Ein wackeliger Meilenstein

Es ist das alte, sicherlich oft zu Unrecht bemühte Bild eines „Meilensteins“, das einem in den Sinn kommen wird, wenn man an den wohl wahrlich „historischen Moment“ der Übergabe des Planfeststellungsbeschlusses zur „L486n“ zurückdenkt. Länger als ein halbes Jahrhundert hat es gedauert, bis der zweite Teil der Ortsumgehung – zumindest auf dem Papier – die Wallfahrtsstadt erreichte. Am Dienstagabend war es soweit: Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher übergab persönlich das 360 Seiten starke Werk an Bürgermeister Dominik Pichler. „So weit waren wir in 60 Jahren noch nie“, stellte der Erste Bürger Kevelaers fest, machte bei aller Euphorie im Ratssaal aber auch klar: „Das ist noch nicht das Ende des Weges.“

Auch die Regierungspräsidentin dämpfte zu hohe Erwartungen: „Eines ist klar – morgen rollt der Bagger noch nicht.“ Der Beschluss sei jedoch eine gute Grundlage, im Regierungspräsidium habe im Rahmen des Verfahrens eine „sehr intensive Prüfung“ stattgefunden, bei der sich „Planer und Naturschützer“ hausintern auch kontrovers mit dem in Kevelaer seit langer Zeit virulenten Thema auseinandergesetzt hätten. Das auf 360 Seiten festgehaltene Ergebnis „müssen wir jetzt erstmal lesen“, erklärte Verwaltungschef Pichler ganz pragmatisch. Ludger Holla von der Stadtverwaltung kündigte in der Sitzung im Ratssaal an, das Werk, in dem er da als erster Verwaltungsmann gerade blätterte, werde voraussichtlich nach den Weihnachtsferien ab dem 22. Januar der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Angesichts des Umfanges, aber auch des sich formierenden Widerstands, bot die Regierungspräsidentin an: „Planer und Naturschützer kommen gerne zu Ihnen“, der Beschluss könne „in persönlichen Gesprächen“ mit Mitarbeitern ihres Hauses erläutert werden. Bürgermeister Dominik Pichler sagte im Verlauf der Sitzung mehrfach, die Stadt werde als nicht unmittelbar beteiligte Behörde gerne auf diese Gesprächsangebote hinweisen.

Fragen an den Bürgermeister

Nach der Unterzeichnung der „Empfangsbekenntnis“ ließ Pichler unter dem Tagesordnungspunkt „Fragen an den Bürgermeister“ auch die beiden Betreiberinnen der Internetseite „www.ow1aktuell.info“ zu Wort kommen.

Die Künstlerin Fredda Wouters aus Winnekendonk erklärte, mit der OW1 werde ein „gigantisches Höhenbauwerk“ die Landschaft zerschneiden. Zudem werde eine Auskiesung in Wetten durch einen „Großgrundbesitzer“, die 2007 in Verbindung mit dem Ausbau der OW1 gebracht worden war, „nicht mehr thematisiert“. Ob die OW1-Planungen „nicht im Widerspruch zum neu entwickelten Markenkern“ der Wallfahrtsstadt mit Eckpunkten wie Solegarten und Gradierwerk stünden, wollte sie unter anderem wissen.

Entlastung der Stadt vom Autoverkehr

Die OW1 solle doch gerade „die Stadt vom Autoverkehr entlasten“, erklärte Pichler daraufhin. Das Thema „Auskiesung“ sei zudem nach seinem Kenntnisstand „kein Thema mehr“. Der Bürgermeister kritisierte zudem die auf der entsprechenden Internetseite gemachte Angabe zum räumlichen Umfang des Projektes. Die dort angeführten 45 Hektar seien „frei gegriffen“. Auf einer Folie der Bezirksregierung sei diese Angabe gemacht worden, jedoch seien darin nicht nur die weitaus geringere neue Verkehrsfläche enthalten, sondern auch Kompensationsflächen wie die durch den Bau zu verlegenden Wirtschaftswege. „17 Hektar Straße, 28 Hektar Kompensationsflächen“ lautet das Ergebnis, das Pichler ausgerechnet hat.

Claudia Blauert berief sich bei ihren Fragen auf „die Pläne von 2011“ und fragte nach, wann es die letzte Bürgerbeteiligung zur OW1 gegeben habe. Sie prophezeite zudem eine starke Zunahme des LKW-Verkehrs durch das neue Teilstück der Landstraße: Es sei eine „mautfreie Abkürzung, wir werden auf dieser Straße enorm mehr LKW haben“. Ob dies und eventuelle Alternativen durch Sachverständige in Gutachten geprüft worden seien, wollte die Winnekendonkerin wissen.

Regierungspräsidium ist die zuständige Behörde

„Die Fragen haben durchaus ihre Berechtigung“, sagte Dominik Pichler, „sie können aber nicht von mir beantwortet werden.“ Noch einmal verwies er auf das Gesprächsangebot des Regierungspräsidiums als für das Verfahren zuständige Behörde. Auf wie wackeligen Beinen der „Meilenstein“ für die Ortsumgehung steht, machte er aber beim abschließenden Hinweis auf die Rechtslage auch deutlich: „Sobald Klage eingereicht wird, passiert erstmal nix.“