Faszinierender „Jedermann“

Das Hohenloher Figurentheater ist seit Jahren fester Bestandteil der Erwachsenen-Puppenspiel-Serie „18+“, die in der Öffentlichen Begegnungsstätte regelmäßig für faszinierende Abende sorgt. Das Repertoire des Ehepaars Johanna und Harald Sperlich bietet hochanspruchsvolle Stoffe wie „Der Besuch der alten Dame“ von Dürrenmatt oder „Faust“ von Goethe.
Auch diesmal wartete das erfahrene Puppenspiel-Duo zum Auftakt der Reihe mit einem Klassiker der Weltliteratur auf – dem „Jedermann“ nach Hugo von Hoffmannsthal. Mit der Idee sei man schon längere Zeit „schwanger“ gegangen , erklärte Johanna Sperlich kurz vor dem Auftritt. „Dann haben wir gute Puppenbildner gefunden und gesagt: jetzt packen wir´s.“
Die große Torbogenkulisse bot dabei ausreichenden Spielraum und den angemessenen mittelalterlichen Rahmen für das Spiel der Eheleute, die dann der Geschichte vom Wahn des Menschen, sein Lebensglück in Geld, Macht und Genusssucht zu suchen, Tiefe und Leben einhauchten.
Den „Jedermann“ kümmert nicht, ob an seiner Tür eine Person anklopft, die in ihrer Not um Hilfe bittet. „Da ist kein Ding zu hoch noch fest, das sich mit Geld nicht kaufen lässt“, kümmert er sich lieber darum, Nichtigkeiten zu erwerben, in Gesellschaft zu feiern oder mit seiner Buhle angenehme Stunden zu verbringen – bis der Tod vorbeikommt, um ihm klarzumachen, dass der Mensch eine winzige Kreatur ist, die aus dem Staub kommt und wieder zu Staub zerfällt. „Jetzt geht´s zu Gottes Thron. Dort empfängst Du Deinen Lohn“, kündigt der Tod ihm an.
Nach und nach wenden sich alle vom „Jedermann“ ab, selbst sein „Mammon“ weist ihn ab. In seiner Panik und Verzweiflung wendet er sich an die „Werke“ und den „Glauben“, um zu bekunden, dass er sich ändern und läutern möchte. So kommt der Teufel zu spät, der des Jedermanns Seele mit sich nehmen will – und der tritt gereinigt vor seinen Schöpfer.
Großartige Figuren
Bei der Aufführung faszinierten nicht nur die großartig von Barbara und Günter Weinhold gefertigten Figuren, die den Gesichtern und den Personen des Stücks Charakter und Ausdruck verliehen – so wie der machtvoll erscheinende „Tod“ und der wie ein lebensgroßer Goldbuddha erscheinende „Mammon“.
Es waren vor allem die beiden Puppenspieler, die das Kunststück vollbrachten, zum Teil mehrere Figuren und Szenen gleichzeitig in die Hand zu nehmen, die sehr komplexe mittelalterliche Sprache des Stückes vorzutragen und dabei die diversen Szenen so intensiv in ihrer eigenen Mimik mitzuleben.
Dazu kamen originelle Ideen zur Umsetzung des Stoffes – ob nun das spektakuläre Aufflackern einer Höllenflamme, das Schattenspiel des Armen und dessen Frau auf beiden Seiten des Torflügels, die Inszenierung der Feiergesellschaft oder die plötzliche Masken-Alterung des noch jungenhaften „Jedermann“ mit dem Auftauchen des Todes.
Der Lohn für 70 Minuten intensives Spiel war ein minutenlanger Applaus, den die beiden Akteure mit Dank und viel Lob für das aufmerksame Kevelaerer Publikum beantworteten. Und es bewies sich erneut, was die Kevelaererin Heide Müllenmeister vor dem Stück zu der Qualität der Reihe gesagt hatte: „Die Aufführungen hier kann man teilweise mit richtigen Theateraufführungen vergleichen.“