Für Frieden und Freiheit

Gegen viertel vor elf stiegen die Mitglieder des Theaterchores Niederrhein auf dem Parkplatz vor der Dreifachturnhalle in den dort parkenden Bus, der sie über die Grenze in das benachbarte Venray transportieren würde. Gut 40 Mitglieder des Chores hatten sich für diesen ganz besonderen Auftritt zusammengefunden. Den Kontakt zu den Veranstaltern der Feier hatte die Mitbegründerin des Chores und gebürtige Niederländerin Marloes Lammerts geknüpft. An einer Lichtung am „Kasteelplaats“ war ein großes Festzelt aufgebaut, vor dem der Bus hielt und wo die Chormitglieder unmittelbar aussteigen konnten. Dort wurden sie von Jos Gerritsen von der „Stichting Cultuurpodium Geijsteren“ herzlich begrüßt.

„Das ist ein einmaliges Erlebnis – 75 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges, wo Venray befreit worden ist. Heute sind überall Feierlichkeiten“ sagte Gerritsen. Er verwies auf den englischen Friedhof und die 33.000 deutschen Soldaten, die in Venray begraben sind. Inmitten des rot-weiß-gestreiften Zeltes waren drei übergroße Nationenflaggen – die niederländische, die britische und die deutsche Flagge – als Sinnbild der drei beteiligten Länder aufgehängt. Nach und nach kamen die Zuschauer in das Zelt. Vereinzelt waren tatsächlich Veteranen des Kriegs anwesend – darunter auch Soldaten aus Großbritannien – die entweder auf den Stühlen in der ersten Reihe Platz nahmen oder im Rollstuhl die fast dreieinhalbstündige Feier mitverfolgten.

Eine besondere Feier mit mehreren Nationen

Auch der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Kevelaer, Johann-Peter van Ballegooy, war gekommen, um an dieser historischen Feier teilzunehmen. „Dass wir als Deutsche mit den anderen Nationen zu dieser Feier eingeladen sind“, das sei das eigentlich Besondere, meinte er und schüttelte dem Ortsbürgermeister und dem Bürgermeister von Venray, Hans Gilissen, die Hand.

Der Ortsbürgermeister einträchtigmit Johann-Peter van Ballegooy für Kevelaer und dem Bürgermeister von Venray. Foto: AF

Im Backstagebereich trafen die diversen Chöre und Musiker ein und stärkten sich mit Tee, Kaffee und Brötchen – neben dem Theaterchor Niederrhein“ waren das noch das „Reünie Orkest Limburgse Jagers“, „The Stuart Singers“ aus dem britischen Minchinhampton und der „Kemmerekoor“ aus Geijsteren. Und Marloes Lammerts verriet bei einer Tasse Kaffee, wie es zu der besonderen Einladung gekommen war. „Jos Gerritsen hatte angerufen, weil er nach einem deutschen Chor suchte. Er hatte unsere ‚Freiheit‘-Konzertankündigung entdeckt.“ Zunächst wiegelte sie ab, weil es ein Konzert mitten in den Ferien sein sollte. Doch die Veranstalter ließen nicht locker – und es kamen tatsächlich genug Sänger und Sängerinnen zusammen.

Elmar Lehnen vermittelte dann den Kontakt zu Uli Wintberg, der als Ersatz für den eingespannten Tom Löwenthal dirigieren und Klavier spielen durfte. Der riet seinen Mitstreitern schlicht: „Lasst alles Negative weg, habt Spaß.“ Er gab entspannt die eine oder andere Anweisung und führte den Chor souverän durch seine Beiträge. „75 Jahre Frieden ist ein wichtiger Anlass“, meinte der Dirigent. Und Frans Overman von der „DiF´Ra Advies Groep“ als Mitgestalter des Tages machte klar: „Das hier ist wichtig, weil Singen zusammen verbindet und die Welt eins macht.“

Die „Koninklijk Sint Willibrordusgilde Geijsteren“ bildete mit Kapellenmusik und zwei Fahnenschwenkern beim Einmarsch den Auftakt der Feier, die von Cynthia van Lijf dreisprachig – in englisch, niederländisch und deutsch – moderiert wurde. „Wir befinden uns auf historischem Boden“, machte sie deutlich. „Vor genau 75 Jahren verlief genau auf dieser Wiese die Frontlinie der Kämpfe. Im Schloss waren deutsche Truppen, auf die geschossen wurde von der Straße hinter uns.“ An diesem Tag „ehren wir alle diese oft jungen Menschen, die auf beiden Seiten gefallen sind. Die drei Chöre und das Militärorchester repräsentieren die drei Länder.“

Vertrauen in Gott und der Heimkehrwunsch

Es gehe aber um „mehr als eine Hommage an die Verstorbenen, denn wir wollen auch gemeinsam unsere Freiheit feiern. Denn hier in Westeuropa leben wir jetzt 75 Jahre in relativer Freiheit, auch wenn es Bedrohungen wie kalten Krieg oder Terrorismus gibt.“ Und dementsprechend würdevoll abwechslungsreich und ergreifend verlief das Programm. Sehr getragen waren die Beiträge des ersten Blocks, der vom Vertrauen in Gott und dem Wunsch, nach Hause zurückzukehren, handelte. Der Theaterchor trug dazu mit „Homeward Bound“ und der Solistin Bärbel Rolf bei.

Das Publikum war begeistert. Foto: AF

Im zweiten Block ging es um Einheit, die Sehnsucht nach Frieden und die Erinnerung, die nicht enden darf – ihren Ausdruck findend in „Ich will nicht vergessen“ mit Marloes Lammerts als Solostimme für das Kevelaerer Ensemble. Die anderen Ensembles sorgten für einen beeindruckenden Beitrag nach dem anderen – ob „Verleih uns Frieden“ vom Kemmerekoor, „One“ von „The Stuart Singers“ oder dem wirklich zu Herzen gehenden „En Aranjuez con tu amor“ mit Trompetensolo.

Richtig gut passten auch die beiden Theaterchor-Lieder „Alles oder nichts“, das die Befreiung von den „Ketten“ beschwor, und „Das Lied der Moldau“, wo von „den hiesigen Plänen der Mächtigen, die zum Halt kommen“, die Rede ist.

Bis heute ein berührender Augenblick

Und nach der Pause sorgten die Kevelaerer Sänger mit „Frei und schwerelos“ und „Don‘t stop me now“ von Queen für frischen Wind im weiten Rund und erhielten dafür viel Applaus – passend zu der feierlich-fröhlichen Grundstimmung des zweiten Teils. Und wer in die sentimental-schimmernden Augen alter Soldaten bei der „Glenn Miller Parade“ des Limburger Orchesters gesehen hat, der verstand, wie berührend für diese Menschen der versöhnliche Augenblick bis heute ist. 

Gemeinsam sangen alle dann „Vera Lynn forever“ – und als Johannes Stammen für den Theaterchor „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen intonierte, hielten sich alle Menschen im Zelt bei den Händen und sangen mit – ein Gänsehautmoment für alle.

Und als alle Chöre mit den Taschentüchern zum Abschied winkten, war allen bewusst, dass sie ein bedeutendes, besonderes Erlebnis miteinander hatten feiern dürfen. Hinter der Bühne beglückwünschten sich alle Chöre gegenseitig zu ihren wunderbaren Gesängen und verabschiedeten sich voneinander. So einfach kann es sein, in Frieden vereint zu sein. 

Eine Fotogalerie zur Veranstaltung finden Sie hier.