Ein Fernsehstar aus Kevelaer
Als es durch die große Werkzeughalle ins „Starlack“-Büro von Mike Püllen am Gewerbering geht, sortiert der 30-Jährige gerade noch Hilfsmaterialien – Stichwort Corona. „Ich hab da 400 Euro bezahlt für Material wie Masken und sowas“, erzählt der engagierte junge Mann, der auch schon Hilfsprojekte in Ghana unterstützt hat.
„Letzte Woche habe ich noch 100 Liter Flächen-Desinfektionsmittel geholt und verteile die grade“, nutze er die Tatsache, dass er als Lackierer auch Sponsorverträge hat und darüber auch mal Hilfsaufrufe starten kann. „Ich habe die Sachen, die ich gekauft habe, umsonst abgegeben. Was ist denn so ein Menschenleben wert? Klar kann man damit jetzt Kohle machen – aber für eine Maske, die ich für 1,80 Euro einkaufe, warum soll ich die für 25 oder 50 Euro verkaufen? Das finde ich unter aller Sau.“
Schon von klein an hatte der gebürtige Kempener mit Fahrzeugen zu tun. Der Vater war Autolackierer, der zunächst in Straelen in einem Betrieb angestellt war und sich 1999 in Kevelaer selbstständig gemacht hatte. „Ich war als Junge hier jeden Samstag mit am Start, hatte da früh schon Bock drauf“, erzählt Püllen.
Mit zwölf Jahren durfte er schon im Betrieb mithelfen, „wo andere gespielt haben.“ Mit 14 spachtelte er seinen ersten Sprinter. „Man braucht zwar 25-mal so lange, aber mein Vater war stolz darauf, dass sein Sohn so reinwächst.“
2006 begann er dann im väterlichen Betrieb seine Lehre. „Seitdem bin ich fester Bestandteil hier.“ Vor fünfeinhalb Jahren übernahm Püllen den Betrieb, nachdem sein Vater bei einem Verkehrsunfall mit dem Motorrad ums Leben gekommen war. „Ich war derzeit noch Geselle hier, hab das übernommen. Ich habe einen Ausbilderschein gemacht, aber mir fehlt zum Meister die Zeit, um zur Schule zu fahren.“
Damals war er nicht sicher, ob es überhaupt weitergehen würde. „Ich war eigentlich nicht derjenige, der eine Firma leitet.“ Da habe ihm sein Onkel Willi schon sehr geholfen. „Wir hatten auch nur eine Woche zu – in der Woche, wo die Beerdigung geplant wurde. Und danach ging es direkt Vollgas weiter.“ Er ist sehr glücklich darüber, dass die Kunden das mit durchgezogen haben. Das ist auch nicht selbstverständlich.“
Was ihm an dem Job gefällt, ist die Kreativität. Ein wenig hat ihm die seine Mutter mitgegeben, die als Künstlerin tätig war. „Aber auch sie hatte vor eineinhalb Jahren einen Unfall, ist seitdem in Pflege. „Das einzig Schöne privat ist, dass ich vor einem Jahr Vater geworden bin.“ Sohn Liam ist sein ganzer Stolz. „Der wird direkt Lackierer und Musiker – theoretisch“, scherzt er. „Der soll natürlich gucken, wo er später mal Bock drauf hat.“
Insgesamt tragen fünf Menschen – „zwei Gesellen draußen, ein Azubi, meine Frau als Halbtagskraft und ich“ – den Betrieb. „Wir haben hier ein ziemlich freundschaftliches Verhältnis in der Firma und ein junges Team“, das mache ihm am meisten Freude. „Alle stehen zu 100 Prozent hinter mir“, das sei für ihn persönlich das Wichtigste. „Denn ich bin durch die Fernsehgeschichte auch mal nicht da.“
Erste Kontakte zum Fernsehen hatte Püllen schon im Jahr 2013. „Ich war mal beim ‚Supertalent‘, habe dafür in ein Auto ein Schlagzeug eingebaut. Da war ich in den Werbekanälen und als Vorschau zu sehen.“ Der Auftritt selbst wurde aber nicht ausgestrahlt. „Das haperte wohl daran, dass die das Schlagzeug im Auto technisch nicht vernünftig abgenommen haben.“
Die Erfahrung damals sei aber total interessant gewesen. „Da habe ich aber auch gemerkt, dass Fernsehen doch ein Fake ist.“ Denn bei der Produktion wurde seine ihm applaudierende Mutter aufgenommen „und diese Sequenz als Applaus für ein Amy-Winehouse-Double reingeschnitten.“
Der jüngste Auftritt bei der Fernsehsendung „Sidneys Welt“ auf DMAX kam aufgrund persönlicher Kontakte zustande. „Wir lackieren für eine Issumer Firma namens ‚DPH Voss‘, und die machen Großprojekte. Die haben eine Agentur mit Sitz in München und machen VW-Sachen und sowas.“ So lackierte Püllen für Firmen wie Skoda oder VW Messestände, traf den Fotografen der Agentur aus München.
Der war zufällig auch Fotograf von Sidney Hoffmann, der schon seit Jahren über die Doku-Soap „Die PS Profis“ bekannt ist. Ein halbes Jahr nach der Begegnung mit dem Fotografen erfolgte der Anruf von Sidney, „ob ich nicht Lust hätte, einen Porsche von ihm zu lackieren.“ Nach getaner Arbeit „war dann das Eis gebrochen“ und Mike Püllen wurde Hoffmanns „Haus- und Hoflackierer. Und jetzt beginnt das, Früchte zu tragen.“
Was ihm an dem Format „Sidneys Welt“ so gut gefällt? Das ist nicht nach Drehbuch. Du kriegst ein Mikro und legst los. Da wird nichts geschnitten.“ Auch als ihm bei der letzten Folge mal ein Schimpfwort herausrutschte. „Da können wir alle so sein, wie wir sind. Und Sidney ist da mit den Sprüchen so, wie er ist. Deshalb ist es auch für uns umso schöner, mit dabei zu sein.“ So entstünden dann sehr authentische Situationen.
Auch bei Youtube findet man Sequenzen. Da gibt es mittlerweile 60.000 bis 70.000 Aufrufe. Die nächsten Folgen für DMAX sind auch schon abgedreht. „Und nach der Corona-Zeit wird man da auch noch mehr machen.“ Auch VOX wolle eine Sendung machen, bei der Püllen mit dabei sein soll. „Wenn das keinen Erfolg bringt, dann weiß ich auch nicht“, freut er sich über den Zuspruch. Und so ganz „nebenbei“ ist er mit seiner Punk-Rockband „Neurotox“ auch noch gut am Start.
Die gute Phase genießt Püllen in vollen Zügen. Aber darüber die Bodenhaftung verlieren, das kommt für ihn nicht in Frage. „Ich bin nur ein einfacher Autolackierer“, sagt er bescheiden – und man merkt ihm an, dass er es auch so meint.