Eine große Geste für einen kleinen Jungen

Als Sebastian Müller mit seinen Teamkameraden in der Halbzeitpause in der Kabine saß und eins seiner Kinder auf dem Schoss hatte, hatte der jungen Familienvater eine Sekunde um zu reflektieren, was gerade passierte: „So viele Menschen, die helfen wollen. Das ist der Hammer.“ Zugunsten seines an Krebs erkrankten Sohnes trat der Kreisligist SV Union Kervenheim in einem Benefizspiel gegen den Landesligisten SV Hönnepel-Niedermörmter an.
Über 500 Zuschauer säumten die Et Everdonk-Platzanlage, spendeten, nahmen an der Verlosung teil und unterstrichen mit ihrer Anwesenheit die persönliche Verbundenheit mit dem Schicksal des dreijährigen Jungen. „Wir haben vor zwei Monaten erfahren, dass Fynn einen Gehirntumor hat“, erklärt der Präsident des Klubs, Rainer Kürvers, den Grund für die Veranstaltung. „Da kam aus dem Team selbst der Wunsch, was zu tun.“
Der sportliche Leiter des SV, Thomas van Wickeren, wandte sich daraufhin an den Landesligisten. „Unser Coach Georg Mewes hat sofort zugesagt“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des SV Hö-Nie, Christian Knippschild. „Das ist ein Schicksal, das keinen kalt lässt. Das kann jedem von uns passieren. Da kann ich mich als Patenonkel voll reindenken.“
Mewes selbst machte klar: „Ich hab‘s gehört, den Jungs gesagt und wir alle haben nicht lange überlegt. Wir wollen zeigen, dass es Wichtigeres gibt als Fußball.“ Und sein Mannschaftskapitän Stephan Schneider fügte an: „Das ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Wir hoffen für den Jungen nur das Beste. Für uns ist das eine gute Sache, so ein Highlight damit zu liefern.“
Als der SV das Ganze dann über Facebook verbreitete, „ging das durch die Decke“, erzählte Rainer Kürvers. „Wir bekamen Zuspruch von Vereinen und Unternehmen.“ Man hoffe, dass was Erkleckliches dabei zustande komme.
Ganz praktisch packten der Vorsitzende Peter Schlossarek und seine alten Herren vom SV Viktoria Winnekendonk mit an: „Der Sebastian hat auch bei uns im Verein gespielt. Wir fühlen uns da natürlich solidarisch, und wenn es nur die Arbeit hier am Getränkestand ist.“
Neben Fußball sorgten Hüpfburg, Kinderschminken, Fotoshooting sowie kulinarische Köstlichkeiten für eine familiäre Atmosphäre. „So ein Schulterschluss war hier noch nie da. Wenn es um das Leben eines Kindes geht, dann mobilisieren alle“, meinte der Kervenheimer Ralf Koenen.
Für Udo und Renate Klusmeier war das Kommen keine Frage: „Wir haben selbst drei Kinder großgezogen, meine Schwester hatte behinderte Zwillinge, von denen eins gestorben ist. Bei sowas hier hätte ich selbst gerne gekickt“, erzählte Klusmeier, der vor Jahrzehnten zusammen mit Frank Mill bei Rot-Weiß Essen in der zweiten Liga gespielt hatte.
Sogar die „Night Riders“-Rockergruppe aus Kleve war gekommen, nachdem sie von dem Schicksal des Jungen erfahren hatten. „Wir wollen was Gutes tun für den kleinen Mann. Es gibt nichts Schlimmeres als diese Krankheit“, so Daniel, der Präses vom Chapter Kleve. Und der Betriebsrat der Gelderner Firma Fonteyne, wo Sebastian Müller arbeitet, übergab dem Vater einen Geldumschlag. „Da haben alle 136 Kollegen für zusammengelegt“, versicherte der Betriebsratsvorsitzende Roland Hamann.
So verwirklichte sich der Gedanke des Kervenheimer Ortsvorstehers Martin Brandts. Bei einem „außergewöhnlichen sportlichen und menschlichen Ereignis“, ginge es darum, „Fynn und seiner Familie Kraft und Mut zu schenken und zu zeigen: Ihr seid gerade in wirklich schwierigen Zeiten nicht allein.“ Sebastian Müllers Ehefrau Mandy zeigte sich überwältigt, dass so viele Menschen da seien. „Dass das so ein Ausmaß annimmt, damit hatte ich nicht gerechnet“, sagte die 27-Jährige. Ihr Junge bekomme die ganze Zeit Chemo. Der Tumor sei entfernt worden, aber es gebe aufgrund der Streuung noch Reste. Langsam fange ihr Sohn wieder an, sich zu bewegen und zu sprechen.
„Das hat uns alle aus der Bahn geworfen und das Leben komplett verändert“, erinnerte sich Oma Dagmar Müller an die Zeit seit dem 12. Mai, als Fynn ins Hospital kam. „Das hier ist eine große Hilfe“, blickte sie voraus auf die Zukunft, wenn Vater Sebastian wieder ins Berufsleben voll zurückkehren muss, der Junge aus dem Krankenhaus kommen sollte und zu Hause noch lange betreut werden muss.
Am Ende siegte der Landesligist standesgemäss mit 6:0. „Das ist im Rahmen“, fand Rainer Kürvers. Klar war aber auch, dass das Ergebnis überhaupt nicht wesentlich war. SV-Geschäftsführer Rainer Kaiser fasste zusammen, was alle dachten: „Die „Sieger heute sind Fynn und seine Eltern.“
Aufstellung und Torschützen
Union Kervenheim: Gunkel, Schiks, Schmitz, Piper, Baers, Müller, van de Loo , Horsten, Cleve, Machat, Wischnewski (eingewechselt: Jacobsen, Geurtz, Engler, Stickel, Tüffers)
SV Hö-Nie: Hauffe (46. Sheridan), Schütze, Weiß, Schneider, Boldt (46. Kimbakidila), Yildirim (46. Ntinas), Plum, Fritsch, Müller (46. Simsek), Hermsen (46. Can, 68. Zitzke), Kratzer (68. Hanysek).
Tore: 0:1 Weiß (14.) 0:2 Boldt (21.) 0:3 Kratzer (39.) 0:4 Hanysek (70.) 0:5 Ntinas (75.), 0:6 Kimbakidila (88.).