Erzähl doch mal …

Indra Peters, Museumspädagogin im Niederrheinischen Museum Kevelaer, führte 15 Schüler der Gesamtschule Kevelaer und 15 Senioren in das historische Klassenzimmer des Museums. Sie alle sollten eine Zeitreise in die Schulzeit des 20. Jahrhunderts erleben. So wurden die Sechstklässler und Senioren von „Lehrerin Indra Peters“ direkt einmal in Jungs- und Mädchengruppen getrennt. Es folgte eine Aufstellung in Zweierreihen und ein anschließendes Gebet, bevor alle Platz nahmen und Peters ihren kleinen Exkurs in die frühere Schulzeit begann.

Zwischen Verwunderung und Erfahrung

„Nasebohren und Augen ausstechen, das war damals alles noch nicht“, meinte sie augenzwinkernd mit Blick auf die Angewohnheit vieler Schüler, ihrer Meldung mit einem möglichst langen Arm Richtung Lehrer Ausdruck zu verleihen. Und dass es früher eine Zeit gab, in der man zur Schule „durfte“, in der die Arbeit auf dem Feld die Alternative war, das verwunderte viele der Schüler. Die Senioren hingegen nickten zustimmend.

Anschließend sorgte der Stock für Aufsehen, den die Museumspädagogin hervorholte. Wofür der früher genutzt wurde, das wussten die meisten Schüler genau – aber nicht aus eigener Erfahrung, sondern zum großen Teil aus Erzählungen von Oma und Opa. Viele der Senioren konnten sich selbst noch gut an den Einsatz des Stocks erinnern und fingen sofort an, wild durcheinander von ihren Erlebnissen und Erinnerungen zu erzählen. „Immer linke Hand Innenseite“, meinte Peters und fügte erklärend hinzu, dass das so gehandhabt worden sei, weil die geschlagene Hand anschwoll und man schließlich mit der rechten Hand noch schreiben musste. Das sorgte bei vielen Schülern für eine besorgte Begutachtung ihrer eigenen Hände und wohl auch für Erleichterung, dass die Form der Züchtigung längst aus dem Schulleben verschwunden ist.

Während der kleinen Schulstunde im Museum konnte man beobachten, wie sich nebenbei immer wieder Gespräche an den Tischen zwischen Schülern und Senioren entwickelten, die jeweils gemischt nebeneinander saßen. Schüler fragten interessiert nach oder erzählten den Senioren, wie es heute in der Schule so ist. Ein Blick in einen „Strafkatalog“ aus dem Jahr 1818 rundete die Stock-Thematik schließlich ab: Zehn Schläge habe es demzufolge gegeben, wenn Jungen „sich Mädchen gegenüber schlecht“ benommen haben, erklärte Peters augenzwinkernd.

Schulhöfe durch einen Draht getrennt

Im Anschluss an den Exkurs der Museumspädagogin hatten die Schüler Gelegenheit, den Senioren Fragen zu stellen. „Warum musste man aufstehen?“, fragte einer von ihnen mit Blick auf die Tatsache, dass Schüler sich früher bei einer Wortmeldung erheben mussten. Die Senioren waren sich einig: Das hatte etwas mit Respekt zu tun. „Und wie habt ihr die Schulzeit empfunden?“, lautete die nächste Frage. Einer der Senioren hatte noch besonders die vielen Rituale in Erinnerung, die in der Schule damals zur Tagesordnung gehörten. Eine andere Dame fand deutliche Worte für ihre Schulzeit: „Sehr, sehr schlecht.“ Sie sei 1946 eingeschult worden und erinnerte sich an viel Kälte, einen Schulweg von vier Kilometern, den sie laufen musste, und vor allem war ihr der ständige Hunger in Erinnerung geblieben.

„Warum wurden Jungs und Mädchen getrennt?“, fragte ein Junge und ließ dabei spüren, dass er sich diese Geschlechtertrennung heute nicht mehr vorstellen kann. Auch hier waren sich die Senioren wieder einig: Man wollte unter anderem Ablenkung verhindern. Dass die Schulhöfe damals manchmal sogar durch einen Draht getrennt waren, sorgte für viele erschrockene Gesichter bei den Schülern. In einer Sache waren sich die meisten Schüler am Ende dann einig: Schule war früher ganz anders und deutlich strenger als heute.

Schließlich erinnerten sich die Senioren noch an ihre alte Schule auf dem Peter-Plümpe-Platz, einer der Senioren sprach den Kindern einige Sätze auf Platt vor und die Schüler machten gemeinsam mit den Senioren eine Übung im Sütterlin-Schreiben – was gar nicht so einfach ist, wie sich herausstellte. Anschließend stimmten sich alle gemeinsam – natürlich stehend neben den Tischen – mit dem Lied „Kling Glöckchen“ auf das bevorstehende Weihnachtsfest ein.

Zum Abschluss ließen die Schüler und Senioren den lehrreichen Nachmittag bei Kaffee, Saft und von der Konditorei Platzer gesponsertem Kuchen ausklingen und hatten so noch einmal die Gelegenheit, fernab der Schulatmosphäre spannende Geschichten auszutauschen.