Enge Zimmer, zerstörte Zähne und 13 Operationen

Unter der Leitung von Dr. Elke Kleuren-Schryvers (Medizinerin) hatten sich 14 ehrenamtliche Helfer zu einem Arbeitseinsatz ins Krankenhaus von Aktion Pro Humanität (APH) im Benin auf den Weg gemacht. Im Hospital der APH hat das Team operiert, untersucht, gebaut und entwickelt.
Das Krankenhaus boomt, 2015 gab es 31 Operationen, 2016 waren es bereits 210 und die Gruppe aus Kevelaer führte die Operationen 500 bis 512 in diesem Jahr aus.
Nach Abschluss eines Kooperationsvertrages mit der beninischen Regierung wurde das Centre Médical Gohomey (CMG) im Herbst 1995 eröffnet. Es dient der unmittelbaren medizinischen Basisversorgung von rund 20.000 Menschen in der ländlichen Kommune Gohomey. Das Einzugsgebiet, aus dem die Patienten zur Behandlung kommen, umfasst rund 300.000 Menschen. Das CMG bietet ambulante und stationäre Behandlung in den Fachgebieten Allgemeinmedizin, Gynäkologie und Geburtshilfe, Pädiatrie, Innere Medizin und kleine Chirurgie. Impfkampagnen gehören ebenso zum Basisprogramm wie Schwangeren- und Aidsberatung.
Alle Teilnehmer des Arbeitseinsatzes berichten übereinstimmend über die große Zufriedenheit, Herzlichkeit und stoische Ruhe der zahlreichen Patienten, die selbst lange Behandlungen über sich ergehen lassen. Dabei darf man sich nicht vorstellen, dass das CMG auch nur annähernd europäischen Standard erreicht. Qualvolle Enge herrscht in den Zimmern, in denen nicht nur teilweise zwei frisch Operierte (zum Beispiel nach Kaiserschnitt) zusammen in einem Bett liegen. Hinzu kommt noch jeweils eine „Pflegeperson“, die jeder Patient mit ins Krankenhaus bringen muss. Diese Angehörigen oder Nachbarn versorgen die Patienten mit Essen. Eine Gemeinschaftsversorgung gibt es nicht. Als Erfolg darf schon gewertet werden, dass es neuerdings einen Extraraum gibt, in dem die Helfer das Essen zubereiten können und es nicht mehr am Bett gemacht wird.
Zudem helfen die Begleiter bei der Körperpflege und reinigen die Umgebung des Bettes. Früher kamen auch schon einmal mehrere Personen für einen Patienten mit. Um ein wenig Ordnung zu bekommen, wurden diese Hilfskräfte auf eine Person beschränkt und sie erhalten jetzt jeder ein entsprechendes Schildchen mit dem Vermerk „Pflegehilfskraft“, das sie stolz an ihrer Kleidung tragen.
Eine Krankenversicherung gibt es nicht. So kommen die Menschen erst zur Klinik, wenn es schon fast zu spät ist. Bei einem Grundeinkommen von 60 Euro im Monat ist zum Beispiel eine Bluttransfusion für einen kleinen, schon stark bezuschussten Unkostenbeitrag von „nur“ 15 Euro oder eine einfachste Zahnbehandlung von 1,50 Euro für eine Familie eine enorme Summe. Es muss überlegt werden, ob man sich eine Behandlung leisten kann. Die Befunde sind deshalb oft schlimm. Verschleppte und stark deformierte Knochenbrüche oder ein so großer Abszess im Mund, dass jede Nahrungsaufnahme unmöglich ist, sind da nur einfachste Beispiele.
In der Anästhesie kommt ein Arzt auf etwa 10 Millionen Menschen, deshalb führen oft zusätzlich ausgebildete medizinische Hilfskräfte Narkosen aus. Besonderer Mangel herrscht in der Pädiatrie. Dr. Pieper berichtet, dass in der Zeit ihrer Anwesenheit drei Kinder an Malaria oder Lungenentzündung verstarben, weil die technischen Möglichkeiten einer Beatmung fehlten. Auch die Zahnmedizin hat starken Nachholbedarf. Der Erhalt der Zähne ist jedoch sehr wichtig („Jeden Zahn, den ich nicht füllen kann, muss ich anschließend ziehen“, so Dr. Klein), weil eine Versorgung wie bei uns mit Prothesen nicht möglich ist und die Menschen sonst verhungern würden. Bei der Behandlung fand der Zahnarzt aber teilweise völlig zerstörte Zähne vor, die oft nur noch gezogen werden konnten. Trotz großen Vertrauens, das die Patienten bei Erstbehandlungen zeigten, waren sie durchaus selbstbewusst und verhandelten teilweise, ob denn nun ein oder mehrere Zähne gezogen werden durften.
Nächstes Ziel von APH ist die Einrichtung einer pädiatrischen Station und eines zahnärztlichen Bereichs, außerdem soll der „Notfallfonds“ weiter ausgebaut werden, damit keine Behandlung am fehlenden Geld scheitern kann.
Trotz hohen Leistungsaufwands und extremer klimatischer Bedingungen reiste die Gruppe nach neun Tagen wieder gut gelaunt zurück nach Deutschland. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit hatte reibungslos funktioniert und Erlebnisse, wie sie am 150 Kilometer vom Krankenhaus entfernten Flughafen gemacht wurden, entschädigen für alles. Hier kam ihnen winkend ein Mann entgegengelaufen, den sie einige Tage zuvor operiert hatten, und rief: „Der Doktor da hat mir geholfen.“ Für November 2018 ist wieder ein ehrenamtlicher Einsatz im Benin geplant.
Die Teilnehmer
Neben der Gründerin der Hilfsorganisation, Dr. Elke Kleuren-Schryvers, waren mit dabei: Peter Tervooren (Technik und Organisation), APH-Vorstand Dr. Rüdiger Kerner (Internist, Marienhospital), Silvia Koebbel, Hildegard Kleinen (Endoskopieschwester Marienhospital), Dr. Roland und Angelika Klein (Zahnarzt und Allgemeinmedizinerin), Dr. Wolfgang Paul (Anästhesist, St.-Clemens-Hospital Geldern), Dr. Johannes Kohler (Chirurgie) und Beate Kohler, Dirk Henricy (OP-Pfleger St.-Josef-Hospital Xanten), Dr. Noreen Vingerhofdt (Unfallchirurgin, St.-Willibrod-Spital Emmerich), Dr. Hans Herrmann Pieper (Kinderarzt in Moers) und Annemarie Pieper (Intensivschwester aus Xanten).