Für Christus gefangen

Nach Kevelaer kommen bekanntlich oft hohe Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens. Am vergangenen Wochenende war nun der albanische Kardinal Ernest Simoni-Troshani zu Gast, der mit seinen 89 Jahren einer der letzten Überlebenden des kommunistischen Schreckensregimes in Albanien ist und der durch seine unbeirrbare Treue zum Glauben als lebender Märtyrer gelten kann. Mehrmals war er zum Tod verurteilt, aber immer wieder begnadigt worden. Viele Jahre verbrachte er als Priester im Gefängnis und unter Zwangsarbeit.
Am Wochenende gab er Zeugnis über sein bewegtes Leben. Die Medjugorje Gebetsvereinigung Regina Pacis Kevelaer hatte ihn eingeladen anlässlich ihres neunten Medjugorje-Pilgertages in Kevelaer. Im Forum Pax Christi gab es neben seinem Zeugnis Gebet, Anbetung und Lobpreis durch die Gemeinschaft Totus Tuus. Zudem war Kardinal Simoni Hauptzelebrant der Abendmesse am Samstag und des Pontifikalamtes am Sonntag. Pater Frano Dushaj aus Montenegro stellte ihm Fragen über sein Leben und seinen Glauben und übersetzte alles ins Deutsche. Das Lebenszeugnis des albanischen Kardinals beeindruckte zutiefst.
Dreimal gab es Gelegenheit, die Lebensgeschichte dieses großen albanischen Geistlichen zu hören. Im Gespräch mit Pater Frano erzählte er, dass er schon mit vier Jahren den Wunsch verspürt hatte, Priester zu werden. Bereits mit zehn Jahren trat er dem Franziskanerorden bei. Schule und Studium absolvierte er bei Franziskanern, die ihm die Liebe zu Gott beibrachten und bereit waren, inmitten des atheistischen Regimes für ihren Glauben zu sterben und Märtyrer und Heilige zu werden. „Was ich bin, habe ich ihnen zu verdanken!“, bekannte er. Nachdem seine Professoren und Patres verhaftet, gefoltert und ermordet worden waren, wurden auch er und seine Mitstudenten mit Gewalt aus dem Kloster vertrieben und in ein abgelegenes Dorf gebracht. 1951, als Stalin durch ein Dekret forderte, dass die Kirche in Albanien nur überleben darf, wenn sie sich von Rom trenne, war er mit seinen Mitbrüdern eher bereit, in den Tod zu gehen als sich von Rom zu trennen. Heimlich studierte er im Untergrund weiter und wurde 1956 zum Priester geweiht.
Unbeirrbar im Glauben
Das Volk hielt zu dem jungen Priester und kam in Scharen zur Hl. Messe und zu den Sakramenten. Dies war der Regierung, die allen Glauben ausmerzen wollte, ein Dorn im Auge und ein Grund, ihn zu verhaften. Am Heiligabend 1963 wurde er nach der Hl. Messe von der Regierung als „Lügner“ und „gefährlicher Mensch“ festgenommen und zum Tod verurteilt. Drei Gründe wurden dafür genannt. Zum einen, weil er dem Volk gesagt habe, man müsse bereit sein, für Christus sein Leben zu opfern; zweitens, weil er für den getöteten John F. Kennedy eine Messe gehalten habe, obwohl der Westen als Feind des Kommunismus gilt und drittens, weil er sich als Exorzist betätigt habe. Sein Bischof habe ihm voraussehend noch die Worte mitgegeben: „Bete und schweige. Es kommen schwere Zeiten für die Kirche. Aber auch in schweren Zeiten schenkt uns Jesus sein Licht.“ Er wurde gefoltert und sah oft dem Tod ins Auge, doch zugleich wusste er: „Die Hand Gottes hat mich nicht verlassen.“
Im Gefängnis wurde er über einen ehemaligen Freund ausspioniert, der ihn zur Kritik am Diktator und am Regime verleiten wollte. Da dies jedoch gründlich misslang und er auch in ungerechter Gefangenschaft betonte, dass man nach dem Beispiel Jesu verzeihen, seine Feinde lieben und das Gute in jedem Menschen sehen müsse, wurde er begnadigt, aber zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Selbst im Gefängnis lebte er seine Priesterrolle weiter. Mit Weintrauben, die ihm Besucher brachten, und Brotkrümeln feierte er mit den anderen Mitgefangenen auf Lateinisch und auswendig die hl. Messe und erlebte, wie Jesus so zu den Gefangenen verschiedener Religion und Kultur kam und sie vereinte. Nach seiner Entlassung musste er noch zehn Jahre jede Nacht das Wasser der Kanalisation reinigen, doch selbst diese Arbeit nutzte er, um von Haus zu Haus heimlich für Christus zu werben.
Erst nach dem Sturz des kommunistischen Regimes kam er im Jahr 1990 endgültig frei und durfte seinen Glauben offen und frei leben. Spät wurde ihm dann doch auch von seinem Land Albanien, dessen frühere Regenten ihn mehrmals zum Tod verurteilt hatte, Ehre zuteil: Er erhielt zweimal den höchsten Preis des Landes – eine Ehre, die er als Geschenk Gottes und Zeichen des Sieges Gottes sieht. Papst Franziskus lernte den mutigen Bekenner im Jahr 2014 persönlich kennen und verlieh ihm, sichtlich bewegt über seine Standhaftigkeit im Glauben, 2016 die Kardinalswürde.
In Kevelaer gab er, gefragt über die Zukunft der Kirche, allen Gläubigen den Rat, unbeirrt an Christus festzuhalten, der Weg, Wahrheit und Leben sei, Gott und der Kirche treu zu sein und daran zu glauben, dass der Heilige Geist in der Not uns beistehe und man so keine Angst vor der Zukunft haben müsse.
Ungeachtet seines hohen Alters nahm der Kardinal auch an der abendlichen Lichterprozession teil und segnete viele Gläubige am Ende persönlich. Nach dem Pontikalamt am Sonntag spendete er vor dem Pilgerportal den Päpstlichen Ablasssegen. Er beeindruckte in Kevelaer durch die demütige Bescheidenheit seines Auftretens, die geistige und körperliche Rüstigkeit trotz seines hohen Alters und durch seine große Botschaft der Feindesliebe. Ein Zeuge meinte: „Dieser Kardinal ist ein lebendiger Märtyrer und Heiliger! Er predigte Liebe und Vergebung, obwohl er viele Jahre lang täglich dem Tod ins Auge sah. Ich verneige mich vor dieser Lebenseinstellung!“