Eine Leiche im Lotto-Dorf – Ein Stück Heimat

“Wir lassen schon mal die Fetzen fliegen, aber bewusst kein Blut fließen“, fasst Thomas Hesse eine der Grundkonstanten der schriftstellerischen Arbeit zusammen, die ihn seit über zehn Jahren mit der Xantenerin Renate Wirth spannende Mordfälle am Niederrhein erfinden lässt.
„Dabei braucht es schon eine gewisse Seelenverwandschaft, aber auch Unterschiede und diese gewisse Energie“, umschreibt er in groben Zügen den Schaffensprozess, der den früheren Weseler Journalisten und die Xantener Gestalttherapeutin und Künstlerin für die mittlerweile zehnte Krimiausgabe erneut zusammengeführt hat.
„Dabei ist es für uns wichtig, den niederrheinischen Tonfall und die Charaktere zu treffen“, betont der 64-jährige Autor, der von Wuppertal vor 28 Jahren an den Niederrhein kam. „Neuzeitlicher als Hüsch und die Orte müssen stimmen. Es ist ja für den Leser ein Stück von Dir, ein Stück Heimat.“
Diesmal heißt das Buch „Der Storch“ – womit das Duo der Gewohnheit treu bleibt, jedem ihrer Bücher einen Tiernamen zu geben. „Das ist der Hinweis auf den Niederrhein als „Storchenland“, macht Hesse deutlich. „Mittlerweile gibt es hier in dem Bereich Kreis Wesel/Kreis Kleve/Isselburg so um die 40 Storchenpaare“, macht er die Sympathiewirkung des Tieres deutlich. „Der emotionalisiert absolut positiv.“
Zum anderen knüpfen die beiden in ihrem neuen Krimi an ihrem Erstling „Das Dorf“ – dem einzigen Buch ohne Tiernamen – an. Auch dort spielt die Handlung in dem „Storchen“-Dorf Bislich-Büschken. „Das gab es damals auch noch nicht“, hatten die beiden schon damals einen dramaturgischen Kunstgriff angewandt, um sich ein wenig künstlerische Freiheit zu verschaffen.
Und sie zitieren ganz bewusst aus vorherigen Krimis – wie aus der „Eule“, wo es in der Nähe Kevelaers eine Sekte gab, die einen Unfall inszenierte. „So machen wir es dem Buchhandel leicht, die müsssen uns ja auch mögen“, schmunzelt der Krimiautor. Und dem Leser, der auch Spaß an diesen Zitaten aus früheren Stoffen finden kann.
Diesmal geht es um die Dorfgemeinschaft, die als Tippgemeinschaft den 60-Millionen-Lotto-Jack­pot geknackt hat – der besagte Schein mitsamt desjenigen, der ihn abgeben sollte, aber abkömmlich ist, ein Filmemacher, der nicht mitgetippt hat und im Dorf wohnt, versucht, die Leute zu erpressen, und auf dem Friedhof eine Leiche findet.
Hochtrabender Plan: Bau eines Wellness-Hotels
Der Krimi fächert dabei auf, wie aus Euphorie und hochtrabenden Plänen – wie den Bau eines Wellness-Hotels oder eines Euregio-Musterdorfes für den Naturschutz – die Pechsträhne folgt. „Es wird lange nicht klar, ob es ein Mordfall ist, ob es ein Unglücksfall war oder inszeniert“, will Hesse aber natürlich nicht die Auflösung des Falles verraten.
Den klärt wieder das erfahrene Kommissarteam um Karin Krafft auf, die nach ihrer Entführung im neunten Teil nach einer Rehaphase noch angeschlagen ist, deren Mutter auch in dem Dorf lebt und Mitgewinnerin ist. „Sie muss den Regeln ihres Berufes folgen, arbeitet mit, zieht sich ab einem bestimmten Punkt zurück, aber im Hintergrund weiter die Fäden.“
Und wie immer bietet der Krimi eine Weiterentwicklung seiner Protagonisten und eine gute Prise Humor – mit Kraffts Assistenten Nicolas Burmeester, der als Teil der Tippgemeinschaft bei Kraffts Mutter in dem Dorf lebt und seine türkische Freundin heiraten will.
Das führt zu wunderbar-witzigen Situationen, als Burmeester versucht, mit Kommissar Gero von Aha die Details des Brautwerbens einzustudieren und den Patriarchen von seiner Seriosität zu überzeugen.
Zurzeit befinden sich Hesse/Wirth auf Niederrhein-Lesereise und erfreuen sich an den bisher durchweg positiven Reaktionen auf das neue Werk. Dass es einen elften Niederhein-Krimi geben wird, davon geht Hesse felsenfest aus. „Ideen gibt es noch genug“, meint der versierte Schreiber. Die Fans wird´s freuen – aber die dürfen jetzt erstmal noch den aktuellen „Lesestoff“ bewältigen.