Experiment zum Glücklichsein

Es ist ein Montagmorgen im Dezember. Es regnet in Kevelaer. Ich, 51 Jahre alt, Mutter zweier erwachsener Töchter, verwitwet, seit anderthalb Jahren mit Katze allein lebend, werde heute ein Experiment durchführen: Ich werde versuchen, ein wenig „Glücklichsein“ zu finden.

Denn sie ist da, diese Leere, die mich manchmal umgibt. Dieses „War-das-schon-alles“-Gefühl, dieses oft scheinbar grundlose Schlechte-Laune-Haben. Dieses „Weigern“ des Körpers, bestimmte Dinge immer und immer wieder hinzunehmen, den Alltag durchzustehen, so- dass er reagiert mit Kopfschmerzen, Magenschmerzen und einem Kloß im Hals, der dir sagt, dass du nicht immer alles im Leben hinunterschlucken kannst.

Viele Ratgeber, die ich gelesen habe, sagen mir, ich soll meine Gedanken verändern. Denn nur die Gedanken zu den Situationen im Leben erzeugen gute oder schlechte Gefühle. Und das will ich heute ausprobieren. Ich habe mir vorgenommen, den ganzen Montag zu versuchen, alle negativen Gedanken direkt im Kopf „umzuprogrammieren“ ins Positive. Los geht’s also.

Ich wache etwas entnervt auf, weil meine Katze um meinen Kopf kreist und ihr heiseres „Miau“ in mein Ohr haucht. Sie hat Hunger und will, dass ich aufstehe. Na gut, ist ja schon 7.15 Uhr. Ich freue mich, dass ich ein so pfiffiges Haustier habe. Die Mieze kriegt ihr Futter und ich meinen Kaffee, der heute besonders gut schmeckt. Nachdem ich ein bisschen aufgeräumt und mich fertiggemacht habe, gehe ich heute in die Stadt. Ich muss einen neuen Personalausweis beantragen und vorher Fotos machen lassen. Ich laufe mit dem Regenschirm los und stelle fest, dass die meisten Menschen, die mir entgegenkommen, einen ziemlich unfreundlichen Gesichtsausdruck haben. Und dann nehme ich allen Mut zusammen und beginne mit dem Experiment: Ich lächle jeden Menschen an …

Und siehe da, es kommt manchmal ein Lächeln zurück. Zaghaft, wie eine Blume, die sich im Frühling durch die harte Erde bohrt, so lächeln einige der Passanten mich an. Im Fotoladen scherze ich mit dem Inhaber, es ist ein lustiges Gespräch und ich erfreue mich daran. Auch in der Wartezone bei der Stadtverwaltung merke ich, dass viele Menschen sich freuen, wenn man sie anspricht. Die alte Dame zum Beispiel, die mit mir wartet und sich angeregt mit mir unterhält. Auch die Sachbearbeiterin bei der Stadtverwaltung ist sehr nett und zuvorkommend und einem Späßchen nicht abgeneigt.

Ich stelle fest, dass ich nicht einen negativen Gedanken hatte während dieses Stadtgangs. Nachdenklich, aber auch voll mit positiven Eindrücken gehe ich gegen Mittag wieder nach Hause und ziehe das Fazit, dass etwas Wahres daran ist, dass man seine Gedanken und damit auch seine Gefühle beeinflussen kann. Wer mit einem Lächeln im Herzen unter die Menschen geht, sie anlächelt, ein liebes Wort für sie hat, einfach nur ein bisschen Liebe ausstrahlt, der wird belohnt. Nicht immer, aber es wird immer öfter passieren, je mehr man von dieser Liebe verschenkt.

Auch ich habe an diesem Montagmorgen gelernt, dass es gar nicht so schwer ist, aus der Alltagsroutine einmal auszubrechen und ein bisschen Sonne in den Tag zu bringen. Es werden nicht alle Probleme im Leben dadurch gelöst. Aber wenn man was tut, und nicht nur abwartet, ist das tatsächlich ein guter Anfang. Und es gibt einem Mut, auch andere Baustellen in seinem Leben in Angriff zu nehmen.

Also lächeln Sie mal, wenn Sie unterwegs sind. Es kostet nichts und ist eines der schönsten Dinge, die Sie verschenken können.