Es dauert lange, bis sich was dreht

Einen Windpark errichten und schnelles Geld machen, das funktioniert nicht. Es erfordert viel Ausdauer und Geduld, wenn man ein solches Großprojekt in Angriff nimmt. Margit Ermers und Ursula Baumgärtner, beide Bäuerinnen auf Keylaer, sind froh und erleichtert, dass der „Windpark Rietweyen“ bald in Betrieb genommen werden kann. Zurzeit laufen die erforderlichen Tests an den fünf Windkraftanlagen, die hinter dem Traberpark in Richtung Niederlande errichtet worden sind.
„Wir Bauern haben ein Generationendenken,“ erzählt Ermers. Deshalb seien ihnen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und der Blick auf den Klimawandel ein Anliegen. Die Idee, die Gesellschaft „Bürgerwind Kevelaer“ zu gründen und die fünf Windkraftanlagen bauen zu lassen, entstand nach einem der regelmäßigen Treffen der Wasserschutz-Kooperation der Landwirte und Stadtwerke Kevelaer. Acht Kevelaerer Landwirte hatten noch zusammengesessen und sich erstmalig ausgetauscht über die Möglichkeit selbst Strom zu erzeugen, und das auf unweltfreundliche Art.
Sie waren sich einig, dass es ein regionales, lokales Projekt sein sollte. Neben den Landwirten sind die Kevelaerer Stadtwerke und somit alle Bürger zu 25 Prozent beteiligt. So kam die Sache ins Rollen und erwies sich als langwieriger und komplizierter Prozess. „Man kann ja nicht irgendwo einfach ein paar Windkraftanlagen bauen,“ resümieren die Landwirtinnen.
Zuerst musste ein passendes Gebiet gefunden werden. Es gebe viele Bedingungen und Auflagen, die an ein solches Vorhaben geknüpft sind. Eine Grundvoraussetzung sei, dass in dem entsprechenden Gebiet auch genügend Windtätigkeit verhanden sei. Dafür gebe es spezielle Karten. Die erste Überlegung, den Windpark zwischen dem Lieven Heer und Kevelaer anzulegen, erwies sich als nicht optimal.
Letztendlich lief es auf das Landstück „Rietweyen“ hinaus, nach dem der Windpark nun auch benannt wurde. Es folgten Gespräche mit allen Eigentümern des betreffenden Gebietes, denen angeboten wurde, sich an dem Projekt zu beteiligen. Für ihr Land erhalten die Besitzer eine Pacht.
Ein aufwendiges Genehmigungsverfahren zog sich über einen langen Zeitraum hin. Windkraftanlagen müssen so gebaut werden, dass sie nicht stören. Ausreichender Abstand zur benachbarten Bebauung muss genauso beachtet werden wie die Luftsicherheit und die Umwelt­auflagen. Die Stadt arbeitete sehr gründlich, damit auch rechtlich alles in Ordnung ist. Bei der Bundeswehr musste angefragt werden, ob das Radar in Marienbaum nicht beeinträchtigt wird. Vom Flughafen brauchte es das Okay betreffend der Sichtflugschneise für Kleinflugzeuge.
Außerdem war ein ausführliches Umweltgutachten notwendig. Lebensraum von Pflanzen und Tieren durfte nicht gefährdet werden. So sind Kompensationsmaßnahmen wie die Umwandlung von Ackerland in extensives Grünland Auflage. Doch zunächst musste erforscht werden, welche Tierarten sich in der Umgebung des Geländes angesiedelt hatten. Um die unterschiedlichen Fledermausarten und ihre Zahl zu eruieren, wurden kleine Kästen in Bäume gehängt, die mit Sensoren ausgestattet waren. Ermers schmunzelt, als sie erzählt, dass einmal ein Herr mit einer solchen Dose vor ihrer Tür gestanden habe. Diese war dem Mann suspekt erschienen. Aber Familie Ermers war gut informiert und konnte den Spaziergänger rasch beruhigen.
