Ein Pensionär startet durch

Sein ganzes Berufsleben hat Günther Thomas schon bei der Bahn verbracht. Seit einigen Jahren könnte er eigentlich seinen Ruhestand genießen. Doch nun hat sich der Vollbluteisenbahner mit 69 Jahren selbständig gemacht. In der Verkaufsstelle Goch hilft er nun Kunden dabei, ihre richtige Fahrkarte zu finden und hofft, selbst auch einen kleinen Beitrag für den guten Ruf der Deutschen Bahn leisten zu können.

Schon als Kind wollte Günther Thomas gerne Lokführer werden. Der gebürtige Lüneburger, der mit seiner Familie 1957 zurück ins Rheinland zog, ging gleich nach seinem Schulabschluss zur Bahn. Dreieinhalb Jahre dauerte seine Ausbildung zum gelernten Starkstromtechniker, heute Energieanlagenelektroniker genannt.

Nach seiner Ausbildung im Ausbesserungswerk in Krefeld-Oppum kam er zum Signaldienst in Krefeld, doch schon nach einem Monat konnte er in ein modernes Fernmeldeamt wechseln. 1978 kam die Computertechnik auf und an den jungen Techniker wurde die Frage herangetragen, ob er nicht auch Computertechniker lernen möchte. Er sagte sofort zu und absolvierte erfolgreich seine Ausbildung. Während sein Büro in Köln war, war er aber im Dienst überall eingesetzt und bekam schließlich den Bereich Niederrhein zugeteilt. „Wir waren damals eine Elitetruppe. Wir waren die ersten Beamten, die ein eigenes Auto hatten mit Zweimeter-Funkantennen. Wenn wir irgendwo eine Besprechung hatten, staunten alle nur über unsere Autos!“, erzählt er rückblickend.

Damals hatte die Bahn noch einen super Ruf und die Arbeit machte ihm immer Spaß. Im Lauf seiner beruflichen Karriere bei der Bahn konnte er alles kennenlernen und hat inzwischen so viel Kenntnis von Fahrleitung, Stellwerk, Signalaufbau, Technik, dass er ein richtiger Bahn-Allrounder geworden ist. „Ich könnte bei der Bahn überall einspringen, wo Not am Mann wäre“, ist er überzeugt.

Statt aber nun mit 69 Jahren die Füße hochzulegen und seine Pension zu genießen, hat er sich noch einmal selbständig gemacht. Als die DB-Agentur sich aus dem Bahnhofsgebäude in Goch zurückziehen wollte, startete Thomas, der bisher noch als Aushilfe im Team war, in Eigenregie durch. Am 1. September eröffnete er die „Fahrkartenagentur Goch“ und freut sich, dass er weiterhin für den guten Ruf der Bahn arbeiten kann. Von 8 bis 16 Uhr wurde die Wiedereröffnung mit Sekt, Kaffee, Orangensaft und Spielen für die Kinder gefeiert.

Seine Frau Karin half ihm als Hostess, der frühere Kollege Johannes Peters ist nun sein Angestellter. Es gab gleich am ersten Tag regen Betrieb, oft standen 14 Leute an, um bei ihm Fahrkarten zu kaufen. „Bisher bekam ich nur positiven Zuspruch. Alle sind froh, dass es wieder die Verkaufsstelle gibt“, so sein Resümee nach zehn Tagen. Viele sind mit den Automaten überfordert. Günther Thomas ist darüber auch nicht glücklich: „Es gibt einen richtigen Tarifdschungel. Früher waren die Tarife viel einfacher. Es ist leider heute sehr kompliziert, die für jeden günstigste Karte zu finden. Ich bin froh, wenn ich einigen Menschen dabei helfen kann“, meint er.

Die Bahn hat sich im Lauf der Zeit auch sehr gewandelt, nicht immer zum Positiven. „Es gibt heute über 450 Privatbahnen in Deutschland, die Bahn selbst ist meist nur noch Betreiber des Schienennetzes und des Fernverkehrs“, weiß er. Der Nahverkehr ist sehr teuer, günstig sind dagegen Langstrecken, v.a. wenn man 180 Tage vorher bucht. „Viele wissen das gar nicht, wie günstig Frühbuchertarife sind. Man kann etwa für 39 Euro bis nach Budapest fahren“, so sein Tipp.

Zum ersten Mal hat er nun als alter Bahner nun auch nicht mit Technik, sondern mit normalen Reisenden zu tun. Oft muss er auch in Englisch helfen, doch auch darin möchte sich der 69-Jährige noch perfektionieren. „Meine früheren Kollegen halten mich für verrückt, dass ich das noch als Pensionär mache, aber es ist doch schön, wenn ich den Menschen helfen kann. Außerdem ist Langeweile für mich ein Fremdwort und: Wer rastet, der rostet!“ Übrigens liegt das Eisenbahnergen schon in der Familie, denn sein Ururopa war um 1860 einer der ersten Eisenbahner in Deutschland.

Viele Ehrenämter

Neben seinem Berufsleben war er immer schon im Ehrenamt tätig. So ist er heute etwa für das Bundesbahn-Sozialwerk Kassierer für die Region Niederrhein, ist bei den St.-Sebastianus-Schützen, ist Redakteuer bei den Stadtbundnachrichten und organisiert leitend den Heimatabend 2019, nebenbei hat er lange im Theaterverein 4c gespielt und ist Vorsitzender der Nachbarschaft „Klein Grävken“ auf der Josefstraße. Nicht nur die Nachbarn, Schützenfreunde und Kollegen wissen das Multitalent, das seine Freizeit schon immer für andere und einen guten Zweck eingesetzt hat, zu schätzen.