Er ist ein wichtiges Stück Heimat

Der Andrang in der Kneipe an der Wettener Staße war so groß, dass die Gäste teilweise vor der Tür stehen mussten. Viele Freunde, Nachbarn und Vereinsvertreter waren gekommen, um den besonderen Geburtstag von Heinz Steegmanns zu begehen.

Der Jubilar stellte sich in seinem weißen Hemd kurz mal zum Zapfen hinter die Theke, mischte sich ansonsten aber unter die Menschen. Zum runden Geburtstag durfte er Glückwünsche und kleine Präsente entgegennehmen. Steegmanns reagierte fast schon verlegen auf soviel Aufmerksamkeit, Zuneigung und Freundlichkeit, die ihm widerfuhr.

„Ich bin ein bisschen überrascht, dass so viele gekommen sind. Da würde ich lieber hinten sitzen. Das ist nicht mein Fall“, gestand der 70-Jährige, der schon lange die Gaststätte und die Bäckerei daneben führt. „Ich hab das hier von meinem Vater 1978 übernommen. Ich bin hier geboren, habe hier meine Bäckerlehre und meinen Meister gemacht“, erzählte der bescheidene Mann, der seit 56 Jahren dieses Handwerk ausübt.

„Hier war zuvor der alte Bäckerladen drin“, erinnert Steegmanns an den Wandel 1988/89. „Seitdem ist hier die Gaststätte.“ Dazu hat er im Laufe der Zeit noch einen Partyservice aufgebaut: „Es war nie eine monotone Arbeit, sondern immer eine Herausforderung.“
Um seine Brötchen zu kaufen, kommen die Leute sogar morgens aus Geldern und Kevelaer. „Er ist ein prima Kerl und ein prima Bäcker,“ meinte sein Nachbar Werner Peters, der ihn seit seiner Geburt kennt. „Er ist immer gastfreundlich und er war ein guter Kicker“, spielte der 79-Jährige auf die Leidenschaft des Jubiliars als junger Mann an.

Denn da war er als A-Jugendlicher des SV Union Wetten mal in der Klever Kreisauswahl, spielte von 1966 bis 1981 in der ersten Mannschaft und galt mit seinen 180 Toren in 390 Meisterschaftsspielen als einer der besten Torjäger der Region.

„Es gab für mich nie eine andere Option“, stand für Steegmanns immer fest, im Ort zu bleiben. „Ich bin hier in Wetten groß geworden, hab für den Verein gespielt. Ich hatte Angebote aus Geldern und Kevelaer, aber als Vereinswirt hier, da wäre nie gegangen.“ Schon unter dem Vater war seine Gaststätte Vereinslokal.

Hinter der Theke ist Heinz Steegmanns in seinem Metier.

Bis 1965 zogen sich die Kicker sogar in der Backstube des Lokals um und die die Gastmannschaften wuschen sich dort. Gerne erinnert er sich Steegmanns an sein größtes Erlebnis als Kicker. „Das Entscheidungsspiel um den ersten Aufstieg in die Bezirksliga gegen den SV Rindern 1975.“ Unerwähnt lässt er dabei, dass er in der Verlängerung das Siegtor erzielte. Und dass er bei einem 4:4 im DFB-Pokal auf Kreisebene gegen TuS Geria Geldern alle vier Wettener Tore erzielte und auch beim 3:2-Rückspielsieg einmal traf.

So ganz „nebenbei“ war er noch 50 Jahre lang bei der Wettener Feuerwehr aktiv, wofür er 2017 auf deren Jahreshauptversammlung geeehrt wurde. Seit Anfang des Jahres hat sein Sohn Sebastian das Zepter in der Bäckerei und der Gaststätte übernommen. „Er hilft mir, mich nach und nach zurückzuziehen. Irgendwann muss auch mal Schluss sein.“
Oft genug führte ihn der Weg in all den Jahren entweder vom Training oder von der Gaststätte, wo die Gäste oder Vereine bis um zwei Uhr oder länger feierten, direkt in die Backstube. Er servierte ihnen manchmal sogar noch die Brötchen. „Das war schon anstrengend“, erinnert sich der 70-Jährige ohne großen Wirbel darum zu machen.
„Ohne meine Frau Gabriele hätte ich das nicht geschafft“, sagte Steegmanns. Sie stand all die Jahre über in der Stube. An seinem Jubeltag musste sie jedoch mit Fieber das Bett hüten. Tochter Jeanette hofft, dass sich die beiden jetzt „mehr Zeit für sich nehmen“.
Alle Gäste wünschten ihnen das von Herzen.

„Für uns als Reiterverein war wichtig, wenn wir als Standarte hier während der Messe unser Bier bekamen“, erinnerte sich Markus Heinen. „Er ist nie aus der Haut gefahren, hat alle mit ihren Macken so genommen“, ergänzte Georg van Bebber.

„Er hat für jeden ein offenes Ohr, hat sich selbst immer zurückgenommen“, erinnerten sich der Vorsitzende des SV Union, Manfred Nilkens, und seine Mitstreiter gerne an Nusskuchen und Frankfurter Kranz, als man sonntags in der Gaststätte die Fußballergebnisse verfolgte. „Egal ob für die erste und zweite Mannschaft“.

Sohn Sebastian will die Tradition weiterführen. „Ich bin da reingewachsen wie mein Vater. Hier war immer was los. Und die Menschen fühlen sich wie Zuhause“, so der 36-Jährige. Sein Sohn Collin (11) ist auch schon „infiziert“. Er hilft ab und an schon mit: „Ich möchte gerne Bäcker werden, das macht mir Spaß.“

Welche Bedeutung Heinz Steegmanns für den Ort hat, erklärte die Ortsvorsteherin Beate Clasen: „Er und seine Familie sind in Wetten einfach die Zentrale. Das ist über Generationen gewachsen. Sein Vater hat das von Düngelhoff übernommen. Er ist ein Wettener Archiv, der weiß alles. Er ist ein wichtiges Stück Heimat – und wir sind froh, dass wir ihn haben“.