Prof. Große Kracht spricht über sexuellen Missbrauch im Bistum Münster

Forderung nach Grundrechten für Gläubige in der Kirche

Prof. Dr. Klaus Große Kracht spricht über Studienergebnisse zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster. Foto: Bistum Münster

Um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche zu vermeiden, könnten im Kirchenrecht verbriefte Grundrechte der Gläubigen hilfreich sein. Das hat Prof. Dr. Klaus Große Kracht kürzlich in Münster betont. Auf der gemeinsamen Sitzung des Kirchensteuerrates und des Diözesanrates des Bistums Münster informierte der Historiker über die strukturellen Ursachen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche, die sich aus der im Juni veröffentlichten Studie (das KB berichtete) für das Bistum Münster ableiten lassen. Große Kracht ist einer der Autoren der Studie.

Für den Historiker liegt eine zentrale strukturelle Ursache des sexuellen Missbrauchs in der Kirche in einem System der „organisierten Unverantwortlichkeit“. In der Vergangenheit sei in der Kirche, wenn überhaupt, nur verdeckt über sexuellen Missbrauch gesprochen worden, „und es war unklar, wer die Verantwortung der Intervention hatte“, sagte Große Kracht. Er warb für klare Verantwortlichkeiten und für eine externe, unabhängige Kontrolle: „Auch braucht es mehr Bürokratie im Sinne einer professionellen Aktenführung, Unterschriften-Regelungen und Übergabeprotokolle. Bürokratie verhindert Korruption.“ 

Große Kracht machte zudem deutlich, dass es in der Vergangenheit das Hauptziel kirchlicher Verantwortungsträger gewesen sei, Tätern die Fortführung ihrer priesterlichen Existenz zu ermöglichen. „Der Schutz des Sakramentes stand vor dem Schutz der Gläubigen“, sagte er. 

Unterschiedliche Tätertypen in den Blick nehmen

Als weitere Ursachen sexuellen Missbrauchs benannte er einen Klerikalismus, der dem Priester stets unkritisch als Respektsperson begegnet sei, das Autoritätsgefälle zwischen Priestern und Laien, die katholische Sexualmoral und kirchliche Kindheitsvorstellungen. Der Historiker sprach sich dafür aus, in der Präventionsarbeit nicht nur auf pädophil veranlagte Täter zu schauen, also auf Täter, deren primäres sexuelles Interesse Kindern vor der Pubertät gilt. Stattdessen müsse auch der „regressive Tätertyp“ beachtet werden. Dieser Tätertyp befriedige seine sexuellen Bedürfnisse mit Kindern, weil diese ihm unterlegen sind und keine Bedrohung für sein Selbstwertgefühl darstellen, so Große Kracht. Ebenso müsse der „pastorale Tätertyp“ in den Blick genommen werden. Diesen beschrieb der Historiker dahingehend, dass Priester Jugendliche in pastoralen Bezügen von sich abhängig machten, weil es in Kirche und Seelsorge „asymmetrische Machtkonstellationen“ gebe. 

Schließlich unterstrich Große Kracht auch die Notwendigkeit, Kinder zu selbstbewussten Personen zu erziehen, sie stark zu machen und ihnen zu vermitteln, dass sie auch „Nein“ sagen dürfen.