Ein Mann der ersten Stunde
Als Josef Niederholz im Jahr 2014 am Treffen des „Runden Tisch Flüchtlinge e.V.“ (RTF) in Kevelaer teilnahm, dachte er sich: „Gehst du da mal hin.“ Dass er kurz darauf mit einer eigenen Fahrradwerkstatt für die Flüchtlinge mitten im Geschehen sein sollte, ahnte er noch nicht. Der 73-Jährige zog 2014 erst nach Kevelaer.
In seinem Alltag fährt der Rentner zwar gerne mit dem Fahrrad und repariert dieses auch selbst, beruflich ist Niederholz aber „Maschinenbauingenieur und nicht unbedingt Fahrradmechaniker.“ Er traute es sich dennoch zu, den Flüchtlingen mit seiner Fahrradwerkstatt zu helfen.
In einem Hinterhof an der Gelderner Straße 199 in Kevelaer begann vor fünf Jahren alles. Ohne einen eigenen geschützten Raum reparierte Josef Niederholz jeden Dienstagvormittag zahlreiche Fahrräder. Nicht selten standen dann jedoch bis zu 15 Leute vor ihm mit ihren ganz eigenen Anliegen. „Ich habe jedes Fahrrad angenommen, habe nichts abgelehnt“, erzählt Niederholz. Fünf bis acht Fahrräder habe er in einer Woche circa geschafft – das natürlich nicht nur an einem Vormittag.
Auch an anderen Tagen in der Woche werkelte der gelernte Maschinenschlosser an den Fahrrädern. „Da war ich immer fix und foxy“, lacht der 73-Jährige. Dabei hat er nicht nur die vorhandenen Fahrräder der Flüchtlinge repariert, sondern auch ausrangierte Räder von Bürgern als Spende angenommen und auf Vordermann gebracht, um sie an die Flüchtlinge weiterzugeben. „Bei mir hat jeder ein Fahrrad bekommen“, berichtet Niederholz, denn irgendwann habe er bereits einen kleinen Bestand gehabt.
Eine eigene Garage
Der Bastler betont außerdem, dass er mit den hiesigen Fahrradhändlern eine sehr gute Zusammenarbeit gepflegt habe. Er habe Ersatzteile stets bei den Kevelaerer Händlern gekauft und „die haben mich immer unterstützt, wenn ich Ratschläge oder Spezialwerkzeug brauchte.“ Das Werkzeug sei nämlich zum großen Teil aus seinem eigenen Bestand gewesen.
Eine große Erleichterung stellte für Niederholz auch eine eigene Garage für die Fahrradwerkstatt dar – damit hatte das Werkeln draußen auf dem Hinterhof ein Ende.
War das Angebot zunächst noch kostenfrei, setzte Niederholz später einen kleinen Obolus für seine Tätigkeiten an, da er die Erfahrung gemacht habe, dass es durchaus vorkam, dass reparierte Fahrräder im Anschluss verkauft wurden.
Die Einnahmen daraus wurden im Anschluss für den Kauf von Ersatzteilen verwendet. „Das Projekt hat sich fast selbst getragen“, erzählt Niederholz. Konnten die Kosten doch einmal nicht gedeckt werden, fand der Ausgleich durch den Runden Tisch Flüchtlinge statt.
Eine große Verantwortung
In der vergangenen Zeit ist es in der Fahrradwerkstatt ruhiger geworden, sagt Niederholz. Zwei bis fünf Leute kämen dienstags im Schnitt mit ihren Fahrrädern vorbei. Für ihn sei die Fahrradwerkstatt immer eine gute Beschäftigung gewesen. „Ich habe das immer gerne gemacht“, meint der 73-Jährige. Er sei jedoch die ganze Zeit über allein verantwortlich gewesen für das Projekt und „das wird mir ein bisschen zu viel.“ Aus diesem Grunde zieht Niederholz sich nun aus der Fahrradwerkstatt zurück.
Am Dienstag war er zum vorerst letzten Mal in seiner aktuellen Position in der Fahrradwerkstatt tätig. In zweiter Reihe hin und wieder zu helfen, das könne er sich jedoch für die Zukunft vorstellen. „Der Bedarf ist nach wie vor da“, betont Niederholz, wie wichtig es sei, das Projekt aufrechtzuerhalten.
Nach rund 1.800 Arbeitsstunden – die hat er sich immer notiert – wurde Josef Niederholz am Dienstag vom Vorstand des Runden Tisch Flüchtlinge verabschiedet.
Auch dem Vorsitzenden des RTF, Ulrich Hünerbein-Ahlers, ist es wichtig, dass das Projekt Fahrradwerkstatt nicht endet. „Die Mobilität der Flüchtlinge hängt maßgeblich von den Fahrrädern ab“, betont er. Außerdem erfreue sich die Werkstatt „nach wie vor unverändert großer Beliebtheit.“ Vor allem deshalb sei es eine Erleichterung, dass Wolfgang Röhr sich „dankenswerterweise bereiterklärt hat, das weiterzuführen.“
„Ob ich das in dem Maße weiterführen kann, weiß ich nicht“, erklärt Wolfgang Röhr mit Blick auf den hohen zeitlichen Aufwand von Josef Niederholz in der Fahrradwerkstatt. Ihm sei es einfach wichtig, „dass das Projekt nicht stirbt. Ich sehe das als sehr wichtig an. Besonders, weil das Fahrrad für viele die einzige Form der Mobilität ist“, sagt Röhr. Der Pensionär wird ebenfalls dienstags von 9 bis 12 Uhr in der Garage an der Gelderner Straße 199 die Fahrräder der Flüchtlinge reparieren.
„Fahrradfahren und Fahrräder reparieren ist mein Hobby“, erzählt der ehemalige Berufsfeuerwehrmann. Dadurch habe er die nötigen Kenntnisse, um die Werkstatt auch fachgerecht weiterführen zu können. Der ebenfalls im Stadtrat und beim Bürgerbusverein tätige 63-Jährige ruft dennoch dazu auf, dass sich freiwillige Helfer gerne dienstags in der Fahrradwerkstatt melden können. So könne langfristig gegebenenfalls eine Zusammenarbeit entstehen, sodass er nicht die alleinige Verantwortung tragen muss, wie Josef Niederholz es in den vergangenen Jahren getan hat.