„Es fehlt ein Plan in Kevelaer“

Mit der Frauenquote klappt es mangels Kandidatinnen nicht so gut, dafür immerhin mit der Doppelspitze: Eben erst haben Kevelaers Grüne den turnusgemäßen Wechsel im Amt des Fraktionssprechers vollzogen. Das Kevelaerer Blatt befragte Wolfgang Röhr und seinen Nachfolger Ulrich Hünerbein-Ahlers zu aktuellen und kommenden Entwicklungen.

Kevelaerer Blatt: Herr Röhr, die Grünen haben vor zweieinhalb Jahren eine Wahlempfehlung für den Bürgermeisterkandidaten Dominik Pichler ausgesprochen. War es die richtige Entscheidung?
Wolfgang Röhr: Ja. Wir haben den Bürgermeister mit aufgestellt und wir haben ihn seitdem in vielen Dingen unterstützt.

Beispielsweise?
Röhr: Das Integrierte Handlungskonzept war bislang mit das wichtigste Thema. Es ermöglicht die Veränderung Kevelaers. Wir haben dazu versucht, einen Planungsdezernenten nach Kevelaer zu bekommen, der Kompetenz und Einfluss in der Verwaltung hätte. Das ist uns leider nicht gelungen. Immerhin haben wir eine Verstärkung für die Stadtplanung bekommen.

Wie steht es denn um die Stadt?
Röhr: Der Leerstand der Ladenlokale macht uns Sorge. Es ist wichtig, die Innenstadt zu vermarkten – wir haben ja was zu zeigen! In der Vergangenheit haben wir in vielen Dingen nichts gemacht. Das haben andere Städte besser hingekriegt.

Wie ginge es besser?
Röhr: Wir haben einen Konflikt: Einerseits brauchen wir Parkplätze, denn es kommt keiner, der nicht parken kann. Andererseits brauchen wir Plätze mit Aufenthaltsqualität, denn wenn die nicht stimmt, kommt auch keiner.

Sie spielen an auf die Idee einer Tiefgarage unter dem Peter-Plümpe-Platz.
Röhr: Man muss mutig sein, nachdenken über eine Tiefgarage, eine Sperrung der Innenstadt und andere Dinge. Ob das alles dann kommt, ist eine andere Frage.

Seien Sie mal mutig.
Röhr: Mein Traum wäre eine Tiefgarage unter dem Peter-Plümpe-Platz, ein Tunnel von der Bahnschranke bis hinters Klarissenkloster mit einem Abzweig in die Tiefgarage. Ich weiß aber, dass das nicht machbar ist, weil es nicht finanzierbar ist.

Auch die bloße Tiefgarage halten manche für nicht machbar.
Röhr: Weil das vor langer Zeit schon mal gesagt wurde. Wir haben heute eine ganz andere Verzinsung, ganz andere bauliche Möglichkeiten. Die gesamten Tiefgaragen am Niederrhein stehen im Grundwasser.
Hünerbein-Ahlers: Ich mag den Spruch: Alle sagten, das geht nicht. Bis einer kam, der das nicht wusste und es gemacht hat. Man sollte erst einmal den Gedanken freien Lauf lassen und das Ergebnis dann auf das Machbare eindampfen.

Mit Tiefgarage bleibt der Pkw-Verkehr im Zentrum.
Röhr: Der fährt ja nicht nur zum Peter-Plümpe-Platz. Auch der Parkplatz am Kaufcenter wird viel befahren. Der Verkehr ist ein eigenständiges Problem, deshalb haben wir auch ein Verkehrskonzept beauftragt.

Was soll denn oberirdisch mit dem Peter-Plümpe-Platz geschehen?
Röhr: Wir Grünen halten einen Wettbewerb zur Gestaltung des Peter-Plümpe-Platzes für die beste Lösung. Vorstellen könnten wir uns den Bau eines Querriegels mit Multifunktionsnutzung – als Markthalle, als Konzertplatz, fürs Kabarett, …

Bleibt dann genügend Platz für die Kirmes?
Hünerbein-Ahlers: Es kann nicht sein, dass Kevelaers wichtigster Platz an einer viertägigen Kirmes ausgerichtet wird, zumal das eher Rummel ist, nicht Kirmes.
Röhr: Die Kirmes in anderen Städten lebt sogar von der Verteilung in der ganzen Stadt. Schauen Sie mal nach Soest.
Hünerbein-Ahlers: Als Problem sehe ich eher die Pilgerbusse. Die könnten dann bei der Post halten, die Überlegung gab es schon mal. Für die Pilger doch perfekt: vor der St.-Antonius-Kirche aussteigen und direkt den Turm der Basilika sehen.
Röhr: Oder die Pilger steigen woanders aus und fahren mit einem Bus oder einer Bimmelbahn in die Stadt. Oder mit einem Sessellift!

