Auflagen. Da haben wir dann doch ‚kalte Füße‘ bekommen“, sagt Heike Rath. Nachdem man mehrere Caterer gefragt hatte, fand man mit der Klosterküche einen guten Partner für die Geschichte. Oft würden die „Tafel“-Bedürftigen nur als „Kunden“ gesehen. Das finde er „albern“, sagt Johannes Rath. „Das soll wie ein Fest unter Freunden und Bekannten hier sein. Wir freuen uns auf die bereichernde Vielfalt“, zitiert Johannes Rath sinngemäß den israelischen gelehrten Jonathan Sacks. „Eine Bereicherung ist es, mit Menschen zusammen zu sein, die anders sind als wir.“
Über das Weihnachtsessen hinaus richtet das Ehepaar Rath schon den Blick nach vorn. Das Weihnachtsessen zu einer Institution zu machen, das würden sie gerne verwirklichen. „Das muss aber nicht immer der gleiche Ort sein, das könnte man genauso gut auch mal in der Öffentlichen Begegnungsstätte oder der katholischen Kirche machen“, sind sich beide da einig.
Keine falschen Hoffnungen
Und beide wollen für Kevelaer eine Suppenküche etablieren. „Dafür brauchen wir aber noch Leute – die sich selbstverständlich bei uns persönlich melden können – ein Team und viele gute Ideen“, sagt Johannes Rath. Eventuell will man dazu im Januar oder Februar einen Arbeitskreis gründen „mit Leuten, die daran auch Spaß haben.“ Man wolle aber an dem Punkt nicht künstliche Hoffnungen schüren, die nachher nicht zu erfüllen sind.
Hanni Hentemann, Schriftführerin der Kevelaerer Tafel, freut sich über die besondere Aktion. „Diese Einladung finde ich klasse.“ Einige hätten schon verbindlich zugesagt – der Stand vor Heiligabend lag bei gut 20 Personen. „Einer sagte, er ist katholisch, da könne er nicht hingehen.“ Der Ort aber, so die Botschaft der Eheleute Rath, solle keine Rolle spielen. „Es soll sich keiner ausgeschlossen fühlen, nur weil wir ‚zufällig‘ in der evangelischen Gemeinde sind“, meint Heike Rath. „Leben und feiern“, das stehe im Mittelpunkt, sagt ihr Mann.