Eine wechselvolle Geschichte aus Kervenheim
Die Geschichte der ursprünglich „Zur goldenen Traube“ benannten Gaststätte begann im Jahr 1872. Johann Theunissen war Besitzer der Schenkwirtschaft im „Haus 129a“. Er war der erste Ehemann der späteren Frau von Heinrich Brauers. In welcher Straße sich der erste Standort der Gaststätte befand, lässt sich nicht mit Sicherheit nachvollziehen.
Im neuerbauten Saal spielt der Cäcilien-Verein am 20. Juni 1880 auf. Sieben Jahre später gab Theunissen die Konzession auf. Die Konzessionsliste, die sich dazu im Archiv der Kervenheimer Geschichtsgruppe findet, benennt Heinrich Brauers als neuen Inhaber, der die „Traube“ bis zu seinem Tod 1901 führt. Dort findet 1889 eine außerordentliche Versammlung des landwirtschaftlichen Casinos statt. Er stellt 1898 ein Gesuch auf Erweiterung der Konzession auf den mit dem Haus verbundenen Saal.
Nach dem Tod von Heinrich Brauers übernahm der Landwirt Hermann Koppers, der die Witwe von Heinrich Brauers heiratete, die Gaststätte. Einige Feierlichkeiten folgten in den Räumlichkeiten.
Der Sohn von Heinrich Brauers, Josef, stellte dann 1916 den Antrag auf Übernahme der Konzession. Nachdem der Kreisbaumeister in Geldern die Lagepläne und die Gastwirtschaftsräume geprüft hatte, erlaubte er ihm, die Schenkwirtschaft auf der Wallstraße 5 zu betreiben – also einen neuen Standort dafür zu begründen. Dokumentiert ist eine große Kirmesfestlichkeit vom 30. August bis zum 2. September 1925. Drei Jahre später erfuhr die wechselvolle Geschichte des Hauses eine erneute Wendung, als Gregor Klümpen, der die Frau des verstorbenen Josef Brauers geheiratet hat, die Gaststätte nun weiterführt.
Sechs Jahre später starb dann Gregor Klümpen. Der Landwirt Hermann Minten „aus Hanselaer bei Calcar“ stellte schon 1930 ein Wirtschafts-Konzessionsgesuch, erhielt die Konzession im selben Jahr. Die Archiv-Einträge erlauben den Rückschluss, dass die Gaststätte einen hohen Bekanntheitsgrad in der Ortschaft hatte. „Da war vor dem Krieg ein Riesensaal mit einer Riesenbühne. Wir sagten alle damals bei Minten“, erinnert sich die mittlerweile 96-jährige Katharina Schmitz, das wandelnde Gedächtnis Kervenheims und Mitglied der Geschichtsgruppe.
1939 wechselte das Gebäude erneut den Besitzer: Arnold Verhoeven, der bis dahin Pächter des „Hotels zum Schwan“ gewesen war, übernahm die Gaststätte. Sie blieb für längere Zeit im Besitz dieser Familie. Hintergrund der Kaufgeschichte: Auf dem Rouenhof in Kervendonk gab es vier Geschwister: Bauer Peter Heinrich Verhoeven und sein jüngerer Bruder Arnold Verhoeven sowie Maria und eine weitere Schwester, die beide an Typhus oder Diphterie gestorben sind, erzählt „Bio-Bernd“ Verhoeven, der als Angeheirateter verwandschaftliche Verbindungen zu der Geschichte hat. Beide Brüder waren im ersten Weltkrieg.
Arnold bekam später als Erbteil Geld und Ländereien. „Die hat er veräußert und die Gastwirtschaft erworben und umgebaut.“ Als Kervenheim dann eingenommen wurde, „da brannte der Ausschankbetrieb“, erinnert sich Katharina Schmitz.
Ein Jahr später hatte Verhoeven das Ganze wieder aufgebaut, ergänzt Bernd Verhoeven. „Und da wurde in den 60ern eine Bundeskegelbahn daran gebaut. Das war damals der neueste Schrei.“ Auch Katharina Schmitz hat an diese Zeit noch Erinnerungen: „Die haben das Haus wieder aufgebaut, wie es heute da stand. Da bildeten sich in der Zeit die ganzen Kegelvereine. Die Kegelbahn stand da immer noch bis vor dem Abbruch jetzt ganz hinten.“ Arnold Verhoeven betrieb dann mit seiner Frau Helene bis zu seinem Tod 1956 die Gastronomie.
Zwei ihrer sechs Kinder, Johannes und Helene, waren dann als „klassischer Geschwisterbetrieb“ in der Kneipe tätig. Johannes übernahm die Konzession. „Das war die klassische Kneipe für alle Veranstaltungen im bäuerlichen Umfeld. Und es gab da ja noch den ‚Saal Brouwers‘, das war immer die Konkurrentin“, erinnert sich Bernd Verhoeven. Das Geschäft lief wohl auch ganz gut, meint er. „Immer wenn da etwas zu feiern war, waren wir da.
Johannes stand hinter der Theke, Leni hat Kaffee gemacht und gekocht. Sie war eine gute Köchin, da konnte man gut essen. Wir waren sehr befreundet“, ergänzt Käthe Schmitz. Die Kneipe hatte den Flair der 50er-Jahre, sagt Bernd Verhoeven. „Da gab‘s Spanplatten und einen Holzboden innen drin. Und es gab noch eine klassische ‚Pissrinne‘, wo man gegen die Wand strullerte“, kann er sich an das Innenleben des Hauses gut erinnern. Seine Frau und seine Schwägerin kellnerten als Schülerinnen dort. „Hinten lagen die Stallungen, davor eine richtig große Küche.“
Und hinter dem Tresen war das Wohnzimmer. Wenn nötig, wurde die Tür geöffnet und das Wohnzimmer mit für Feiern genutzt. An eine Anekdote erinnert sich Bernd Verhoeven bis heute: „Johannes war ja der Hauptwirt, aber auch Landwirt und hielt im Background der Gastronomie immer noch Sauen. Die kriegten immer das Restebier und hatten immer einen Pegel. Einmal war die Kneipe geschlossen und ich habe die mit Wasser getränkt. Die haben das dann nicht getrunken.“
1994 starb Johannes Verhoeven, seine Schwester führte die Schank- und Speisewirtschaft solange weiter, wie sie konnte. Danach wurde das Objekt mehrfach verkauft. Viel tat sich dort aber nicht mehr. Heute will ein Issumer Bauunternehmer daraus ein kleines Wohnhaus machen. „Ortsbildprägend ist das Gebäude auf jeden Fall. Ich wäre froh, wenn es in der Substanz erhalten bleibt“, meint der Kervenheimer Ortsvorsteher Martin Brandts.