„Eine ganz starke Nummer“

Ein überdimensionales Herz zierte am Wochenende den großen Platz rund um die Häuser am Kreuzweg. Stundenlang hatten Alina, Lucia, Hanna und Hanne an dem Kreide-Kunstwerk gearbeitet, dabei natürlich den Abstand gewahrt und sich da schon mal ein Gläschen gegönnt. Inmitten des Herzens standen die Namen der beiden Jungvermählten – Louis und Julia – die die vier jungen Damen erwarteten. „Die beiden haben sich auf einem BWL-Auslandssemester in Spanien kennengelernt“, berichtete Alina, die mit den anderen auf Klappstühlen in angemessenem Abstand Platz nahm und das Sektglas zum Anstoßen bereithielt. „Trotz der aktuellen Situation, weil ja Standesamt und eine Feier mit Leuten nicht so richtig gehen, wollten die beiden trotzdem heiraten“, erzählte die 26-Jährige. So entstand eine ungewöhnliche Idee.

Denn die Twistedenerin Jana Bogers und die Essenerin Lena Leitreiter wollten sich ihre „Rolle“ als Trauzeuginnen nicht nehmen lassen. „Zur Trauung ins Bühnenhaus durften nur die beiden mit der Standesbeamtin und einer Fotografin rein“, erzählte Bogers. „Und sonst macht man nach der Trauung ja einen Sektempfang, aber alles an Feiern geht ja wegen Corona nicht.“ So überlegten die beiden im Vorfeld, wie man diesen Tag irgendwie besonders machen kann.

In einer Art „Nacht- und Nebel-Aktion“ entwarfen sie den Plan, verschiedene Stationen mit Verwandten, Freunden und Bekannten des Paares zu organisieren. Und so funkten die beiden das gesamte Umfeld an. „Wir hatten nur die Stationen vorgegeben. Was die da an Aktionen machen, das haben wir denen selbst überlassen.“ An insgesamt 25 Stationen – vom Hotel Klostergarten über das Hülsparkstadion bis zum Twistedener Dorfplatz – platzierten sich die Freunde, Anverwandten und Bekannten, natürlich coronagemäß mit Abstand. 

„Einfach Wahnsinn“

„Wir waren total geflasht, wie kreativ alle waren“, wirkte Bogers nach Abschluss der zweieinhalb Stunden andauernden Tour fast so sprachlos wie das Ehepaar. „Einfach Wahnsinn.“ Freunde, mit denen das Paar 2019 in Afrika war, wo im südafrikanischen Kapstadt auf dem Tafelberg auch der Hochzeitsantrag erfolgte, hatten sich als Ranger verkleidet „und das Original-Bier aus Windhoek in Namibia mit dabei.“ Ein Kegelclub hatte via Ipad einen guten Freund von der Bundeswehr aus München auf einen Hocker „dazugestellt“, damit er den besonderen Moment der Freude mitbekommt.

An einem Pavillon des Onkels durften die beiden den Hochzeitstanz vorführen. Es gab auch einen „Hochzeits-TÜV“ einer Gruppe, die sich wie bei einem Boxenstopp verkleidet hatte und das Ehepaar „prüfte“. Und dann gab es die Kreide-Aktion der Freundinnen am Kreuzweg. „Das ist echt aufregend, wir sind voll überrascht“, konnte die 29-jährige Braut ihr Glück ob der besonderen Hochzeit kaum in Worte fassen. „Eigentlich hatten wir uns auf einen ruhigen Tag eingestellt“, sagte die Braut. Auch ihr drei Jahre jüngerer Bräutigam war in Unwissenheit gelassen und so auch von der Geschichte komplett überrollt worden. „Eine ganz starke Nummer“, war das, was er angesichts der vielen Eindrücke da nur noch sagen konnte. Er stieß am Kreuzweg mit den Mädels auf die Hochzeit an.

An der Biegstraße mussten die beiden mit dem Wagen durch den klassischen Hochzeitsbanner hindurchfahren, eine Tante hatte woanders die Hochzeitstorte zum Anschneiden vorbereitet. Und am Twistedener Dorfplatz hatte die Gärtnerfamilie ein Riesenherz aus Petunien gestaltet. „Wir sind ja eine Gärtnerfamilie“, musste Bogers nur das Stichwort „Gartencenter Breuer“ nennen. „Und Julia arbeitet jetzt bei ‚Gasa Germany‘ in Kevelaer, hat also jetzt auch mit Blumen zu tun.“

In Twisteden endete bei den Eltern des Bräutigams die Tour. Dort fand sich wirklich nur der allerengste Kreis zu einem kleinen Grillabend zusammen, der bis in den späten Abend andauerte. Freuen können sich die beiden nun auf ein gemeinsames Leben, das mit einer einmaligen Hochzeit als bleibende Erinnerung begann – dokumentiert vom Cousin der Braut mittels einer Drohne und vom Kevelaerer Blatt.