Für den Ernstfall gerüstet

Als das Pferd auf dem Feld stand, gab Lutz Hauch schon erste Anweisungen. „Den Halfter müsst ihr vorne so anlegen“, zeigte er den um ihn herum versammelten Rettern, wie das fachmännisch am besten zu bewerkstelligen ist.
Danach überprüfte er, wie die Teilnehmer den Schweif des „Tieres“ zusammenflochten: „Das ist aber nur für die Ästhetik und die Erheiterung“, meinte der erfahrene Aldenhovener Seminarleiter lächelnd.
Zwei Einsatzfahrzeuge, ein Feuerwehr-Kran und zahlreiche Hilfsutensilien bildeten den Rahmen des Übungstages an der Binnenheide, zu dem die Kevelaerer Feuerwehr insgesamt 21 Mitglieder aus den bestehenden fünf Löschzügen hatte gewinnen können.
Aufmerksam verfolgten die beiden stellvertretenden Wehrleiter Klaus Geerissen und Heinz Tepest die Lernfortschritte ihrer Kollegen. „Wir hatten vor Jahren mal mehrere Einsätze dieser Art – einmal ein Pferd in Schravelen und einmal ein Rind in Wetten. Dabei haben wir festgestellt, dass wir da viel zu wenig drauf vorbereitet sind“, führte Geerissen aus,
Tepest hatte noch das Video bereit, das den schwierigen Versuch zeigte, das Pferd aus tiefem Morast herauszuholen. „Das hat seine Zeit gebraucht – und es waren wenige dabei, die den Umgang mit dem Tier gewohnt waren“, beschrieb Geerissen die Situation. Da man im ländlichen Raum immer mit so einer Situation rechnen müsse, habe man sich dazu entschieden, nach einem Experten Ausschau zu halten, so Geerissen.
Dabei sei man auf Lutz Hauch und seine Firma „com cavalo“ gestoßen, staunte er über die Ausrüstungsgegenstände wie die Gurte, die man unter das Pferd ziehen konnte oder die Schleifplatten, die als rutschfester Untergrund für das zu rettende Tier nutzbar sind. „Das haben wir so gar nicht“, zeigte er sich jedoch zuversichtlich, diese Anschaffungen aus dem eigenen Etat noch zu machen.
„Großretter“
Hauch ist der bundesweit einzige zertifizierte „Großretter mit Feuerwehrerfahrung“. „In Großbritannien existiert so ein Konzept zur Rettung schon seit 20 Jahren“, erläuterte er. Es sei wichtig, sich dem Thema so praktisch zu nähern. „Denn Pferde in Notsituationen zeigen andere Verhaltensweisen als unter normalen Umständen.“
Am frühen Morgen hatte das Training mit einem zweistündigen Seminar in den Räumen des Löschzuges Winnekendonk begonnen. Hauch vermittelte in diesen zwei Stunden, wie sich die Tiere in Stressituationen verhalten und was sie wahrnehmen. Daraus ableitend erläuterte der Experte, wie man sich am besten im Einsatz verhält und zeigte dazu Einsatzvideos. Dort konnte man sehen, wie ungeschulte Rettungskräfte versuchten, einem hilflos im Graben liegenden, mit den Beinen rudernden Pferd nahezukommen.
Im Anschluss an das Kompaktseminar fuhr die 21-köpfige Gruppe dann auf die Wiese nahe dem „Binnenheide“-Café, wo bereits das 200 Kilo schwere Pferdedummy „Sam“ auf die Teilnehmer wartete. Dort zeigte Hauch den Teilnehmern dann ganz praktisch, wie man ein Notfallhalfter am Kopf anlegt und wie man am intelligentesten die Spezialgurte einfädelt, um sie unter das Tier zu bewegen. „Das Seil kommt unter die Flanken des Pferdes“, machte er die Helfer auf die Details aufmerksam. „Ihr müsst da die Seile nicht kreuzen, sonst schleift ihr das Tier über den Boden. Und ihr könnt auch den langen Haken als Verlängerung der Arme benutzen.“
Zum Abschluss wurden einige realistische Übungsszenarien durchgespielt – so zum Beispiel, wie man mit Hilfe von Platten das Dummypferd aus einem morastigen Bachlauf retten kann. Vom „Arzt“ über den „Gruppenleiter“ bis zu den „Rettern selbst“ wurde die jeweils elfköpfige Gruppe zusammengesetzt. Mit großer Sorgfalt und Ruhe gingen die Männer dabei vor. „Wenn ich einen Tierarzt hätte, der so palavert, hätte ich den in die Tasche gesteckt“, lautete Hauchs einzige Kritik danach. Denn auch Ruhe sei an der Unfallstelle wichtig.
Ungewohnt
Die Feuerwehrleute begrüßten die Übung. „Es fühlt sich gut an, aber es ist ungewohnt“, gab der Wettener Clemens Hamans zu. „Es ist wichtig, sich vorher eine gute Taktik zu überlegen, ruhig zu bleiben und klare Kommandos zu geben“, bestätigte auch der Winnekendonker Michael Muley, dass ihm der Tag etwas gebracht hat.