In Wetten wurden zwei Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus‘ verlegt

Erinnerung an Opfer wachhalten

Der ,Stolperstein‘ für Anna Christine Boland in Wetten. Foto: Wallfahrtsstadt Kevelaer

Knapp fünf Jahre nach der ersten Stolpersteinverlegung in Kevelaer folgten nun zwei weitere Steine im Ortsteil Wetten. Die beiden 10 x 10 cm großen Messingsteine sollen die Erinnerung an die Opfer des nationalsozialistischen Systems wachhalten. Diese wurden für Anna Boland am Blumenheideweg 3 und für Margaretha Heijmanns an der Langstraat 8 verlegt, den letzten Wohnorten der beiden Frauen in Wetten.

Der Künstler und Initiator des Projektes, Gunter Demnig, hat den Stein für Anna Boland persönlich eingesetzt. Auch Bürgermeister Dr. Dominik Pichler, Ortsvorsteher der Kevelaerer Ortschaften, Vertreter*innen des Niederrheinischen Museums Kevelaer und der historischen Vereine in Kevelaer haben an dem Gedenkakt teilgenommen, um ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. Um die Schicksale der beiden Opfer in den Kontext der historischen Ereignisse zu stellen, hatte sich der Geschichtsleistungskurs Q2 des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums angeboten, einen Vortrag zu dem Thema Euthanasie beizutragen.

Mit dem Projekt „Stolpersteine“ erinnert der Künstler Gunter Demnig seit dem Jahre 2000 an die von den Nationalsozialisten verfolgten, vertriebenen, deportierten und ermordeten Menschen. Die Idee, vor dem letzten frei gewählten Wohnort eines/einer solchen Betroffenen einen Messingstein mit dem Namen sowie einigen wenigen Angaben zur Person ins Straßenpflaster einzulassen, ist auf große Resonanz gestoßen. Ziel des Initiators ist es, die Namen der Opfer zurück an die Orte ihres Lebens zu bringen und die Erinnerung an sie zu wahren. Künftig erinnern nun somit drei Stolpersteine in Kevelaer und den Ortsteilen an die Opfer und ihr Schicksal, damit die Menschen, die während der NS-Zeit verfolgt, vertrieben, deportiert und /oder getötet wurden, nicht vergessen werden.

Anna Christine Boland

Dennis Hartjes M.A. M.Ed., der wissenschaftliche Mitarbeiter der Forschungsstelle für die Geschichte des Bistums Münster an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, ist bei seinen Recherchen zu seiner Dissertation auf das Schicksal von Anna Christine Boland aufmerksam geworden. In der Wettener Pfarrchronik stieß er auf einen kurzen Vermerk von Pfarrer Friedrich Brill: „Am 20. Nov. d. J. starb Anna Boland in Meseritz, Posen (Anstalt für Geisteskranke) 3 Tage nach ihrem Wegtransport von Grafenberg nach Meseritz! 44 Jahre alt; Todesursache unbekannt.“ Dieser Eintrag bewegte den Historiker Hartjes, noch einmal genauer zu recherchieren:

Anna Christine Boland wurde 1899 in Hamminkeln-Dingden geboren und zog im darauffolgenden Jahr mit ihrer Familie über den Rhein nach Wetten. Im Laufe ihres Lebens erkrankte sie an Epilepsie und wurde aufgrund dessen im Jahr 1943 in der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Grafenberg in Düsseldorf behandelt. Warum sie im November des Jahres in die 615 Kilometer weit entfernte Heil- und Pflegeanstalt Obrawalde in Merseritz/Posen verlegt wurde, konnte aufgrund fehlender Akten nicht rekonstruiert werden. Lediglich das Datum ihres Todes am 20. November 1943 ist durch die Pfarrchronik und das Sterbebuch der Heil- und Pflegeanstalt Obrawalde zu belegen und lässt darauf schließen, dass Anna Boland aufgrund ihrer Erkrankung Opfer der dezentralen Euthanasie des nationalsozialistischen Regimes wurde.

Margaretha Heijmanns

Im Zuge seiner Recherchen wandte sich Dennis Hartjes auch an das Stadtarchiv der Wallfahrtsstadt Kevelaer mit dem Hinweis auf einen weiteren Namen, der in der Pfarrchronik vermerkt wurde: „Am 25. April des Jahres [1941] starb die geisteskranke Margarethe Heijmanns in der Anstalt für Geisteskranke in … Die Leiche wurde eingeäschert auf Veranlassung der Anstaltsleitung und am 06.05.41 nach Duisburg überführt.“ Gemeinsam mit der Stadtarchivarin Janine Weigel M.A. konnte auch dieser Eintrag entschlüsselt werden: 

Margaretha, wie sie laut Geburtsurkunde hieß, wurde am 28.07.1895 in Wetten (Haus Nr. 99) geboren und besuchte dort auch die Elementarschule. Als Jugendliche arbeitete sie in verschiedenen Anstellungen, unter anderem als Magd auf dem benachbarten Hof. Aus ihrer Patientenakte aus der Heil- und Pflegeanstalt Bedburg-Hau lässt sich entnehmen, dass sie am 12.03.1930 im Klinikum Bedburg-Hau aufgenommen wurde. Als Aufnahmegrund ist notiert, dass sich mit 14 Jahren eine „Wesensveränderung“ bei ihr eingestellt habe. Margaretha blieb zehn Jahre Patientin in der Klinik, bis im November 1939 die Klinik Bedburg-Hau zu einem Wehrmachtslazarett umfunktioniert wurde. Nach dem Erlass vom 01.09.1939 zur Genehmigung der zentralen Ermordung von „kranken und behinderten Menschen“, die sogenannte Aktion T4, wurde auch in der Klinik in Bedburg-Hau eine Liste für die „Verlegung“ der dortigen Patienten angefertigt. Daraufhin wurde Margaretha am 08.03.1940 von Bedburg-Hau in die Landesanstalt Görden bei Brandenburg an der Havel verlegt. Eine weitere Verlegung erfolgte am 07.04.1941 in die Tötungsanstalt Bernburg, wo sie noch am selben Tag ermordet wurde.