Ein Magier der Herzen

Kevelaer. Wenn Ingo Oschmann etwas abgeht, dann ist das Arroganz. Wenn der Bielefelder, der jetzt in Düsseldorf lebt und sich ärgert, wenn er fürs Haareschneiden Termine machen muss, sagt: „Ich hab mich voll auf heute gefreut- das letzte Mal vor drei Jahren war so ein genialer Abend“, dann kauft man ihm das ab.
Und auch den: „Jeden Satz, den ich sage, meine ich auch so“- den glaubt man ihm, dem „dicken George Clooney der Comedy“, wie er sich mit Anspielung auf seine grauen Haare und den kleinen Bauch selbstironisch nennt. Warum ? Weil er authentisch ist.
Kabarettist, nein, das sei er nicht, versicherte er gleich zu Beginn des Programms „Wunderbar – es ist ja so“. Nein, „billig sich auf die Bühne zu stellen und über Leute zu reden , die nicht da sind“, ist nicht sein Ding. Er zitiert den Kollegen Ingo Appelt: „Über Merkel kann man sagen was man will – aber hochgeschlafen hat sie sich nicht.“ Ende. Der Satz bleibt den gesamten Abend über der einzige böse Politikerwitz – und der ist nicht einmal von ihm selbst.
Starrummel ? – Keine Chance. Aus dem SAT 1-Geklingel sei er freiwillig ausgestiegen, weil ihm das nichts gibt. Welcher Zauberer ist schon so verrückt, seine eigenen Tricks zu verraten? Oschmann macht das mit Uri Gellers Löffel sogar in Zeitlupe. Und mit so wunderbaren Grimassen, dass man es gerne nochmal sehen würde. Oder er wirft einem Gast im Publikum aus sechs Meter Entfernung Orangen zu, die der wieder zurückwirft – und aus einer holt Oschmann das von einer jungen Frau beschriebene Tuch hervor, dass vorher in seinen Händen war.
Mit dieser offenen „magischen“ Spontanität kriegt er das Publikum – und nutzt seine Gabe, einem den Abend so zu gestalten, als unterhalte man sich mit alten Freunden über alte Zeiten.So, wenn er die Anekdote erzählt, dass er in den 80ern ein Dreivierteljahr am Radio saß, um das Lieblingslied der Angebeteten aufzunehmen, um dann Bandsalat zu haben und mit Mc-Gyver-Bleisift Korektur zu drehen – oder wenn er mit dem elfjährigen Elias über dessen absolutes Nicht-Lieblingsessen plaudert und sich selbst an „Grünkohl mit Pinkel“ erinnert.
Der absolute Hammer ist dann aber, wenn er mit den gleichen grauenerregenden Leggins wie damals den Schulball nachtanzt – und das Publikum vor Mitklatschen und Lachen nicht mehr kann.
„Es geht nicht darum, dass es früher besser war“, sagt Oschmann. Es gehe einfach um den besonderen Moment – und wo die in Zeiten von Facebook, Reiz- und Informationsflut geblieben sind.
Und so schimmert durch die Fassade des Charmebolzen und Unpolitischen doch sowas wie eine gesellschaftliche Aussage – erlebe bewusst, lasst Euch nicht treiben und verarschen von dem TV-Wahn, den Fake News. Nehmt wahr, was wirklich echt ist.
Und er erzählt vom US-Wissenschaftler Leon Eisenberg,, der behauptet hatte, es gebe die Krankheit ADHS – und vor seinem Tod gesteht, dass diese für die Pharmaindustrie erfunden wurde. Doch solche Momente setzt Oschmann als Spitze nur zwischendurch, um den Rythmus seines liebenswürdig daherkommenden Spontan-Feuerwerks nicht zu zerstören. Und dann ist da ein Bekenntnis: „Ich will nicht die Welt verändern, sondern, dass es bei mir schön und lustig ist.“ An diesem Abend ist es Ingo Oschmann ein bisschen gelungen.