Gemeinsam Kevelaer voranbringen

Kevelaer. Etwas mehr als die Hälfte der aktuellen Ratsperiode ist vorbei. Das KB nimmt das zum Anlass, um die Vorsitzenden der Ratsfraktionen zu einem Rück- und Ausblick einzuladen. Den Auftakt macht Paul Schaffers, CDU.

KB: Herr Schaffers, in dieser Rats­periode hat die CDU erstmals keine eigene Mehrheit. Was hat das an der politischen Arbeit geändert?
Schaffers: Für uns ist das auch ein großer Vorteil: Die anderen Fraktionen mussten mitdenken, mitabstimmen und Entscheidungen mittragen. Die CDU könnte mit einem Partner Entscheidungen durchsetzen, aber gerade wichtige Dinge wollen wir auf ganz breite Mehrheiten stellen. Wir hätten auch grundsätzlich gegen alles stimmen können, dann wäre vieles wohl nicht umgesetzt worden. Das wollten wir nicht. Heute haben wir im Rat eine viel bessere Diskussionskultur als früher.

Sie stehen in der Politik eher für den unternehmerischen Ansatz, Ideen eine Chance zu geben, statt sie schon früh zu zerreden. Das kennt man aus Kevelaers Politik auch anders.
Ratsmitglieder sollten nicht nur kritisieren, sondern Ideen anschieben. Man kann immer noch gucken, was dabei herauskommt, bevor man entscheidet. Wenn man aber immer zuerst Einwände vorbringt, dann tragen Unternehmer ihr Geld in andere Kommunen.

Kevelaer ist unternehmerfeindlich?
Unternehmer werden in Kevelaer zu wenig gefördert. Was nutzen viele junge Leute? Wenn die keine Arbeit finden, sind sie weg. Wenn Sie einen Arzt nach Kevelaer holen wollen, hat oft auch dessen Partner einen gut bezahlten Job und möchte darin hier arbeiten können.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister?
Dominik Pichler macht gute Arbeit. Er kennt die Probleme Kevelaers, er kennt die Stadt. Landes- oder bundespolitisch kämen wir beide nie zusammen. Aber kommunal sind wir uns einig, dass es zuerst um die Frage geht: Was ist das Beste für Kevelaer? Da ist der Bürgermeister ganz pragmatisch und stimmt auch schon mal gegen seine Partei, die SPD. Auch in der Frage der stellvertretenden Bürgermeister hat er von sich aus den Kompromissversuch gestartet.

Da zeichnet sich aber keine Lösung ab.
Ich habe zu dem Thema alles gesagt. Ich vermisse die Toleranz, die man auch von mir erwartet. Vielleicht messen manche der Aufgabe – übrigens nur ein Ehrenamt – zuviel Gewicht bei. Man nimmt sich als Kommunalpolitiker leicht zu wichtig. Wenn ich auf der Straße Leute frage, glaube ich, dass 90 bis 95 Prozent mich nicht kennen.

Ist Kommunalpolitik für viele uninteressant?
Ich sage, wer in seiner Stadt etwas verändern will, soll in die Kommunalpolitik gehen, gerade junge Leute. Da ist mir auch egal, in welche demokratische Partei. Wir haben wieder in allen Ortsteilen junge Leute in der CDU, die dürfen ruhig noch ihre Freunde mitbringen. Wünschen würde ich mir noch mehr Unternehmer in der Politik, aber das kostet auch eine Menge Zeit.

Kommen wir zu den Sachthemen. Besonders scheint die CDU derzeit die OW1 zu beschäftigen.
Die Grundsteinlegung erfolgt, wenn keiner klagt, 2019. Da bin ich ganz sicher. Den von Verkehrsminister Wüst genannten Baubeginn 2018 halte ich aufgrund meiner Lebenserfahrung für etwas blauäugig. Aber er hat versichert, dass die 20 Millionen Euro fest eingeplant sind.

Stichwort Schulen und Kindergärten.
Wir müssen den gesamten Schulverband weiter aufbauen, das ist ganz wichtig. Überhaupt müssen wir das Schulzentrum modern halten. Der Wunsch der Schulen ist immer noch eine Aula – aber darüber können wir reden, wenn das Bühnenhaus voll ausgelastet ist. Bei den Kindergärten benötigen wir eine weitere Gruppe, aber das wird gemacht.