Erst als alle Voraussetzungen erfüllt waren, konnte mit den vorbereitenden Arbeiten begonnen werden. Dabei war den Investoren wichtig, dass, soweit möglich, regionale Unternehmen verpflichtet wurden. So konnte endlich im Dezember 2016 der Bau der Zufahrtswege und Anfang 2017 die Erstellung der Fundamente starten. „Manches Mal war die Planung eine sehr große Herausforderung“, sagt Baumgärtne, „abgesprochene Zeiten konnten sich immer wieder ändern.“ Einmal habe sie mehrere Stunden mitten in der Nacht auf dem Gelände gewartet, um die Anlieferung eines Flügels verfolgen zu können. Auch Margit Ermers hätte es gerne miterlebt, aber sie hatte ihren Wecker nicht gehört.
Nun hoffen die Frauen, dass die Windkraftanlagen bald ihre Arbeit aufnehmen können, eventuell noch in diesem Monat. Im Laufe der sechs Jahre hatte es immer wieder Gesetzesänderungen und Änderungen der Einspeisevergütungen gegeben. Bis das millionenschwere Projekt sich auszahlt, wird es noch eine Weile dauern. Aber ihr Ziel, umweltfreundlichen Strom in der Region und mit der Region zu erzeugen, haben die Landwirte auf jeden Fall erreicht, worauf sie stolz sein dürfen.
Wird es denn auch eine Einweihungsfeier geben? „Wir sind Landwirte und die feiern erst ein Fest, wenn es auch was zu feiern gibt“, antworten Ermers und Baumgärtner. Erst mal müssten die Anlagen laufen, aber irgendwann würde bestimmt gefeiert.
Der Windpark Rietweyen
Der „Windpark Rietweyen“ besteht aus fünf Windkraftanlagen, vier großen und einer kleineren. Die großen weisen inklusive der Flügel eine Höhe von 200 Meter auf und „drehen eine Fläche von 1 ha ab“, das entspricht der Größe eines Fußballfeldes. Die Flügel haben einen Durchmesser von 131 bzw. 117 Metern. Bei der Verteilung innerhalb der Windvorrangzone müssen verschiedene Vorschriften beachtet werden – z.B. Abstand zueinander und Abstand zur Bebauung.
Ist das Genehmigungsverfahren abgeschlossen, werden die Wege für den Transport angelegt. Um die schweren Fahrzeuge, mit denen die Teile angeliefert werden, tragen zu können, muss der Boden gut stabilisiert werden. Diese Wege müssen nach erfolgreicher Errichtung des Windparks wieder zurückgebaut werden. Dann wird mit der Erstellung des Fundaments begonnen – ein Betonanker wird gegossen, bei den größeren kommen noch vorgefertigte Halbschalen aus Beton dazu.
Die Firma Nordex, die ihren Firmensitz in Hamburg hat, fertigt an unterschiedlichen Standorten die Großkomponenten der Windkraftanlagen. Zudem organisiert sie den Transport und alle dazugehörigen, erforderlichen Maßnahmen. Dazu gehört die Auswahl der Strecke, wobei auch Ampeln umgebaut werden oder, wie hier, der Kreisverkehr weichen muss. Die Anlieferung der einzelnen Elemente kann nur nachts erfolgen, da ein Schwertransport mit Polizeieskorte nötig ist. So kamen die Flügel aus einem Werk in Rostock, der Transport nahm zwei Nächte in Anspruch.
Ein Spezialkran ist notwendig um den Stahlrohrturm aufzurichten und die Flügel anzubringen. Das Gerätehaus, an dem die Flügel montiert werden, ist voll mit Technik und wiegt allein soviel wie 6 LKW. Für den Aufbau des Spezialkrans ist wiederum ein Hilfskran unerlässlich.
Die fünf Windkraftanlagen werden je nach Wind eine gemeinsame Leistung bis zu maximal 13,8 Megawatt erbringen. Der produzierte Strom wird direkt ins öffentliche Netz eingespeist und erreicht auf kurzem Weg den Verbraucher. Da die Eigentümer der Windkraftanlagen die Kevelaerer Gesellschaft „Bürgerwind Kevelaer“ ist und auch die Stadt beteiligt ist, bleibt die komplette Wertschöpfung in Kevelaer. Die Steuergelder fließen nicht in fremde Städte.
Die zu erwartende Lebensdauer solcher Anlagen beträgt 20 bis 25 Jahre. Danach sind Gutachten, die Sicherheit betreffend notwendig. Beim Abbau einer Windkraftanlage sind die Materialien wiederverwertbar.