„Ein undemokratischer Coup“
Drastische Worte fallen im Rat der Stadt Kevelaer recht selten – dass ein Ratsmitglied aber gar von einem „undemokratischen Coup“ spricht, dürfte in den Debatten der letzten Jahre ein Novum gewesen sein. Die Person, die diese Worte wählte, war der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Röhr. Anlass seiner fünfminütigen Rede war ein Thema an diesem Tag, das sich im nicht-öffentlichen Teil der Tagesordnung wiederfand: „Genehmigung einer Dringlichkeitsentscheidung gemäß §60 GO NRW: Verzicht auf ein Vorkaufsrecht.“ Das Objekt, um das es ging, war das „Kaufcenter”-Areal am Roermonder Platz, das der Kevelaerer Jochen Schoofs mittlerweile erworben hat – nachdem in einem kurzfristigen Dringlichkeitsentscheid auf das Vorkaufsrecht der Stadt verzichtet wurde.
„Es ist kein beliebiges Objekt, sondern zentral bestimmend für unsere Stadt. Das ist mit die wichtigste Fläche nach dem Kapellenplatz und dem Rathausplatz“, führte Röhr aus. „Bei der Neugestaltung dieses Platzes waren wir davon ausgegangen, dass die Einflussnahme der Stadt insofern stattfindet, als dass sie sich um den Kauf bemüht.“
Schon zu Pahls Zeiten „war eigentlich klar: In dem Moment, wo dieses Objekt zu verkaufen ist, bemüht sich die Stadt intensiv darum, das Objekt zu erwerben.“ Das sei lange auch einhellige Meinung gewesen. „Unsere beiden Stadtplanerinnen haben vor zwei Jahren so einen fiktiven Plan gemacht, was man dort machen könnte.“ An der Fläche hingen „Zukunftsideen für die Stadt und wie man verkehrlich damit umgeht.“
Man halte es für wichtig, „dass nicht ein Investor kommt, der natürlich nach den Kriterien der Wirtschaftlichkeit da agieren muss, sondern wir haben immer gesagt: Besser wäre, wir hätten das Heft des Handelns in der Hand und suchen uns ein Investor, der baut, was wir gerne hätten.“ Zumal es da auch noch bei den Parkplätzen ungelöste Fragen gebe. „Denn die Parkplätze gehören jetzt dem Investor.“ Man sei deshalb „ziemlich enttäuscht“ gewesen, „als wir im Dezember durch Zufall erfuhren: Ein Kevelaerer Investor hat das Gebäude gekauft.“ Man habe dann im Stadtentwicklungsausschuss angeregt, ein Rechtsgutachten einzuholen, um eventuell noch das Vorkaufsrecht auszuüben “in der Hoffnung, da reinzugräschen.“
Ohne den endgültigen Ratschlag des Rechtsanwalts abzuwarten, „mussten wir dann einen „Coup“ erleben, und zwar aus meiner Sicht einen äußerst undemokratischen Coup, den sich die CDU gemeinsam mit der KBV zusammen geleistet hat“, wählte Röhr dann besagte drastische Worte. Das sei ohne Not geschehen, „denn eigentlich muss bei Dringlichkeitsentscheidung nach §60 der Gemeindeordnung ein erheblicher Nachteil oder Schaden für die Stadt drohen, um diese Entscheidung zu unterschreiben.“ Dieser Schaden sei „in keinster Weise“ gegeben gewesen. „Das galt nur für den Investor, der nicht den Kauf hätte durchführen können. Der Stadt wären keine Nachteile entstanden.“
Mit „diesem Coup durch CDU und KBV“ sei der Politik „das Heft des Handels vollkommen aus der Hand genommen worden.“ Man könne zwar noch versuchen, jetzt dagegen zu stimmen, aber die Mehrheit werde das nicht zulassen. Und dann müsste man als Stadt entsprechend in Regress gehen, und das sei „bei den Summen kaum möglich.“ Röhr kritisierte scharf, dass „uns als Grüne und mir als Ratsherr eine vernünftige Mitwirkung am gesamten Vorgang entzogen worden“ sei. Die Verwaltung habe sich zwar entschuldigt, „aber eigentlich hätten die Parteien nach Paragraph 9 der Gemeindeordnung unverzüglich darüber informiert werden müssen.“ Das sei aber erst eine Woche später überhaupt geschehen. „Das zeigt, wie wenig wir beteiligt waren oder wie wenig man uns daran beteiligen wollte.“ Röhr drückte die Hoffnung aus, dass die Stadt bis zur nächsten Sitzung einen Bebauungslan mit Veränderungssperre aufstelle, „um wenigstens bei den Verhandlungen um die Bebauung dieses Platzes – Abriss oder Umbau – eine gewisse Einflussnahme“ zu haben.
Auch die FDP äußerte Kritik – allerdings mit einer vollkommen anderen Diktion. „Auch die FDP ist der Meinung, dass die Diskussion über ein Vorkaufsrecht in eine öffentliche Sitzung gehört hätte, weil die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Stadt nur im öffentlichen Interesse erfolgen darf. Wenn ein öffentliches Interesse bestehen könnte, dann hat auch die Öffentlichkeit Anrecht darauf, die Diskussion mit verfolgen zu können.“
Diese Rechtsauffassung werde vom Oberverwaltungsgericht Münster nicht geteilt, verwies Verwaltungschef Dominik Pichlder auf ein Urteil aus dem Jahr 2016, das er den Fraktionen hatte zukommen lassen. Andere Gerichte sähen das aber anders, konterten die Freien Demokraten, die Auffassung werde von der FDP nicht geteilt. „Wir wollen schon verdeutlich, dass wir das bedauern.“
Dominik Pichler verwies darauf, dass auch der damalige Landrat ihn bestärkt habe, die Debatte nicht-öffentlich zu führen. „Da war wenig Spielraum als Behörde, anders zu entscheiden. Es ist nicht unsere Aufgabe, juristische Meinungstreitigkeiten zu führen.“ Eine weitere Debatte zu dem Punkt fand im öffentlichen Teil nicht mehr statt.
Weitere Infos zur Ratssitzung und Stellungnahmen zum Thema „Kaufcenter” folgen.