Eine schwierige Diskussion

Etwas mehr als 50 Interessierte waren der Einladung der Initiative „Rettet die Binnenheide“ gefolgt, um über den Bau der OW 1 zu diskutieren, darunter einige Winnekendonker, Mitglieder des Kevelaerer Rates und auswärtige Gäste.
Als Mitglied der Initiative begrüßte Hans Blauert die Gäste. Er bezeichnete den Bau der Straße zur Lösung der Verkehrsprobleme gerade auch mit Blick auf den Güterverkehr, der auf die Bahn gehöre, als „rückwärtsgewandtes Konzept“. Das Projekt verursache einen „großen Umweltschaden“ und „die Zerschneidung der Binnenheide“, führte er grundsätzlich ins Thema ein. „Wir glauben nicht, dass ein Straßenprojekt sowas rechtfertigt.“ Dazu kämen noch die Auswirkungen auf die Artenvielfalt.
Was danach folgte, war eine sehr wenig strukturierte, sehr auf Emotionalisierung setzende Debatte mit der Vermengung diverser Themen. Was fehlte, war eine ausführliche Erläuterung der Pläne über den genauen Verlauf der Strecke und eine darauf fußende, sachliche Argumentation.
BI-Mitglied Ralf Sachs rekapitulierte die lange Geschichte der OW 1 von dem Antrag der Planfeststellung 1978 bis heute, wo zwei Klagen gegen den Bau des zweiten Abschnitts anhängig seien. Danach gab es einige grundsätzliche Statements der Initiativen-Mitglieder.
Der Wettener Michael Pothmann räumte ein, dass es für die OW 1 nachvollziehbare Gründe gebe. „Aber den Preis dafür halte ich für zu hoch“, sprach er von der „Asphaltversiegelung von Wiesen und Feldern.“
Claudia Blauert verwies auf die Habitat-Bäume mit seltenen Tierarten und die Schneise, die damit in der Landschaft entstehen würde. Sie sprach vom nötigen Schutz von Fledermaus, Stein- und Waldkauz und der Bedeutung des Biotopverbundes zwischen Issum, Wetten, Winnekendonk und Kevelaer.
Der Erhalt der Natur sei „das neue übergeordnete Interesse, ob uns das schmeckt oder nicht“, mahnte sie die Aufhebung der Planfeststellung und ein Verkehrskonzept für Kevelaer an. Sie warnte vor mehr LKW-Verkehr als mautfreie Abkürzung zur A 57, der Anbindung an die Gewerbegebiete als „Industrie mit großen Hallen“ und der Option für Kiesabbau in Wetten. Später erwähnte sie allerdings selbst, dass die Wettener Flächen in den aktuellen Genehmigungsplänen gar nicht enthalten sind. Wird der vorliegende Landesentwicklungsplan verabschiedet, wäre das auf 25 Jahre festgeschrieben. „Aber der Kies liegt da, und es wäre das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass da Geld liegt und keiner bückt sich“ , spekulierte Blauert. „Seien wir nicht naiv.“
Blauert sprach vom Szenario eines „Flächenfraßes“, verband die Planungen für die B67n in Uedem, das Sonsbecker Industriegebiet bis zur OW 1 mit dem Industriegebiet Kevelaer Ost und sprach von „300 Fußballfeldern“, die zukünftig in der Region versiegelt würden.
Ähnlich äußerte sich die Alpener Kiesgegnerin Denise Cleve. Es sei „blauäugig, zu glauben, dass die Straße für Menschen gebaut“ werden solle. Es gehe ums Geld. im Ruhrgebiet lägen verseuchte Industrieflächen brach, dafür erschließe man den Niederrhein. Die OW 1 sei die Vorbereitung dafür. „Der Niederrhein verkommt zum Industriegebiet“, so ihre Aussage.
Der Achterhoeker Landwirt Johannes Krebber warf der Stadt vor, mit dem Versprechen der OW 1 Gewerbegebiete angesiedelt zu haben und so eine Steigerung des Verkehrs in den letzten 20 Jahren bewusst in Kauf genommen zu haben. Und nun habe man als Rat „Druck gemacht“, „weil man die Zufahrt für die Gewerbegebiete braucht und weil Geld dahintersteht.“ Er regte eine Sperrung der Ortsdurchfahrt Winnekendonk für den Durchgangsverkehr an.
Auch der Gelderner Jannik Berbalk, ein Schüler-Aktivist von „Fridays for future“, sprach von einer „total sinnlosen“ Straße durch Naturflächen. Er argumentierte mit der Versiegelung und spekulierte über „50 Millionen Euro Kosten“ für die Straße. Daneben beschrieb er das grundsätzliche Szenario eines Meeresanstiegs in der Region um 20 Meter.
Es meldeten sich aber auch andere Stimmen zu Wort. Der Kevelaerer Ditmar Schädel machte als Anlieger der Rheinstraße ganz klar deutlich, dass er seit 20 Jahren unter den Bedingungen des Lärms dort lebt und leidet. „Wir brauchen die OW 1, um die Wohnbedingungen da zu verbessern.“
Das gelte für hunderte von Menschen, die angesichts des Verkehrs dringend eine Entlastung brauchten, „ohne zweite Niersquerung ist Winnekendonk nunmal nicht zu entlasten. Und die ist nicht da“.
Im Nachgang der Diskussion wies Schädel gegenüber dem KB noch auf die offiziellen Messungen und Zählungen hin, die die Verkehrsbelastung eindeutig belegen. Demnach wurden auf der Rheinstraße zwischen Niersbrücke und B 9 ein tägliches Verkehrsaufkommen von 642 LKW und 13.250 PKW gezählt. Und was die Geschwindigkeiten betrifft, hält sich in der Nacht nachweislich nur ein geringer Teil der FahrerInnen an das Tempo-30-Gebot.
Das Winnekendonker CDU-Ratsmitglied Burkhard Bonse stellte die Frage, ob man sich tatsächlich „ein Kevelaer ohne Gewerbegebiete und Arbeitsplätze“ wünsche. Winnekendonk partizipiere davon in Bezug auf Gewerbesteuern, mit denen man etwa Kindergärten mit finanziere. Und man rede nicht von Orten wie Sonsbeck oder Alpen, sondern von Kevelaer. Hubert van Meegen (CDU) machte deutlich, dass er den Verwaltungsgerichten in Sachen OW-1-Entscheid vertraue.
Und Matthias Wirth, Mitglied im CDU-Stadtverbandsvorstand, machte deutlich, dass viele Argumente „heiße Luft“ seien und „auf ,hätte‘, ,wenn‘ und ,könnte‘ beruhten. Es sei unredlich, „Gewerbe und Arbeitsplätze gegen Umwelt zu stellen. Die Menschen, die hier wohnen, müssen auch arbeiten.“
Die Reaktionen seitens der Initiative darauf waren phasenweise nicht besonders souverän. Man appellierte an die „Empathie“ des Gegenübers, interpretierte das Verhalten herablassend. „Ich möchte kein hämisches Grinsen mehr sehen“, wurde Claudia Blauert sogar fast persönlich, sprach von „Realitätsverleugnung.“
Am Ende des Abends verständigten sich alle Anwesenden darauf, irgendwie „den Schulterschluss für die Umwelt im Auge“ zu behalten und den Dialog zu suchen. Die Art und Weise, wie die Debatte geführt wurde, dürfte dazu allerdings nicht viel beigetragen haben.