Ohne Wohnraum für junge Familien könnte der Bedarf aber bald rückläufig sein.
Neue Baugebiete sind wichtig, Kervenheim ist da auf einem guten Weg, auch in Twisteden und Wetten gibt es Pläne – das sollte mit der neuen Landesregierung einfacher werden. Auf der Hüls müssen wir darauf achten, dass dort bezahlbarer Wohnraum entsteht – nicht Sozialer Wohnungsbau, aber bezahlbar für junge Leute. Man muss eine Stadt im Gleichgewicht halten – nicht zu alt, nicht zu jung.

Wird derzeit zu viel auf die Stadtmitte geblickt?
Uns sind die Ortschaften sehr wichtig. In Twisteden muss sicherlich der Dorfplatz erneuert werden, der Brunnen ist stark beschädigt. In Winnekendonk müssen wir Ersatz schaffen für den Sportplatz an der Kevelaerer Straße. In Kervenheim müssen wir eine Lösung für die Footballer finden – wobei die auch einen Eigenanteil leisten müssen und nicht nur fordern können. Aber ohne eine funktionierende Stadtmitte geht es auch den Ortschaften schlecht.

Was ist das wichtigste Thema in der Stadtmitte?
Der Peter-Plümpe-Platz als wichtigster Platz Kevelaers. Den müssen wir zu einem Platz der Bürgerbegegnung ausbauen, vielleicht mit gastronomischer Bewirtschaftung an den Rändern, aber auf jeden Fall ohne großflächige Bebauung.

Ein zweites Verwaltungsgebäude wäre eine großflächige Bebauung.
Muss die Verwaltung denn unbedingt zurück in die Innenstadt? Vielleicht kann man das jetzige Gebäude am Hoogeweg kaufen oder weiter mieten. Außerdem hat die Stadt die Virginia-Satir-Schule gekauft.

Wo sollen die Autos hin – in eine Tiefgarage?
Ich glaube, eine Tiefgarage wird nicht kommen, die ist zu teuer. Außerdem hätten wir damit noch immer den ganzen Autoverkehr im Zentrum. Der Peter-Plümpe-Platz, wie wir ihn heute kennen, stammt aus einer Zeit, als das Auto alles beherrscht hat. Persönlich kann ich mir eine weitgehend verkehrsberuhigte Innenstadt gut vorstellen, mit Parkplätzen am Rand und beispielsweise einem Busverkehr ins Zentrum.

Eine Innenstadt ohne Autos ist attraktiver?
Wir müssen sehen, dass Leute in die Stadt kommen. Die wollen zum Beispiel gut essen, dann auch mal flanieren, was erleben. Aber allein zum Kaufen kriegt man die Leute nicht mehr in die Innenstadt. Wir müssen moderner werden im Bereich Cafés, Gastronomie. In einem „Café Extrablatt“ finden Sie vom 15- bis 80-Jährigen alle. Wenn man gute Ideen hat und vernünftig präsentiert, läuft das doch, siehe Lehmann, Stassen oder Marktcafé. Wenn Autos vor dem Tisch vorbeifahren, finde ich das eher störend.

Sie können aber nicht alle Leerstände mit Cafés füllen.
Viele Eigentümer der Geschäftshäuser leben nicht mehr in Kevelaer und ziehen nur Geld raus. Die merken nicht, dass sie was verändern müssen, damit Kevelaer und ihre Immobilie attraktiv bleiben.

Welche Rolle spielt die Wallfahrt?
Die Wallfahrt ist im Moment nicht mehr modern, es sind nicht mehr so viele Pilger in der Stadt wie früher. Vielleicht kommt das ja wieder, aber Kevelaer braucht in jedem Fall ein zweites Standbein.

Wäre da nicht ein Wellnesshotel auf der Hüls besser gewesen als ein Geschäftshotel?
Auch ein Geschäftshotel bringt Kevelaer etwas. Und es ist schon richtig, dass ein vernünftiges Wellnesshotel eine größere Fläche benötigt hätte.

Die Entwicklung auf der Hüls ist umstritten. Tut sich Kevelaer schwer mit Veränderungen?
Vor Jahren wurde mit Bildern von einem schiefen Rollator das Kopfsteinpflaster auf dem Kapellenplatz kritisiert. Jetzt wird der Platz überarbeitet und es heißt: „Das schöne Pflaster…“. Es wollen eigentlich alle etwas bewegen – Unternehmer, Politik, Kirche… – aber viele haben lange die Augen verschlossen. Als der Sonntagsverkauf für viele wegfiel, haben wir angeregt, den Samstagabend bis 22 Uhr zu nutzen. Das haben die Händler nicht gewollt. Als Rat kann ich den Rahmen festlegen. Aber mit Leben füllen müssen ihn die Bürger und Unternehmer.
Das Gespräch führten Rudolf Beerden und Björn Lohmann.