Eine Ära geht zu Ende

„Schönen guten Morgen – wie kann ich Ihnen helfen?“, empfängt Marianne Kohfeld mit einem strahlenden Lächeln ein älteres Ehepaar – und kommt direkt mit ihnen ins Gespräch.
Kommunikation ist eine der besonderen Stärken der 75-jährigen Wahl-Kevelaererin. Seit 1984 bietet sie in ihrer „Kunststube“ in der Busmannstraße 30 Dinge wie Seidenblumen, Floristik, Accessoires, Geschenkartikel und Tischdecken an.
29
Das Leben von Frau Kohfeld

„Ich komme aus Duisburg, bin aber in Pommern geboren“, plaudert sie dann ganz entspannt aus dem persönlichen Nähkästchen. „Ich war dann 17 Jahre in Sonsbeck, war auch schön. Da hab ich das alles hier nebenbei gemacht“, verrät die frühere Justizangestellte.
„Ich war zehn Jahre am Gericht in Duisburg, 25 Jahre in Geldern am Amtsgericht als Protokollführerin“. Bis heute besteht zu den damaligen Kollegen noch guter Kontakt, worüber Marianne Kohfeld sehr glücklich ist.

Aber der Laden an der Busmannstraße, „das war mein liebstes Kind“, gesteht Kohfeld. 1984 ergriff sie eher aus Verlegenheit die Chance, einen Laden zu eröffnen. „Mein Mann verlor die Arbeitsstelle, dann haben wir aus der Not das Geschäftsmodell gemacht.“
Zu der Zeit „war das auch „so ´ne Marktlücke, so mit Salzburger Gebinde und sowat. Ich hatte nachher sechs Mädchen bei mir zuhause, die für mich angedrahtet haben“, erinnert sich Marianne Kohfeld lebhaft. Und das alles, obwohl sie selbst zugesteht: „Ich bin in Handarbeit eine Null – und das hat sich so weiterentwickelt.“
Dann wurde bei Veronika Ophey etwas frei und trotz der Zweifel am „Sträußkes-Verkauf‘ denkt sie gerne an diese Zeit zurück. „Wir hatten so viele Freunde, – und wir hatten tolle selbstgeschmiedete Lampen. Das lief von ganz alleine.“

Die Veränderung

Im Laufe der Zeit holte sie immer mehr Kunden ran – auch aus Köln, Mönchengladbach, Düsseldorf, sogar aus München oder Salzburg, die bei ihr bestellten, denen sie die Ware schickte. „Die Leute wussten immer: Das ist kein gewöhnlicher Laden und hier gibt´s mal lecker Sekt oder Kaffee.“ Eine großartige Verkäuferin sei sie nie gewesen, die Menschen seien einfach gekommen und hätten gekauft, sagt sie.
Ein Ergebnis ihrer Arbeit und ihres Fleißes war die Verleihung des Kevelaerer Marketing-Preises 1992. Sechs Tage später hörte sie bei der Justiz auf – und arbeitete ganze Tage im Laden.

„Wir haben sehr viel hier miteinander gefeiert, das war eine super Kameradschaft.“ Das habe ein bisschen nachgelassen. „Weißte, da kommen neue und junge Leute, die machen das nicht so. Und die anderen sterben halt alle weg. Das ist halt Veränderung“, konstatiert sie nüchtern.
Heute bleiben die Kunden bei ihr zunehmend aus, weil die langjährigen Stammkunden eben auch älter werden „und auch, weil kein Sonntag mehr ist“.

Der Sonntag fehlt

Da fahren ihre Kunden dann eher nach Venlo, Brüggen oder Marienthal, wo man alles in einem machen kann – Shoppen, Kaffee trinken und beten. Das habe sie als Inhaberin hart getroffen. Zu diesem Thema will Kohfeld nicht viel sagen oder bewerten. „Meine Ära ist vorbei“, sagt sie.

Dazu kommt noch die persönliche Komponente mit dem Tod des Ehemannes vor drei Jahren, weswegen ihr das Ganze „nicht mehr so viel Spaß macht“ wie früher. Froh ist sie aber darüber, „dass wir neun Monate vorher Goldhochzeit mit den Kollegen von der Straße gefeiert“ haben. „Da hatte er richtig Spaß.“
Jetzt ist für sie die Zeit des Umbruchs gekommen. „Ich verkauf‘ auch mein Haus, mach den Laden zu, alles bis zum Jahresende.“

Marianne Kohfeld will in eine Wohnung nach Xanten ziehen und nach zehn Jahren ohne Urlaub „vielleicht noch ein bisschen reisen.“ Kevelaer wird ihr sicher im Herzen bleiben – und vielleicht werden die Stadt und ihre Menschen diese Frau mit ihrer unverfälschten, direkt-menschlichen Art auch vermissen.