Bischof-Janssen-Straße wird in Kastanieneck umbenannt. Rat distanziert sich von Janssens Ehrenbürgerwürde.

Einstimmige Entscheidung des Rates

Ein beliebter Treffpunkt: Die Sitzbänke unter der Kastanie im Kastanieneck. Foto: nick

In der jüngsten Sitzung des Rates der Wallfahrtsstadt Kevelaer haben sich die Mitglieder einstimmig für eine Umbenennung der Bischof-Janssen-Straße ausgesprochen. Die Stichstraße zur Hubertusstraße wurde 1988 durch Ratsbeschluss nach dem Ehrenbürger Bischof Heinrich Maria Janssen benannt, der vor seiner Berufung zum Bischof als Pfarrer und Dechant in Kevelaer tätig war.

Die Umbenennung erfolgte aufgrund des Gutachtens einer unabhängigen Expertengruppe zu den diözesanen Strukturen im Bistum Hildesheim, welches im September 2021 veröffentlicht wurde. Im Gutachten wird festgestellt, dass Janssen in zahlreichen Fällen seine Machtposition als Bischof ausgenutzt hat, um Sexualstraftäter, die aus dem Umfeld der Kirche kamen und meist Kleriker waren, vor Verfolgung und Strafe zu schützen, häufig durch Vertuschen. Weder wurde den Opfern Gehör geschenkt noch wurde dafür gesorgt, dass sich so etwas nicht wiederholen kann.

Unabhängiges Gutachten

Nach Veröffentlichung des Gutachtens gingen bei der Wallfahrtsstadt Kevelaer zwei Bürgeranträge ein, die nicht nur auf eine Änderung des Straßennamens abzielten, sondern auch anregten, im Hinblick auf die Ehrenbürgerwürde tätig zu werden, die Bischof Janssen im Jahre 1957 verliehen wurde. Im Haupt- und Finanzausschuss (Beschwerdeausschuss) am 8. Februar 2022 wurde das Thema vorberaten und einstimmig der Beschluss gefasst, sich vor dem Hintergrund der Hildesheimer Untersuchungsergebnisse von der Person des Geehrten zu distanzieren (das KB berichtete im Vorfeld).

Dies hatte nach Angaben des Büros des Bürgermeisters eine Kevelaerer Bürgerin zum Anlass genommen, sich vor der Ratssitzung an die Fraktionen und die Tagespresse zu wenden. Ihrer Auffassung nach sollten die Verdienste des ehemaligen Domkapitulars Janssen für die Wallfahrt in Kevelaer nicht unbeachtet bleiben und bei einer Entscheidung über die Distanzierung von der Ehrenbürgerwürde berücksichtigt werden. Bürgermeister Dr. Pichler erklärte hierzu, dass der Rat zum damaligen Zeitpunkt eine korrekte Entscheidung getroffen habe, da Janssen u.a. bedeutende Verdienste um die Sicherstellung der durch den Krieg zerstörten Andachtsstätten erworben und in erheblichem Maße zur Wiederbelebung der Marienwallfahrt in Kevelaer beigetragen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er einen untadeligen Ruf und einen hervorragenden Leumund genossen.

Dr. Pichler erklärte hierzu, dass die Ehrenbürgerwürde eine ganz besondere Auszeichnung sei, die nicht nur das Wirken einer Person in den Blick nimmt, sondern die Persönlichkeit als Ganzes. Es handle sich um ein höchstpersönliches Recht, sodass eine Entziehung nur bei lebenden Personen möglich sei. Der Rat habe jedoch die Möglichkeit, sich durch eine entsprechende Erklärung von der Person des Geehrten zu distanzieren, wie es nun im Falle von Bischof Janssen geschehen ist. 

Argumente abgewogen

„Für eine Entziehung gilt ebenso wie für eine Distanzierung das Willkürverbot“, so Dr. Pichler. „Alle Argumente müssen abgewogen werden, neben beispielsweise einer strafrechtlichen Verurteilung des Betroffenen, kann auch ehrenrühriges Verhalten ohne strafrechtliche Konsequenz genügen, um eine solche Entscheidung des Rates zu rechtfertigen. Ich habe die Entwicklungen um Heinrich Maria Janssen aufgrund seiner Verbindung zu Kevelaer intensiv verfolgt und begleitet, seit 2015 erstmals Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Insofern habe ich es sehr begrüßt, dass das Thema auf Veranlassung des Bistums Hildesheim von unabhängigen Fachleuten untersucht wurde.“

Aufgrund der Ergebnisse des Hildesheimer Gutachtens hat der Rat dann nicht nur die Bischof-Janssen-Straße umbenannt, sondern sich mit folgendem einstimmigen Beschluss auch sehr deutlich von der Ehrenbürgerwürde distanziert:

„Der Rat der Wallfahrtsstadt Kevelaer begrüßt die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche und spricht allen Opfern, insbesondere denen, die durch die Handlungen und Vertuschungen des früheren Bischofs Heinrich Maria Janssen Leid sowie fehlende Anerkennung und Unterstützung erfahren haben, die aufrichtige Anteilnahme aus und verurteilt die Haltung und die Handlungen des Bischofs im Rahmen der Missbrauchsvorfälle im Bistum Hildesheim.

Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus dem Gutachten zu den Missbrauchsvorfällen im Bistum Hildesheim zur Amtszeit von Bischof Heinrich Maria Janssen distanziert sich der Rat der Wallfahrtsstadt Kevelaer von seiner Auszeichnung zum Ehrenbürger der Wallfahrtsstadt Kevelaer. Der Geehrte hat sich nachträglich der Auszeichnung als unwürdig erwiesen, indem er nach bekanntgewordenen Missbrauchsvorwürfen im Bistum Hildesheim keinerlei Maßnahmen ergriffen hat, um die Opfer zu schützen und weitere Straftaten zu verhindern, sondern im Gegenteil Taten verschwiegen und vertuscht und sich damit der Komplizenschaft mit den Tätern schuldig gemacht hat.“

Die ehemalige Bischof-Janssen-Straße erhält jetzt den Namen Kastanieneck. Dieser Name geht auf einen Vorschlag der Anwohner*innen zurück, der vom Kevelaerer Ortsvorsteher Peter Hohl unterstützt wurde. Mit dem Namen wird Bezug auf einen straßenbildprägenden Kastanienbaum im Wendehammer genommen. Die Sitzbank unterm Kastanienbaum sei ein beliebter Treffpunkt für die Anwohner*innen und auch für viele andere Personen, erklärt das Büro des Bürgermeisters.