„Es ist fünf vor zwölf“

Gelassen-konzentriert blickt Wilhelmine „Pip“ Verhofstadt auf die Noten und weist die vor ihr sitzenden18 MusikerInnen nochmal an. „Nochmal bitte ab Takt 29“ , sagte die niederländische Dirigentin an – und schon hört man ein harmonisches Zusammenspiel von Klarinetten, Trompeten, Posaunen, Tubas und Schlagzeugern bei „Yesterday“.

In dem Versammlungsraum hinter der Grundschule proben die Musiker des Wettener Musikvereins ein „Beatles“-Medley für ein ganz besonderes Event: das Konzert in Venray am 19. April. Dann wird der Musikverein anlässlich der Feierlichkeiten zum 75-jährigen Jubiläum der Befreiung und dem Ende des Krieges im Jahr 1945 aufspielen – zusammen mit weiteren Musikgruppen.

„Der Kontakt zu den Holländern ist beim Wettener Weinfest entstanden, da haben wir uns miteinander ausgetauscht“, erzählt Klemens Marten. Er ist seit 43 Jahren im Orchester. „Der Zusammenhalt hier ist einfach klasse, und das gemütliche Beisammensein ist einfach nur schön“, beschreibt er, was das Besondere des Musikvereins ist. Marten kennt noch die Zeiten, als das Orchester mit 40 und mehr Mitgliedern gesegnet war und so richtig „fette Sachen“ spielen konnte. „In einer großen Gruppe kann man anspruchsvollere Stücke spiele als nur „Alte Kameraden“, meint er mit einem Schmunzeln.

Und auch wenn 18 Anwesende in dem Raum viel erscheinen – tatsächlich ist es aktuell so, dass es in dem Musikverein in Sachen Mitglieder „fünf vor zwölf“ ist , meint er. Denn der Nachwuchs bleibt dort leider aus. Manche machen Abitur, fangen dann an zu studieren und sind dann nicht mehr da. Viele Jugendliche sind nicht mehr so in den Maße bereit, regelmäßig zu kommen und soviel Zeit in ein Hobby zu investieren.“ Und bis man die ganz Jungen soweit hat, dauert das auch seine Zeit, meint der Musiker aus Geldern. Aus diesem Grund hat der Musikverein entschieden, zunächst mal nur die Veranstaltungen musikalisch zu „versorgen“, die in der Ortschaft selbst liegen. Venray ist eine Ausnahme. Und man hat nach dem Motto „Fünf vor 12“ in dem Umfeld des Chores, in und um die Ortschaft herum einen Aufruf gestartet, um ehemalige Musiker und neue Interessierte für die Arbeit des Vereins zu gewinnen.

Eine erste Resonanz sei schon zu verzeichnen. „Einige Ehemalige werden für Sachen, die im Dorf auf der Straße laufen, kommen.“ Un Interessenten gebe es auch: „Das sind aber kleine Kinder, die mal reinschnuppern wollen. Das wäre Nachwuchs.“ Die akute Krise kläre das aber nicht. „Um dauerhaft lebensfähig zu sein, „brauchen wir noch mindestens fünf bis sieben zusätzliche Leute.“

Darauf setzt auch „Pip“ Verhofstadt, die natürlich auch wahrgenommen hat, das weniger kommen. „Die Qualität hier ist da, aber nur mit sechs Leuten spielen, das geht nicht“, überspitzt sie bewußt.

Denn auch wenn es so extrem schlimm noch nicht ist, sieht sie auch den Bedarf, neue Musiker zu bekommen. „Es frustriert, wenn man nicht spielen kann, was ginge. Und es wäre für das Dorf wichtig, mit Weihnachten und dem Jahreskonzert, dass das belebt wird.“ Sie habe persönlich mit der Gruppe viel Spaß. „Und wir haben ein paar sehr gute Musiker, die hier sehr viel Leidenschaft beweisen“, machte sie deutlich.

Dass es weitergeht, darauf hofft auch Guido Kösters. „Mein Vater war fast über 70 Jahre gier, das färbt ab“, meint der 47-Jährige, der schon seit dem 12. Lebensjahr beim Musikverein die Trommeln bedient. Hoffnung machen könnten neue Gesichter wie Tobias Aymanns, der an diesem Abend mit seiner Trompete mal gekommen war. „Das ist für mich mal der Versuch, ins Trompetenspiel wieder rein zu kommen.“