Muss der motorisierte Verkehr raus aus der Innenstadt?
Hünerbein-Ahlers: Man kann mit kleinen Schritten viel erreichen. Wir müssen die Radwege sicher machen, sichere Unterstellplätze schaffen, dann fahren die Leute im Sommer von alleine mit dem Rad zum Einkaufen. Für Touristen mit E-Bikes brauchen wir Boxen, wo die teuren Räder sicher eingeschlossen werden können.
Röhr: Am Bühnenhaus gibt es nicht mal die Möglichkeit, ein Rad anzubinden – außer an ein paar Masten.
Hünerbein-Ahlers: Wir leben auf dem platten Land, da hat Radfahren großes Potenzial. Holland macht es doch vor. Die ältere Generation steigt langsam um vom Auto aufs E-Bike. Ein Grund mehr für sichere Radwege. Wir müssen den motorisierten Verkehr auch flächenmäßig zurückdrängen.

Kann ein Verkehrskonzept das lösen?
Hünerbein-Ahlers: Kevelaer hatte ja schon ein Verkehrskonzept. Das sah die Bahnstraße als Ausfahrt aus der Innenstadt vor. Die CDU hat das dann umgedreht. Man könnte die Zufahrt zur Marktstraße mit versenkbaren Pollern sperren und Anwohnern eine Fernbedienung geben. Wir haben auch mal einen autofreien Sonntag vorgeschlagen. Das war der Verwaltung zu aufwendig.
Röhr: Zur Kirmes geht so eine Sperrung dann doch – und alle kaufen trotzdem ein.

Ein grundlegender Umbau der Verkehrswege in der Innenstadt dürfte teuer werden. Wer zahlt das?
Röhr: Wir haben den Vorteil, dass Stadt und Staat derzeit relativ reich sind. Wenn man etwas ändern möchte, dann jetzt.

Sie wollen die Beleuchtung ändern.
Röhr: Wir möchten ein stimmiges Konzept für die Lampen in der Innenstadt. Das heißt nicht, dass überall die gleichen Lampen stehen sollen.
Hünerbein-Ahlers: Man könnte dann auch die Gnadenkapelle und das Basilikaportal hervorheben, aber bitte nicht mit einen Flutlichtstrahler. Was auch nicht geht, ist übrigens diese Altstadtlampe, die so viele wollen.
Röhr: Alt nachgemacht mögen Denkmalpfleger gar nicht, lieber den Kontrast zur Moderne. Es geht ja nicht um Geschmack, sondern um Gestaltung, darum, dass etwas passt.

Richten wir den Blick zur Hüls. Haben Sie damit Ihren Frieden geschlossen?
Röhr: Ich weiß immer noch nicht, was das Gradierwerk soll. Die Kosten stehen in keinem Verhältnis, hinzu kommen die laufenden Kosten. Von der Innenstadt ist es weit weg – wer soll da hin? Mit dem Hotel und dem medizinischen Zentrum kann ich gut leben.
Hünerbein-Ahlers: Ich hätte mich gefreut, wenn ins Hotel eine Sauna gekommen wäre. Aber am Ende gab es einen Investor und damit keine Wahl für den Rat.

Wie stehen die Grünen zum Antwerpener Platz?
Röhr: Wir begrüßen, dass dort ein großer Vollsortimenter hin kommt. Negativ ist, dass die Bäume gefällt werden und der Verkehr mehr werden wird – aber wir wollen auch nicht, dass die Leute zum Einkaufen nach Weeze fahren müssen.

Auch hier konnte der Rat wie beim Hotel auf der Hüls nur dafür oder dagegen sein. Auswahl oder gar aktive Gestaltung sieht anders aus.
Röhr: Die Verwaltung freut sich schon, wenn ein Investor mit seiner Idee kommt und etwas machen will. Es fehlt ein Plan in Kevelaer. Aber an einen Masterplan, da geht keiner ran.

Welche Rolle sollte darin die Wallfahrt spielen?
Röhr: Die Kirche hat lange eine Trennung von Wallfahrt und Tourismus aufrechterhalten. Wir müssen beides ermöglichen, das schließt sich ja nicht aus.
Hünerbein-Ahlers: Vielleicht ist der Begriff „zweites Standbein“ ein Problem. Tourismus und Wallfahrt gehören zusammen, die Form der Wallfahrt hat sich geändert.

Was beschäftigt die Grünen aktuell in den Ortschaften?
Hünerbein-Ahlers: In Winnekendonk haben wir das ungelöste Sportplatzproblem und der Edeka-Markt ist zu klein.
Röhr: Der Plan des Irrlands, Baumhäuser in den Wald zu bauen, stößt bei uns und bei vielen Anwohnern am Gerberweg, wo ich wohne, auf Ablehnung. Ich habe nichts gegen eine Übernachtungsmöglichkeit, aber wir haben wenig Wald in Kevelaer. So was macht ja Schule. Außerdem verlängert das die Belastung der Twistedener. Bislang war zumindest abends Ruhe.

Naturschutzaspekte werden bei der Stadtplanung – nicht nur in Kevelaer – oft als zweitrangig gesehen.
Röhr: Deshalb wollen wir einen Umweltbeirat einrichten. Bei solchen Vorhaben, bei größeren Bauprojekten und einigem mehr soll der seine Empfehlung abgeben. Die Mitglieder müssen natürlich fachkundig sein. Derzeit überlegen wir, wie so ein Beirat konkret aussehen könnte.

Das Gespräch führten Björn Lohmann und Rudolf Beerden